Flexible Arbeitszeitmodelle in der Apotheke: Geht das?
Bei der Arbeit bleibt die Grundidee immer die gleiche: Es gibt bestimmte Aufgaben, die innerhalb einer bestimmten Zeit zu erledigen sind. Die Art und der Umfang der zu erledigenden Aufgaben haben sich im Apothekenbereich im Lauf der Jahre jedoch verändert.
Gerade in letzter Zeit kommt es einem vor, als würden es immer mehr Aufgaben, die in immer kürzerer Zeit beziehungsweise durch immer weniger Personal zu erledigen sind.
Digitalisierung verändert Aufgaben in Apotheken
Dabei wird oft vergessen, dass durchaus auch einige unliebsame Aufgaben weggefallen sind oder sich durch die zunehmende Digitalisierung und Arbeit am Rechner beschleunigt haben.
Früher gab es noch Steckkärtchen beziehungsweise Lochkarten, die aus den Auszügen umgesteckt und in Bestellschubladen einsortiert werden mussten. Das geht heute dank POS-Kassensystemen schneller.
Gleichzeitig gab es früher einige Arbeitsabläufe, die zu Pausen im Lauf des Arbeitstages geführt haben, in denen man schlicht darauf warten musste, dass etwas fertig wurde – und sei es nur, dass man etwas länger am Kopierer stand.
Balanceakt: Arbeitskraft und Gesundheit erhalten
Tatsächlich gab es auch in Apotheken Zeiten, in denen eine dicke Personaldecke es ermöglichte, dass man öfters die Zeit fand, etwas in Ruhe zu tun. Diese Zeiten sind in den allermeisten Apotheken lange vorbei.
Die Arbeit ist komprimierter und verteilt sich auf weniger Schultern. Kein Wunder, dass viele Apothekenangestellte erschöpft sind und ihre Arbeitszeit gerne reduzieren möchten.
Es gibt aber noch eine zweite, ebenso gültige Weisheit: Wer leben will, braucht Geld. In Zeiten von hoher Inflation und gestiegenen Preisen sogar immer mehr. Und dieses Geld will verdient werden.
Da eine Reduzierung der Arbeitszeit immer mit einer Reduzierung des Gehalts verknüpft ist, wird dies für viele Angestellte nicht infrage kommen. Wie schafft man es also, die Arbeit so zu gestalten, dass einerseits alle Aufgaben ordentlich erledigt werden können und andererseits die Mitarbeitenden ihre Ressourcen schonen können?
Denn nur so können letzten Endes die Gesundheit des Apothekenpersonals und die Freude an der Arbeit in der öffentlichen Apotheke erhalten werden.
Jahresarbeitszeitkonto ermöglicht bedarfsgerechte Personalplanung
Aktuell gibt es nach der tariflichen Regelung entweder eine feste wöchentliche Arbeitszeit oder ein Jahresarbeitszeitkonto. Der Unterschied liegt darin, dass bei einer festen Arbeitszeit in jeder Woche die gleiche Stundenzahl geleistet wird – von unvorhergesehenen Überstunden einmal abgesehen.
Bei einem Jahresarbeitszeitkonto hingegen kann die Arbeitszeit in jeder Woche zwischen 75 und 130 % der vertraglich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit variieren. Bei einer normalen 40-Stunden-Woche sind das immerhin zwischen 30 und 52 Stunden.
Erst am Ende des Kalenderjahres muss im Schnitt die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit geleistet worden sein. Das Gehalt ist bei beiden Modellen verstetigt, also in jedem Monat das gleiche – egal wie viel Stunden tatsächlich geleistet wurden.
Der Vorteil für die Apothekenleitungen liegt beim Jahresarbeitszeitkonto auf der Hand: Die Mitarbeitenden können bedarfsgerecht eingesetzt werden. In Zeiten, in denen viele aus dem Team im Urlaub sind, können die anderen eine höhere Stundenzahl leisten. Hat die Arztpraxis nebenan geschlossen, werden die Mitarbeitenden nur mit der Mindestzahl an Stunden eingesetzt.
Gut zu wissen: Was gilt als Arbeitszeit?
