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Übeltäter für Schwanger­schaftserbrechen gefunden

Schwangere Frau hält sich Hand vor den Mund und die andere liegt auf dem Bauch
Schwangere klagen vor allem häufig im ersten Schwangerschaftsdrittel über Übelkeit und Erbrechen. | Bild: nenetus / AdobeStock

Laut Embryotox haben ganze 70–80 % aller Schwangeren in den ersten Wochen mit Übelkeit zu kämpfen. Die Hälfte der werdenden Mütter muss sich zusätzlich auch regelmäßig übergeben. In der Regel klingen die Symptome größtenteils nach dem ersten Trimenon wieder ab.

Allerdings zeigen 0,2–2 % der schwangeren Frauen einen schweren Verlauf – die Rede ist dann von Hyperemesis gravidarum (unstillbares Schwangerschaftserbrechen). Starke, anhaltende Übelkeit und häufiges Erbrechen führen zu Dehydratation und Gewichtsverlust. Ebenso kann ein Elektrolyt- und Vitaminmangel verursacht werden. Nicht selten müssen die betroffenen Frauen stationär behandelt werden.

Zur Erinnerung: Schwangerschaftswochen vs. Trimenon

Eine normale Schwangerschaft dauert circa neun Monate, was ungefähr 40 Wochen entspricht. Die Einteilung dieser Zeitspanne erfolgt sowohl anhand von Schwangerschaftswochen als auch in Form von Schwangerschaftsdritteln:

  • Das erste Drittel (Trimenon) besteht aus Schwangerschaftswoche 1 bis 12,
  • das zweite Trimenon beinhaltet Schwangerschaftswoche 13 bis 28 und
  • das dritte und letzte Trimenon umfasst Schwangerschaftswoche 29 bis 40.

Doch warum fällt die Übelkeit und das Erbrechen während der Schwangerschaft bei Frauen so unterschiedlich aus? Neue Forschungsergebnisse zeigen, warum es manchen Schwangeren schlechter geht als anderen.

Übelkeit in der Schwangerschaft: Ein Hormon als Auslöser

Bisher wurden verschiedene Mechanismen im Körper als Ursache für das Schwangerschaftserbrechen vermutet: hohe ß-HCG-Werte, Vitamin-B-Mangel, Abweichungen in der Magen- und Darmmotilität oder auch eine Infektion mit Helicobacter pylori. Nun gibt es jedoch einen anderen Ansatz. 

Marlena Schoenberg Fejzo – eine US-amerikanische Forscherin – gab den Anstoß für die Untersuchungen, deren Erfolge im Dezember 2023 im Fachmagazin „nature“ publiziert wurden. Fejzo war selbst von extremer Schwangerschaftsübelkeit betroffen und machte es sich zur Aufgabe, den Auslöser dafür zu finden. Was ihr und ihrem Team schließlich auch gelang.

Die Wissenschaftler konnten einen relevanten Zusammenhang zwischen ausgeprägter Übelkeit bzw. Erbrechen während der Schwangerschaft (Nausea and Vomiting in Pregnancy (kurz: NVP)) und einem Botenstoff feststellen: dem Hormon GDF15.

Bekannt ist GDF15 der Wissenschaft schon länger, da es mit verschiedenen Erkrankungen assoziiert ist. Die Forschenden konnten nachweisen, dass Schwangere mit hohen GDF15-Werten im Blut häufiger an starker Übelkeit leiden.

Hormonanstieg beeinflusst Schwere der Übelkeit

Das scheint aber nur die halbe Wahrheit zu sein. Im späteren Verlauf der Untersuchungen wurde beobachtet, dass nicht der absolute Wert für die Ausprägung der Übelkeit verantwortlich ist, sondern das Verhältnis „vor“ zu „während“ der Schwangerschaft. Das heißt: Haben Frauen genetisch bedingt nur wenig GDF15 im Blut, bevor sie schwanger werden, und erhöht sich dieser Wert während ihrer Schwangerschaft drastisch, so reagiert der Körper heftiger.

Tiermodelle mit Mäusen bekräftigten die Forschungsresultate. Um noch mehr Gewissheit zu erlangen, befragte die Gruppe von Forschenden Betroffene der Beta-Thalassämie. Diese angeborene Blutkrankheit geht mit dauerhaft erhöhten GDF15-Werten einher. Von den befragten Frauen klagten nur 5 % über NVP, bei der Kontrollgruppe waren es mehr als 10-mal so viele.

Weitere Studien notwendig

Um aus der Theorie eine wirkliche Hilfe im Alltag für betroffene Frauen zu schaffen, ist noch einiges an Arbeit notwendig. Könnte man in Zukunft versuchen, Frauen vor einer Schwangerschaften zu desensibilisieren und den Körper an das Hormon zu gewöhnen? Oder das Hormon im Organismus unwirksam machen? Weitere Studien werden es zeigen. Bis es so weit ist, kann den werdenden Müttern in der Apotheke mit den derzeitigen Möglichkeiten ausgeholfen werden. Quellen:
- https://www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/hyperemesis-gravidarumemesis-gravidarum
- https://www.tagesschau.de/wissen/schwangerschaftsuebelkeit-100.html
- https://www.nature.com/articles/s41586-023-06921-9
 

Gut zu wissen: aktuelle Therapiemöglichkeiten bei Schwangerschaftsübelkeit/-erbrechen

Nicht medikamentöse Maßnahmen:

  • ausreichend trinken
  • kleine kohlenhydrat- und proteinhaltige Mahlzeiten (direkt morgens im Bett)
  • Ingwer
  • keine fettigen oder scharfen Speisen
  • starke Gerüche meiden
  • familiäre und medizinische Unterstützung wirken sich positiv aus

Pharmakologische Möglichkeiten:

  • Vitamin B6 (Nausema ®)
  • H1-Antihistaminika
  • Doxyaminsuccinat/Pyridoxinhydrochlorid (Vitamin B6): Mittel der Wahl; gute Wirksamkeit, seit 30 Jahren weltweit gegen NVP im Einsatz; in Deutschland seit 2019 zugelassen; mittlerweile auf Kassenrezept möglich: Cariban®, Xonvea®
  • Dimenhydrinat Vomex A®
  • Meclozin Postadoxin N® (seit 2007 nur über Auslandsapotheken)

Wenn H1-Blocker versagen:

  • MCP (Dopamin-Antagonist)
  • Ondansetron (5-HT3-Blocker/Serotonin-Antagonist)
  • Methylprednisolon (Glucocorticoid) bei therapierefraktären Verläufen
  • Mirtazapin (Antidepressivum) bei besonders schweren Fällen und psychiatrischen Symptomen
  • stationäre Behandlung mit Flüssigkeits-, Glukose- und Vitamininfusion, „Vomex®-Tropf“