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Selbstmedikation während der Schwangerschaft - Teil 2: Übelkeit und Erbrechen

Morgenübelkeit ist das wohl bekannteste und am weitesten verbreitete Schwangerschaftsanzeichen. Was man in der Selbstmedikation dagegen tun kann, erfahren Sie im zweiten Teil unserer Serie. | Bild: VadimGuzhva - Fotolia.com

Hormone und andere Auslöser

Vermutlicher Auslöser von Schwangerschaftsübelkeit ist ein hoher Spiegel des Schwangerschaftshormons HCG (Human Choriongonadotropin), der in den ersten Wochen der Schwangerschaft rasant in die Höhe schnellt nach dem 3. Monat wieder abfällt. Außerdem verändern sich in den ersten Schwangerschaftswochen das Geschmacks- und Geruchsempfinden und das Brechzentrum im Gehirn wird gereizt. Neben dem ungewohnt hohen Hormonspiegel werden diverse weitere Auslöser diskutiert: eine genetische Disposition, Blutzuckerschwankungen, Vitamin-B6- und Zinkmangel, Stress, ein allzu entspannter unterer Schließmuskel der Speiseröhre, ungünstige psychosoziale Bedingungen für die Schwangere und Mehrlingsschwangerschaften sind nur eine Auswahl an möglichen Faktoren. Auch wenn die Ursachen der Übelkeit immer noch nicht bewiesen sind, steht doch fest, dass eine moderate Schwangerschaftsübelkeit zwar unangenehm, aber keine Krankheit ist – im Gegenteil: Übelkeit gilt als gutes Zeichen dafür, dass eine Schwangerschaft stabil ist und ist ein typischer Begleiter der ersten Schwangerschaftswochen und ist zudem meist gut zu lindern.

Hyperemesis gravidarum – wenn die Übelkeit Überhand nimmt

Neben der normalen Form der Schwangerschaftsübelkeit leiden etwa drei bis zehn von 1.000 Schwangeren unter einer extremeren und deutlich länger anhaltenderen Form, der Hyperemesis gravidarum (HG). Unter Umständen leiden betroffene Frauen bis zur Geburt des Kindes unter starker Übelkeit und sehr häufigem Erbrechen. HG schwächt die werdende Mutter nicht nur körperlich, sondern verlangt auch psychisch enorm viel Kraft. Spätestens nach der Geburt stellen sich Appetit und Lebensfreude jedoch auch bei diese Frauen schnell wieder ein. Bis es so weit ist, leiden die Betroffenen meist den ganzen Tag und übergeben sich täglich bis zu fünfzigmal! Diese Patientinnen können zeitweise weder feste Nahrung noch Flüssigkeit bei sich behalten. Schwere Fälle sind behandlungsbedürftig Selbstverständlich gehören Patientinnen, die sich mehr als drei- bis viermal am Tag übergeben müssen und dadurch mehr Flüssigkeit verlieren als sie aufnehmen können, schnell in ärztliche Behandlung. Droht die Patientin zu dehydrieren oder der Elektrolythaushalt aus dem Gleichgewicht zu geraten, können Infusionen und auch ein stationärer Krankenhausaufenthalt notwendig werden.

Wann zum Arzt?

Die Übergänge zwischen normaler Schwangerschaftsübelkeit und Hyperemesis sind fließend. Wichtig ist, in einem Gespräch mit der Kundin herauszufinden, wie stark deren Beschwerden sind und wie lange diese schon anhalten. Solange sich gelegentliches Erbrechen in dem beschriebenen begrenzten zeitlichen Rahmen bewegt, ist keine medikamentöse Behandlung notwendig. Aber schon bei viermaligem Erbrechen täglich spricht der Gynäkologe von Hyperemesis. Gerade bei Grenzfällen kann es notwendig sein, die Patientin zu einem Gespräch mit ihrem Frauenarzt zu motivieren. Die Ängste nehmen Nicht selten bagatellisieren die Betroffenen ihre Beschwerden im Arztgespräch. Sie glauben, Übelkeit und Erbrechen gehörten zur Schwangerschaft dazu und müssten durchlitten werden, oder sie fürchten, Medikamente könnten dem Fötus schaden. Bei sehr starkem Erbrechen kommen Phenothiazine wie Chlorpromazin und Promethazin zum Einsatz. Als Alternative für Therapieversager hat sich der Arzneistoff Ondansetron bewährt. Zusätzlich zum körperlichen Zustand sollte der Arzt auch immer die seelische Verfassung der Patientin im Auge behalten. Wer in einem Kreislauf aus Erbrechen und Erschöpfung steckt, gerät schnell in eine Depression. Dann sind gut gemeinte Sätze wie „Das geht vorbei, Kopf hoch!“ nicht hilfreich, sondern geben der Patientin zu Recht das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

