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Was sind Lebendimpfstoffe und welche gibt es?

Im Kampf gegen Infektionskrankheiten spielen Impfstoffe eine entscheidende Rolle. Mit ihrer Hilfe kann der Körper Immunität gegen verschiedene Krankheitserreger entwickeln, ohne die Krankheit durchmachen zu müssen.
Durch eine Impfung werden dem Immunsystem bestimmte Bausteine, die sich auf der Oberfläche des jeweiligen Erregers befinden, präsentiert. Diese Proteine oder Kohlenhydrate werden als Antigene bezeichnet, sie veranlassen den Körper zur Bildung von Antikörper gegen den geimpften Erreger.
Europäische Impfwoche 2025
Jedes Jahr in der letzten Aprilwoche begeht die Europäische Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Europäische Impfwoche. Damit soll auf die Bedeutung von Impfmaßnahmen für die Prävention von Krankheiten und den Schutz von Menschenleben aufmerksam gemacht werden.
Dieses Jahr wird mit dem Motto: „Impfungen für alle sind menschlich möglich“ auf die Notwendigkeit der gleichmäßigen Durchimpfung hingewiesen.
Auf PTAheute.de möchten wir diese Aktion mit ausgewählten Beiträgen unterstützen. Sie erhalten Informationen zu den Impfungen gegen FSME, Tetanus, Dengue-Fieber und Tollwut. Außerdem erklären wir, was mRNA-Impfstoffe und was Lebendimpfstoffe sind, und geben Hinweise, worauf bei Impfungen in der Apotheke zu achten ist.
Was sind Lebendimpfstoffe?
Lebendimpfstoffe enthalten lebende, aber abgeschwächte Krankheitserreger, die sich zwar vermehren können, aber keine Erkrankung mehr hervorrufen. Das Immunsystem reagiert darauf mit der Bildung spezifischer Antikörper.
Antikörper werden auch als Immunglobuline bezeichnet. Dabei handelt es sich um Eiweiße, die vom Immunsystem gebildet werden. Sie dienen dazu, Krankheitserreger, sogenannte Antigene, zu erkennen und zu neutralisieren.
Weiterhin bildet das Immunsystem nach einer Impfung Gedächtniszellen und andere Zellen, die ebenfalls für den Immunschutz wichtig sind. Kommt der Körper nun mit dem „echten“ Erreger in Kontakt, werden die Viren oder Bakterien vom Immunsystem aufgrund der Impfung erkannt und können schnell unschädlich gemacht werden.
Nach einer vollständigen Grundimmunisierung hält der Impfschutz nach einer Lebendimpfung meist lange an, zum Teil sogar lebenslang.
Welche Lebendimpfstoffe gibt es?
Zu den bekanntesten Lebendimpfstoffen zählen sicherlich die Impfstoffe gegen Masern, Mumps und Röteln, diese werden als Kombinationsimpfstoff angeboten (M-M-RvaxPro®). Einzelimpfstoffe sind nicht erhältlich. Bei einer Impfung wird also immer gegen alle drei Krankheiten kombiniert geimpft.
Idealerweise wird ohnehin ein Vierfach-Impfstoff angewendet, der zusätzlich noch eine Lebendimpfung gegen Windpocken (Priorix-Tetra®) enthält.
Laut dem Impfkalender der Ständigen Impfkommission (STIKO) enthalten Kinder mit elf Monaten eine erste Impfdosis gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken – eine zweite Impfung sollte mit 15 Monaten erfolgen.
Gut zu wissen: In Ausnahmefällen ab neun Monaten impfen
In bestimmten Fällen können Säuglinge schon ab einem Alter von neun Monaten gegen Masern geimpft werden. Das kann wichtig sein, wenn Kinder vor der Aufnahme in eine Kindertagesstätte stehen oder einen möglichen Kontakt zu einem Masern Erkrankten hatten.
Die Wirksamkeit des Impfschutzes kann allerdings reduziert sein, da das kindliche Immunsystem noch unreif ist und möglicherweise mütterliche Antikörper vorhanden sein können.
