Rezeptur
Praxiswissen
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Talkum gilt als Gefahrstoff: Konsequenz für die Rezeptur?

weißes Pulver wird auf Analysenwaage auf Wägeschiffchen abgewogen
 Talkum wird in der Rezeptur beispielsweise in Pudergrundlagen und Schüttelmixturen verwendet. | Bild: Kzenon / AdobeStock

Talkum galt bisher als „möglicherweise krebserregend“. Für ein Krebsrisiko beim Menschen gab es nur begrenzte Beweise, auch Tierversuche konnten keinen ausreichenden Beweis liefern. Nun hat die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das krebserregende Potenzial von Talkum neu bewertet. 

Ab sofort wird die Substanz als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Zwar liegen immer noch nur begrenzte Beweise für ein Krebsrisiko beim Menschen vor, aus Tierversuchen existieren aber mittlerweile ausreichend Beweise dafür. 

Talkum steht damit im Übrigen auf einer Stufe mit rotem Fleisch, dieses wird laut IARC ebenfalls als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft.

Eigenschaften und Anwendungsgebiete von Talkum

Talkum wird durch Pulverisieren des Minerals Talk erhalten, dabei handelt es sich um ein Magnesiumsilikathydrat mit der Summenformel Mg3Si4O10(OH)2. Das weiße, sehr feine Pulver ist als Rezeptursubstanz erhältlich und ist sowohl in Wasser als auch in organischen Lösungsmitteln unlöslich. Die Substanz lässt sich gut streuen, verklumpt dabei nur wenig und haftet gut auf der Haut. 

In der Rezeptur wird der pharmazeutische Hilfsstoff in austrocknenden Pudergrundlagen und Schüttelmixturen verwendet. Auch in zahlreichen Fertigarzneimitteln ist Talkum enthalten. Bei der Herstellung von Filmtabletten wird die Substanz als Gegenklebemittel eingesetzt, damit beim Überziehen die Tablettenkerne nicht zusammenkleben. 

Eine Spezialanwendung von Talkum im medizinischen Bereich stellt die sogenannte Talkumpleurodese dar: Diese wird bei wiederkehrender Bildung von Flüssigkeit um die Lunge bei einer Krebserkrankung angewendet. Dabei wird Talkumpuder zwischen die Schichten des Lungen- und Brustfells gesprüht, dadurch kommt es zu einer Entzündungsreaktion und dem Verkleben der beiden Schichten. Eine Bildung von Flüssigkeit im Brustraum ist dann nicht mehr möglich. 

Ebenfalls kam Talkum bei den olympischen Spielen in Paris zum Einsatz: Turner verwendeten eine Mischung aus Magnesiumoxid (Magnesia) und Talkum, um bei Schweißbildung ein Abrutschen von den Geräten zu verhindern.

Wie kam es zur Neubewertung von Talkum?

Wie schon erwähnt gibt es mittlerweile ausreichend Beweise aus Tierversuchen, die eine Einstufung von Talkum als „wahrscheinlich krebserregend“ zulassen. Bei Tieren, die mit Talkum behandelt wurden, traten gehäuft ungewöhnliche und seltene Tumoren auf. 

Auch in Zellkulturen konnte gezeigt werden, dass die Substanz wesentliche Merkmale eines krebserregenden Stoffes aufweist. Talkum verursacht demnach Entzündungen und verändert das Wachstum und die Nährstoffversorgung von Zellen.

Talkum: Krebserzeugende Wirkung unabhängig von einer Verunreinigung mit Asbest

Das Mineral Talk kommt in der Natur manchmal mit Asbest zusammen vor. In der Vergangenheit kam es daher immer wieder zu einer Kontamination von Talkum-haltigen Produkten mit Asbest. 

Unter Asbest versteht man natürlich vorkommende faserförmige Silikatmineralien, die in bestimmten Gesteinen vorkommen. Der Stoff gilt als krebserregend, eingeatmete Fasern können langfristig in der Lunge bleiben und dort Entzündungen auslösen. 

