Gonorrhö: Resistenzen machen Sorge
In Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern besteht für die Gonorrhö keine Meldepflicht. Für 28 Länder der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) konnte das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC) jedoch Daten auswerten und schlägt Alarm.
Für das Jahr 2022 wurden 70.881 bestätigte Fälle von Gonorrhö gemeldet – die höchste Zahl seit Beginn der europäischen Überwachung sexuell übertragbarer Infektionen im Jahr 2009. Im Vergleich zum Jahr 2021 habe die Melderate um 48 Prozent zugenommen, im Vergleich zu 2018 um 59 Prozent.
Gonorrhö: Große Schwankungen der Fallzahlen in der EU
Das ECDC wertete Daten aus den Jahren 2018 bis 2022 aus. Dabei wurden große Unterschiede bei den nationalen Raten festgestellt. So gibt es Länder, die gar keine Fälle meldeten, andere hatten mehr als 75 Fälle pro 100.000 Einwohner.
Die Melderate lag in 2021 im Schnitt bei 17,9 Fällen pro 100.000 Einwohner, wobei die höchsten Raten in Irland (75,3 pro 100.000), Luxemburg (73,6), Dänemark (66,9) und Spanien (48,3) festgestellt wurden.
Insgesamt entfielen auf Männer 29 Fälle pro 100.000 Einwohner, auf Frauen 7,2 pro 100.000 Einwohner. Über die Hälfte aller Infektionen fanden sich in der Altersgruppe der 20- bis 34-Jährigen (59 Prozent).
Mehr als die Hälfte der Erkrankungen (60 Prozent) betraf Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Allerdings gab es in 2022 den höchsten Anstieg der Melderate bei Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren: um 63 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Inzidenz für Gonorrhö steigt seit Jahren
Zwischen 2013 und 2022 haben 23 Länder der EU bzw. EWR kontinuierlich Fälle gemeldet – Deutschland zählt nicht dazu. Basierend auf diesen Daten stellt das ECDC zwischen 2013 und 2019 einen kontinuierlichen Anstieg der Melderaten fest (von 4,7 Fällen in 2013 auf 7,9 in 2019). In 2020 gab es einen leichten Rückgang (6,9 Fälle), im Jahr 2021 stieg die Zahl dann jedoch wieder auf 7,6 und in 2022 schließlich auf 11,2 Fälle pro 100.000 Einwohner.
Zwischen 2013 und 2022 waren die geschlechtsspezifischen Raten bei Männern konstant höher als bei Frauen. Seit 2013 stiegen die Melderaten bei Männern um 140 Prozent und bei Frauen um 132 Prozent.
Tripper: Gefährliche Symptomlosigkeit bei Frauen
Experten sehen die Zunahme der Gonorrhö mit Sorge. Zeige sie doch, dass viele Menschen beim Sex mit neuen oder wechselnden Partnern keine Kondome verwendeten. Im Krankheitsfall tragen Frauen ein erhöhtes Risiko.
Anders als bei Männern verläuft die Gonorrhö bei ihnen meist zunächst symptomfrei. Allerdings treten Komplikationen häufiger auf, wenn es keine Symptomatik gibt. So kann sie zu Endometritis (Gebärmutterentzündung), Salpingitis (Eileiterentzündung), einer ektopen Schwangerschaft sowie Unfruchtbarkeit führen.
Eine Gonorrhö kann außerdem in der Schwangerschaft auf das Kind übertragen werden, was beim Neugeborenen zu einer Gonoblenorrhoe mit ernstzunehmenden Folgen führen kann.
Gut zu wissen: Symptome einer Gonorrhö
Bei Frauen:
- Ausfluss aus der Scheide und
- eventuell Harnröhrenentzündung sowie Gebärmutterhalsentzündung
Bei Männern:
- Harnröhrenentzündung mit eitrigem Ausfluss aus der Harnröhre
Tripper: Antibiotikaresistenzen problematisch für Behandlung
Die Gonorrhö wird durch den Erreger Neisseria gonorrhoeae (Gonokokkus) hervorgerufen. Der Erreger wird ausschließlich durch direkten Schleimhautkontakt, vor allem beim Geschlechtsverkehr, übertragen. Nach einer Inkubationszeit von 1 bis 14 Tagen können sich Symptome einstellen.
Solange die Infektion besteht, gilt die betroffene Person als ansteckungsfähig. Behandelt wird mit einem Antibiotikum. Die Antibiotikaresistenz bei Neisseria gonorrhoeae stellt jedoch mittlerweile ein globales Problem für die Behandlung und Kontrolle der Gonorrhö dar.
Bereits 2017 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Neisseria gonorrhoeae als einen Erreger mit hoher Priorität eingestuft, für den aufgrund einer besorgniserregenden Resistenzsituation neue Antibiotika dringend benötigt werden. Gegenüber allen Antibiotika, die bisher zur Behandlung empfohlen wurden, wurden Resistenzen nachgewiesen.
Aktuell ist laut dem Robert Koch-Institut (RKI) Ceftriaxon in den meisten Ländern die einzige noch verbliebene empirische Monotherapie der Gonorrhö. Allerdings häufen sich weltweit die Berichte über Therapieversagen und Resistenzen gegenüber Cephalosporinen.
Deshalb wird in der S2K-Leitlinie zur Gonorrhö auch eine duale antimikrobielle Therapie, hauptsächlich Ceftriaxon plus Azithromycin, empfohlen.
Kommt bald eine Impfung gegen Tripper?
Neben der Erforschung neuer Antibiotika könnte vielleicht auch einmal eine Impfung die Erkrankung eindämmen. So wurden vor zwei Jahren Hinweise darauf gefunden, dass eine Meningokokken-B-Impfung die Übertragung von Gonorrhö reduzieren kann Quelle: https://doi.org/10.1016/S1473-3099(21)00812-4 .
Derzeit steht wohl schon ein spezifischer Gonokokken-Impfstoff in den Startlöchern – zumindest in den USA, wie die „ÄrzteZeitung“ berichtet. Hier werde derzeit ein beschleunigtes FDA-Zulassungsverfahren vorangetrieben, heißt es. Quellen: IPF – Infozentrum für Prävention und Früherkennung; European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC); Robert Koch-Institut; https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Steigende-Gonorrhoe-Zahlen-Wie-laesst-sich-der-Tripper-eindaemmen-453089.html