Auch für Erwachsene, die nach 1970 geboren sind und einen unklaren Impfstatus haben, ohne Impfung sind oder mit nur einer Impfung in der Kindheit, wird ebenfalls eine Impfdosis mit einem MMR-Impfstoff empfohlen.
Zu den Lebendimpfungen zählt auch die Impfung gegen Rotaviren (Rotarix®). Säuglinge bekommen bereits im Alter von sechs Wochen eine erste Dosis, eine weitere erfolgt im Abstand von mindestens vier Wochen. Rotaviren lösen schwallartiges Erbrechen, wässrige Durchfälle und starke Bauchschmerzen aus. Bei Säuglingen und Kleinkinder kann diese Durchfallerkrankung schwer verlaufen und zu Komplikationen wie Dehydratation führen.
Als weiterer Lebendimpfstoff spielt die Impfung gegen Gelbfieber (Stamaril®) eine Rolle. Diese wird bei Reisen ins tropische Afrika und ins nördliche Südamerika empfohlen. Gelbfieber-Impfungen können nur in staatlich zugelassenen Gelbfieber-Impfstellen durchgeführt werden. Bei einer Impfung gegen Gelbfieber reicht eine Dosis für einen lebenslangen Impfschutz.
Gut zu wissen: Was sind Totimpfstoffe und genbasierte Impfstoffe?
Neben Lebendimpfstoffen werden auch sogenannte Totimpfstoffe eingesetzt. Diese enthalten abgetötete, also inaktivierte, Krankheitserreger oder Bestandteile von ihnen und lösen dadurch eine Immunantwort aus. Diese inaktivierten Erreger können sich nicht mehr vermehren und somit auch keine Erkrankung auslösen.
Zu den Totimpfstoffen gehören unter anderem die Impfstoffe gegen
- Diphtherie,
- Polio,
- Tetanus,
- Keuchhusten und
- die meisten Grippeimpfstoffe.
Totimpfstoffe lösen eine schwächere Immunantwort aus als Lebendimpfstoffe und müssen daher in regelmäßigen Abständen erneut verabreicht werden.
Seit der Corona-Pandemie kommen auch genbasierte Impfstoffe zum Einsatz. Bei diesen neuartigen Vakzinen wird nicht der Erreger oder ein Bestandteil des Erregers verimpft, sondern der genetische Bauplan eines Virus. Die Körperzellen produzieren dann selbst Teile des Krankheitserregers und bilden somit das Antigen. Zu den genbasierten Impfstoffen gehören Vektorimpfstoffe, mRNA-Impfstoffe und DNA-Impfstoffe.
Welche Nebenwirkungen können bei Lebendimpfstoffen auftreten?
Von den meisten Menschen werden Lebendimpfstoffe gut vertragen. An der Einstichstelle kann es zu Lokalreaktionen wie Rötung, Überwärmung und Schmerz kommen. Weiterhin können auch Kopfschmerzen, Müdigkeit und Fieber auftreten.
In seltenen Fällen löst die Impfung ähnliche Beschwerden wie die Krankheit selbst aus. Nach einer Masern-Impfung kann es beispielsweise in der zweiten Woche nach der Impfung zu einem Hautausschlag kommen. Grundsätzlich fallen die Beschwerden aber schwach aus und sind nach wenigen Tagen wieder vorbei.
Eine Übertragung von Impfviren auf Kontaktpersonen ist grundsätzlich nicht möglich.
Wie werden Lebendimpfstoffe verabreicht?
Lebendimpfstoffe können als Schluckimpfung oder durch eine Injektion verabreicht werden. Als einzige Lebendimpfung, die geschluckt wird, wird momentan die Rotavirus-Impfung angeboten. Früher gab es in Deutschland auch eine Schluckimpfung mit einem Lebendimpfstoff gegen Polio-Viren, dieser wird allerdings schon seit 1998 nicht mehr eingesetzt.
Lebendimpfstoffe können mit anderen Lebendimpfungen zusammen verabreicht werden, wie es beispielsweise bei der Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken praktiziert wird.