Die Neueinstufung von Talkum hat mit möglichen Verunreinigungen mit Asbest aber nichts zu tun und bezieht sich auf Asbest-freies Talkum.

Gesundheitsgefahr ist abhängig von der Art der Exposition

Um das individuelle Krebsrisiko beim Kontakt mit Talkum bewerten zu können, spielt die Art der Aufnahme der Substanz eine wichtige Rolle. 

Bei Talkum haben diejenigen Menschen ein erhöhtes Krebsrisiko, die die Substanz über einen längeren Zeitraum eingeatmet oder im Genitalbereich angewendet haben. Inhalativ aufgenommenes Talkum kann monatelang im Organismus bleiben. Bei einer oralen Aufnahme wird die Substanz dagegen schon nach kurzer Zeit vollständig ausgeschieden

Gelegentlicher Kontakt mit Talkum in pharmazeutischer Qualität dürfte weiterhin unproblematisch sein.

Konsequenzen für die Rezeptur: Neue Kennzeichnung und Arbeitsschutzmaßnahmen

Talkum kommt als Hilfsstoff auch zur Herstellung von Arzneimitteln in der Apotheke zum Einsatz. Da es nun als krebserregender Gefahrstoff eingestuft ist, muss Talkum ab sofort auch als solcher gekennzeichnet werden. 

Standgefäße mit Talkum müssen ab jetzt nach dem Farbleitsystem der Bundesapothekerkammer mit einem roten Punkt versehen werden. Dieser rote Punkt weist auf einen CMR-Stoff der Kategorie 1A und 1B hin – die Abkürzung CMR steht dabei für cancerogen, mutagen und reproduktionstoxisch. 

Talkum gehört dabei zur Gruppe 1B, also zu den Substanzen, die wahrscheinlich krebserzeugend sind.

Kennzeichnung von Talkum nach neuer Einstufung

Gefahrenpiktogramm GHS08 – Gesundheitsgefahr 

Als krebserregender Gefahrstoff ist Talkum mit dem Gefahrenhinweis H 350 „Kann Krebs erzeugen“ zu kennzeichnen. Zusätzlich muss auf dem Gefäß

  • der Gefahrenhinweis H 372 „Schädigt die Organe bei längerer oder wiederholter Exposition durch Einatmen“,
  • das Gefahrenpiktogramm GHS08 und
  • das Signalwort „Gefahr“

aufgebracht werden. 

Hygienestatus von Talkum muss überprüft werden

Talkum wird in der Rezeptur überwiegend zu Schüttelmixturen zum Auftragen auf die Haut verarbeitet, teilweise kommen auch Pasten oder Puder vor. Ein bekanntes Beispiel für eine Talkum-haltige Zubereitung ist die Zinkoxidschüttelmixtur DAC (NRF 11.22.), diese kann mit Wirkstoffen wie Ammoniumbituminosulfonat oder Polidocanol kombiniert werden. 

Laut Arzneibuch darf Talkum zur kutanen Anwendung eine nominale Keimzahl bis höchstens 100 KBE/g aerobe Mikroorganismen aufweisen, das Prüfzertifikat der Substanz gibt dabei über den Hygienestatus Auskunft. KBE steht dabei für „koloniebildende Einheiten“ von Bakterien und bezeichnet einzelne oder mehrere zusammenhängende Individuen von Keimen. 

Sollte diese Keimzahl überschritten werden, muss Talkum als keimreduzierende Maßnahme in dünner Schicht ausgebreitet im Trockenschrank bei 180 °C eine Stunde lang erhitzt werden. Nach dem Abkühlen kann die Substanz dann in der Rezeptur eingesetzt werden. Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/10/02/neubewertung-talkum-ist-wahrscheinlich-krebserregend
- https://www.krebsinformationsdienst.de/aktuelles/detail/talkum-krebserregend
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/10/02/gefahrstoff-kennzeichnung-von-talkum-konsequenzen-fuer-die-apothekenrezeptur
- https://www.ptaheute.de/aktuelles/2022/09/13/krebsrisiko-durch-talkum-johnson-johnson-stellt-babypuder-um
 

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