Medikamente gegen die Übelkeit – das sagt Embryotox

Im besten Fall helfen bereits Präparate mit Pyridoxin (Vitamin-B6) oder Ingwer (Cave: Ingwer sollte nur im 1. Trimenon angewendet werden. Viele Ärzte und Hebammen raten vom Genuss frischen Ingwers oder Ingwertees ab dem 2. Trimenon ab, da dieser eine wehenfördernde Wirkung hat.) Auch klassische, sedierende Antihistaminika mit antiemetischer Komponente wie Doxylamin, Dimenhydrinat oder Diphenhydramin, auch in Kombination mit Pyridoxin, können den Betroffenen helfen.

Pyridoxin (Vitamin B6) 

Der in Deutschland empfohlene Bedarf an Pyridoxin beträgt für Schwangere ab dem 4. Monat und Stillende etwa 1,9 mg/Tag. Die Konzentrationen von Pyridoxin beim Feten sind aufgrund eines aktives Transports durch die Plazenta etwa doppelt so hoch wie bei der Mutter. Pyridoxin wurde bzw. wird zusammen mit Doxylamin in den USA bzw. Kanada sehr häufig bei Hyperemesis gravidarum eingesetzt. Hinweise auf eine teratogene Wirkung des Pyridoxins bestehen nicht. In Deutschland ist das Vitaminpräparat Nausema® erhältlich. Es enthält die Vitamine B6, B1 und B12 in der erforderlichen Dosierung. Durch die Aufnahme von Vitamin B6 (Pyridoxin) sollen überschießende Hormonproduktionen abgefedert werden. Zudem unterstützt das Vitamin zusammen mit Vitamin B12 (Cobalamin) ein normal funktionierendes Immunsystem und die normale Bildung der roten Blutkörperchen. Zur Therapie einer Hyperemesis sollte eine Tagesdosis von 80 mg/Tag nicht dauerhaft überschritten werden.

Dimenhydrinat (Vomex A®, Vomacur® u.v.m.)

Eines der bekanntesten Antihistaminika zur symptomatischen Therapie von Übelkeit und Erbrechen ist Dimenhydrinat (Vomex A®, Vomacur® u.v.m.) Der Erfahrungsumfang in der Schwangerschaft wird von Embryotox als hoch eingestuft. Umfangreiche Untersuchungen haben für keines der weit verbreiteten Antihistaminika mit langer Markterfahrung, wie z.B. Diphenhydramin den früher geäußerten Verdacht auf teratogene Effekte beim Menschen bestätigt. Dimenhydrinat sollte im 3. Trimenon wegen seiner möglichen kontraktionsfördernden Wirkung auf den Uterus gemieden werden. Nach langfristiger Anwendung einiger älterer Antihistaminika (wie Diphenhydramin oder Hydroxyzin) bis zur Geburt wurden in Einzelfällen beim Neugeborenen Entzugssymptome wie Zittrigkeit und Diarrhö beschrieben. Die vorübergehende Anwendung von Dimenhydrinat in der Schwangerschaft ist akzeptabel, falls kein Risiko für eine Frühgeburt besteht.

Doxylamin (Hoggar N®, Schlafsterne®, Gittalun® u.v.m.)