Werden Lebendimpfstoffe nicht zeitgleich appliziert, muss zwischen den einzelnen Impfungen jedoch ein Abstand von mindestens vier Wochen liegen. Eine Kombination von Lebend- und Totimpfstoffen ist im Übrigen ohne die Einhaltung eines Mindestabstands möglich.
Gut zu wissen: Aufbewahrung von Lebendimpfstoffen
Bei der Lagerung von Lebendimpfstoffen ist zwingend eine Temperatur zwischen 2 °C und 8 °C vorgeschrieben. Diese Bedingungen müssen auch während dem Transport aufrechterhalten werden.
Der Grund: Durch höhere Temperaturen wird die Vermehrungsfähigkeit der enthaltenen Viren oder Bakterien beeinträchtigt. Werden Lebendimpfstoffe bei höheren Temperaturen gelagert, müssen diese daher verworfen werden.
Lebendimpfstoffe: Was ist in Schwangerschaft und Stillzeit zu beachten?
Während einer Schwangerschaft sind Impfungen mit Lebendimpfstoffen grundsätzlich nicht erlaubt. Es besteht die Gefahr, dass die abgeschwächten Krankheitserreger dem ungeborenen Kind schaden können. Auch sollte bis vier Wochen nach einer Lebendimpfung eine Schwangerschaft vermieden werden.
In der Stillzeit dagegen sind Lebendimpfungen möglich. Die Impfviren können zwar über die Muttermilch auf das Kind übertragen werden, allerdings besteht nach aktuellem Stand der Wissenschaft keine Gefährdung für das gestillte Kind.
Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang allerdings die Lebendimpfung gegen Gelbfieber dar. Diese Impfung darf nicht während der Stillzeit erfolgen. Bekannt sind Fälle, in denen das Kind nach einer Impfung der Mutter an einer Hirnhautentzündung erkrankt ist.
Wann sind Lebendimpfstoffe nicht geeignet?
Eine Schwangerschaft stellt also eine Kontraindikation für eine Impfung mit einem Lebendimpfstoff dar. Aber auch Menschen, deren Immunsystem durch eine Krankheit oder die Einnahme bestimmter Arzneimittel geschwächt ist, dürfen nicht uneingeschränkt geimpft werden.
Bei einem angeborenen Immundefekt muss vor der Impfung im ärztlichen Gespräch genau überlegt werden, ob eine Impfung möglich ist. Kommt eine Lebendimpfung infrage, muss nach der Impfung der Erfolg durch eine serologische Kontrolle erfolgen. Auch bei einer systemischen Therapie mit Glucocorticoiden muss der Arzt entscheiden, ob eine Impfung möglich ist, da Glucocorticoide das Immunsystem unterdrücken.
Patienten, die eine hochdosierte, systemische Therapie mit diesen Wirkstoffen erhalten, können daher meist nicht geimpft werden. Bei niedriger Dosierung und topischer Therapie ist eine Lebendimpfung jedoch erlaubt.
Problematisch hinsichtlich einer Lebendimpfung sind auch Zytostatika und Biologika wie monoklonale Antikörper. Beide Wirkstoffgruppen greifen in das Immunsystem ein und beeinträchtigen die Immunantwort auf eine Impfung. Quellen:
- https://www.impfakademie.de/content/dam/cf-pharma/impfakademie-2/de_DE/fortbildungen/modul3_impfstoffkunde.pdf
- https://www.impfen-info.de/wissenswertes/impfstoffe/
- https://www.medizin.uni-tuebingen.de/files/view/rmxoD5O2jl599xlQVnyNq1GP/Borso%20et%20al.%20Impfen%20bei%20Immundefekten%20oder%20medikamento%CC%88ser%20Immunsuppression%20c%20DMW%202013.pdf
- Fachinformation M-M-RvaxPro® Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionssuspension
- https://www.rki.de/DE/Themen/Infektionskrankheiten/Impfen/Informationsmaterialien/Faktenblaetter-zum-Impfen/Masern.pdf?__blob=publicationFile&v=8