Harnwegsinfekt & Gonorrhö: neues Antibiotikum getestet
Antibiotika-Resistenzen, aber auch Kontraindikationen, geringe Verfügbarkeit oder Wirksamkeit schränken die therapeutischen Optionen gegen bakterielle Infektionen ein. Neue Wirkstoffe werden daher dringend benötigt.
In einem Phase-III-Studienprogramm untersucht das Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline (GSK) ein neues First-in-Class-Antibiotikum gegen unkomplizierte urogenitale Gonorrhö (Studie „EAGLE-1“) sowie gegen unkomplizierte Harnwegsinfektionen (Studie „EAGLE-2 und -3“).
Antibiotikum Gepotidacin hemmt Bakterien-Vermehrung
Das Triazaacenaphthylen-Antibiotikum Gepotidacin wirkt bakterizid: Es hemmt zwei Typ-II-Topoisomerasen – DNA-Gyrase und Topoisomerase IV – und verhindert dadurch die DNA-Replikation (Vervielfältigung) von Bakterien.
In der Studie „EAGLE-1“ wurde Gepotidacin per os mit Ceftriaxon intramuskulär plus Azithromycin per os bei etwa 600 Erwachsenen getestet. Die Studienteilnehmenden litten dabei an einer durch Neisseria gonorrhoeae ausgelösten unkomplizierten Gonorrhö (Tripper).
Der primäre Endpunkt – die Nichtunterlegenheit von Gepotidacin bezüglich der Wirksamkeit – wurde dabei erreicht, wie GSK in einer Pressemeldung am 26. Februar 2024 bekannt gab.
Zur Erinnerung: Was ist die Gonorrhö?
Im Volksmund wird die Gonorrhö auch als Tripper bezeichnet. Sie ist in Europa die zweithäufigste sexuell übertragbare Infektion – nach Chlamydien-Infektionen.
Die Gonorrhö wird durch den Erreger Neisseria gonorrhoeae (Gonokokkus) hervorgerufen. Der Erreger wird ausschließlich durch direkten Schleimhautkontakt – vor allem beim Geschlechtsverkehr – übertragen.
Nach einer Inkubationszeit von 1 bis 14 Tagen können sich Symptome einstellen:
- bei Frauen: Ausfluss aus der Scheide und eventuell Harnröhrenentzündung sowie Gebärmutterhalsentzündung
- bei Männern: Harnröhrenentzündung mit eitrigem Ausfluss aus der Harnröhre.
Mögliche Komplikationen sind bei Frauen Entzündungen von Gebärmutter, Bauchfell und Eileiter mit dem Risiko von Unfruchtbarkeit. Bei Männern hingegen kann es zu Prostataentzündung oder Nebenhodenentzündung kommen.
Rund 50 Prozent der infizierten Frauen und zehn Prozent der infizierten Männer haben jedoch keine subjektiven Symptome.
Antibiotikum Gepotidacin wirksam gegen Harnwegsinfektion
Im Fachjournal „The Lancet“ wurden unterdessen die Ergebnisse der randomisierten doppelblinden Nichtunterlegenheitsstudien „EAGLE-2 und -3“ publiziert. Eingeschlossen wurden darin insgesamt mehr als 3.000 Frauen ab zwölf Jahren mit mindestens zwei Symptomen einer Harnwegsinfektion wie
- Dysurie (schmerzhaftes Ablassen des Harns) oder
- Unterleibsschmerzen.
Sie erhielten peroral für jeweils fünf Tage (1:1) entweder zweimal täglich 1.500 mg Gepotidacin oder zweimal täglich 100 mg Nitrofurantoin. Aufgrund der Wirksamkeit konnten beide Studien nach einer Interimsanalyse vorzeitig beendet werden.
Ein Therapieerfolg wurde bei 50,6 % bzw. 58,5 % der Patientinnen in den Gepotidacin-Gruppen erreicht sowie bei 47,0 % bzw. 43,6 % Teilnehmerinnen, die Nitrofurantoin erhalten hatten. In beiden Studien konnte die Nichtunterlegenheit von Gepotidacin, in „EAGLE-3“ auch die Überlegenheit gegenüber Nitrofurantoin, gezeigt werden. Die häufigste Nebenwirkung des neuen Wirkstoffs war Diarrhö.
Sind weniger Antibiotika-Resistenzen zu erwarten?
In der Zeitschrift „Biospektrum“ ordnete der Apotheker und Toxikologe, Prof. Dr. Henning Hintzsche, den neuen Wirkstoff ein. Durch den dualen Wirkmechanismus sei es zu erwarten, dass Resistenzen nicht so schnell entstehen wie bei anderen Verbindungen. „Ob sich dies dann in der Praxis als relevant erweist, wird erst im Zuge der breiten Anwendung feststellbar sein“, so Hintzsche. Quellen:
- Wagenlehner F et al. Oral gepotidacin versus nitrofurantoin in patients with uncomplicated urinary tract infection (EAGLE-2 and EAGLE-3): two randomised, controlled, double-blind, double-dummy, phase 3, non-inferiority trials. Lancet 2024;403: 741–755, doi: 10.1016/S0140-6736(23)02196-7
- GSK announces positive headline results from EAGLE-1 phase III trial for gepotidacin in uncomplicated urogenital gonorrhoea (GC). Pressemeldung GlaxoSmithKline, 26. Februar 2024
- Hintzsche H. Gepotidacin: Ein neues Antibiotikum mit dualem Wirkmechanismus. Biospektrum 2024;30:79, doi: 10.1007/s12268-024-2125-x