Doxylamin (Hoggar N®, Schlafsterne®, Gittalun® u.v.m.) ist ein Antihistaminikum der ersten Generation mit einem ausgeprägten sedierenden Effekt. Es wird zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen und Schwangerschaftserbrechen eingesetzt. Doxylamin, meistens in Kombinationspräparaten u.a. mit Pyridoxin, wurde fast 30 Jahre weltweit zur Therapie der Hyperemesis gravidarum eingesetzt. Umfangreiche Studien konnten die in den 70er und 80er Jahren diskutierte teratogene Wirkung, die ein Grund zur Zurücknahme der Zulassung war, nicht bestätigen. In Kanada wird Doxylamin in Kombination mit Pyridoxin wieder als Mittel der Wahl bei Hyperemesis angewendet. Inzwischen liegt auch eine Studie zur neurophysiologischen Entwicklung von 45 ehemals intrauterin exponierten Kindern vor, die keine Unterschiede bei den 3-7 Jährigen im Vergleich zu den Kontrollkindern feststellte. Nach langfristiger Anwendung einiger älterer Antihistaminika (wie Diphenhydramin oder Hydroxyzin) bis zur Geburt wurden in Einzelfällen Anpassungsstörungen wie Zittrigkeit und Diarrhö bei den Neugeborenen beobachtet. Derartige Auffälligkeiten wurden speziell nach Doxylamineinnahme bisher nicht beschrieben. Allerdings reicht die Datenlage für eine differenzierte Bewertung nicht aus.

Doxylamin ist in Deutschland nicht zur Behandlung von Schwangerschaftserbrechen zugelassen, gehört aber trotzdem zu den Mitteln der Wahl. In den angelsächsischen Ländern wird es zusammen mit Pyridoxin empfohlen.

Dyphenhydramin (Betadorm®, Emesan® u.v.m.)

Dyphenhydramin (Betadorm®, Emesan® u.v.m.) gehört ebenfalls zu den Antihistaminika der ersten Generation. Aufgrund der ausgeprägten sedierenden Wirkung wird es heute hauptsächlich als Schlafmittel eingesetzt. Diphenhydramin kann in den ersten beiden Schwangerschaftsdritteln eingesetzt werden. Die Einnahme von Diphenhydramin sollte nicht zusammen mit Benzodiazepinen oder anderen sedierenden Arzneistoffen erfolgen.

Weitere Tipps gegen die Übelkeit

  • Vor dem Aufstehen am Morgen trockenes Brot oder Gebäck knabbern. Geeignet sind beispielsweise Knäckebrot, Zwieback oder Kekse.
  • Mehrere kleine, fettarme Mahlzeiten über den Tag verteilt essen. Dann bleibt der Blutzuckerspiegel gleichmäßig. Falls die Schwangere mal keinen Hunger hat, sollte sie wenigstens auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.
    Minzöl (z. B. Euminz®) äußerlich auf Stirn, Schläfen oder im Nacken auftragen. Großzügigen Abstand zu den Augen halten.
  • Ingwertee (aus frischem Ingwer oder aus fertigen Aufgussbeuteln) trinken. Praktisch für unterwegs sind auch Ingwertropfen oder -kapseln oder Ingwerbonbons. Cave: Ingwer sollte nur im 1. Trimenon angewendet werden.
  • Viele Ärzte und Hebammen raten vom Genuss frischen Ingwers oder Ingwertees ab dem 2. Trimenon ab, da dieser eine wehenfördernde Wirkung hat.
  • Homöopathische Arzneimittel wie Robinia comp. Globuli von Wala (dreimal täglich zehn Globuli) und Nausyn® Tabletten von Weleda (bei Bedarf alle drei Stunden eine Tablette) können gegen die Übelkeit eingenommen werden.
  • Auch Akupunktur, Aromatherapie, Fußreflexzonenmassage, Akupressur mit Akupressurbändern, die am Handgelenk getragen werden (z. B. Sea-Band®) sowie Ruhe und frische Luft können für Linderung sorgen

Im dritten Teil erfahren Sie alles über die Möglichkeiten der Selbstmedikation in der Schwangerschaft bei Sodbrennen.

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