Es gibt immer wieder Diskussion darüber, wann eigentlich die Arbeitszeit beginnt und endet. Manche Apothekenleitungen sind der Ansicht, dass die Angestellten jeweils eine gewisse Zeit vor und nach Apothekenöffnung erscheinen müssen, um die Apotheke arbeitsbereit zu machen bzw. aufzuräumen.
Diese Erwartung ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings muss die Zeit, die die Mitarbeitenden früher erscheinen und länger bleiben müssen, natürlich auch vergütet werden.
Wenn im Arbeitsvertrag vereinbart werden soll, dass Mehrarbeit von zum Beispiel zehn Minuten täglich mit dem Gehalt abgegolten sein soll, so sollte man als Arbeitnehmer darauf achten, dass das Gehalt entsprechend umgerechnet wird.
Viertagewoche mit Jahresarbeitszeitkonto möglich
Doch wo liegt hier der Vorteil für die Angestellten? Geschaffen werden könnte ein Nutzen für die Angestellten, wenn man, so wie es die Tarifvertragsparteien auch vorgesehen haben, eine Musterwoche einrichtet, mit der die Arbeitszeiten grundsätzlich auf die Woche verteilt werden.
Die Lage der Arbeitszeiten kann nach Wunsch so verteilt werden, dass die Mitarbeitenden nur eine Viertagewoche haben. Vier Tage arbeiten bedeutet, zwei Tage plus den Sonntag freizuhaben. Das ergibt deutlich mehr Regenerationszeit.
Solch eine Arbeitszeitverteilung kann auch für Eltern interessant sein, die individuelle Lebenssituation der Mitarbeitenden ist hier ausschlaggebend. Ebenso könnte man als Apothekenleitung die Samstagsdienste attraktiver machen, indem die hier geleistete Zeit in Freizeit mit Zuschlag vergütet wird.
Wunsch nach Trennung von Beruf und Privatleben respektieren
Für jeden Apothekenleiter ist es eine große Herausforderung, das vorhandene Personal auf Dauer an die Apotheke zu binden. Zusätzlich müssen die Berufe in der öffentlichen Apotheke für die jüngeren Generationen durch attraktive Arbeitszeitmodelle interessant gestaltet werden, um so nachhaltig dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Bei den jungen Menschen haben zum Beispiel Familie, Freunde und Privatleben einen hohen Stellenwert. Demnach wird strikt zwischen Arbeit und Privatleben getrennt. Das ist ein Wunsch, den auch die Teams in der Apotheke berücksichtigen können. Vielfach wird es als selbstverständlich vorausgesetzt, dass man auch in der Freizeit und am Wochenende auf dem privaten Mobiltelefon erreichbar ist.
Die eigentlich praktische ständige Erreichbarkeit hat den unangenehmen Nebeneffekt, dass dringend benötigte Erholungszeit verkürzt wird. Wer sich deswegen ausklinkt und nicht in der „Apotheken-Team“-Chatgruppe ist, wird schnell zum Außenseiter, weil wichtige Informationen über den Chat kommuniziert werden.
Hier sollte auch das Team selbst Strategien erarbeiten, damit der Wunsch nach Trennung von Beruflichem und Privatem respektiert und zum Vorteil aller Kollegen umgesetzt wird.
Apothekenteam in Arbeitszeitplanung einbeziehen
Ein weiterer Wunsch ist die Möglichkeit zu flexiblerem Arbeiten. Diesem wird man in der öffentlichen Apotheke nur eingeschränkt nachkommen können, schließlich gibt es Öffnungszeiten, die nur wenig Spielraum bieten und während denen ein bestimmter Personalstamm vorhanden sein muss.
Die Apothekenleitung kann jedoch Wertschätzung vermitteln, indem sie das Team bei der Planung einbezieht. So könnte man es dem Team überlassen, die Mitarbeitereinsatzplanung zu übernehmen oder dies zumindest einmal auszuprobieren.
Um mehr Schulabgänger für einen Ausbildungsberuf in der Apotheke zu begeistern, wäre es ebenfalls eine gute Idee, die tarifliche Vollzeit, die immer noch bei 40 Stunden in der Woche liegt, zu reduzieren.