Neue Studienergebnisse : Paxlovid von Pfizer punktet – auch gegen Omikron?
Bereits im November teilte Pfizer positive Zwischenergebnisse zur Phase-2/3-Studie EPIC-HR (Evaluation of Protease Inhibition for COVID-19 in High-Risk Patients) mit. Sie untersucht PaxlovidTM, ein orales COVID-19-Arzneimittel, bei erwachsenen Corona-Patienten mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf.
Nun hat Pfizer alle Studienteilnehmer ausgewertet und konnte die vorläufigen Ergebnisse bestätigen: Erhielten die COVID-19-Hochrisikopatienten innerhalb von drei Tagen nach Symptombeginn PaxlovidTM und nahmen die Tabletten über fünf Tage ein, so reduzierte das antivirale Arzneimittel Krankenhauseinweisungen und Tod um 89 Prozent verglichen mit Placebo.
Unter PaxlovidTM mussten 0,7 Prozent der Patienten ins Krankenhaus (5 von 697) und keiner verstarb, während in der Placebogruppe 6,5 Prozent in ein Krankenhaus eingeliefert wurden (44 von 682) und neun der COVID-19-Patienten starben.
Vergleichbar gut waren die Ergebnisse, wenn die Patienten später – innerhalb von fünf Tagen – mit der Therapie begannen. Auch dann verringerte PaxlovidTM Krankenhauseinweisung und Tod, und zwar um 88 Prozent.
Bemerkenswert ist, dass PaxlovidTM in EPIC-HR jeglichen Todesfall verhinderte (Auswertungsstichtag: 28. Tag nach Randomisierung), während in der Placebogruppe zwölf Menschen verstarben.
Die Wirkstoffe in PaxlovidTM
PaxlovidTM kombiniert zwei antivirale Wirkstoffe, einen neuen und einen alten: PF-07321332 – das Pfizer nun Nirmatrelvir nennt – und das bereits seit Jahren zugelassene Ritonavir. Nirmatrelvir hemmt die für die Vermehrung von SARS-CoV-2 wichtige Protease 3CL (SARS-CoV-2-3CL-Proteaseinhibitor) und stört dadurch die Vermehrung des Virus.
Ritonavir ist bereits als antiviraler Wirkstoff aus der Behandlung von Hepatitis C und HIV bekannt. Bei COVID-19 hemmt Ritonavir jedoch nicht das Virus, sondern soll den Abbau von Nirmatrelvir in der Leber verlangsamen (indem es ein für den Abbau von Nirmatrelvir wichtiges Enzym hemmt: CYP3A4) und so die Wirkdauer von Nirmatrelvir verlängern, was eine geringere Dosierung erlaubt.
Allerdings – und das ist der Nachteil: Dadurch kann PaxlovidTM auch mit anderen Arzneimitteln, die über CYP3A4 abgebaut werden, wechselwirken und deren Blutspiegel erhöhen.
Welche Nebenwirkungen macht PaxlovidTM?
Laut Pfizer war PaxlovidTM gleich gut verträglich wie Placebo: 24 Prozent der PaxlovidTM-Teilnehmer berichteten über Nebenwirkungen, in der Placebogruppe waren es 23 Prozent. Auch seien es meist leichte Nebenwirkungen gewesen. Es kam unter PaxlovidTM sogar zu weniger schweren Nebenwirkungen (1,6 Prozent unter PaxlovidTM, 6,6 Prozent unter Placebo) und nebenwirkungsbedingten Studienabbrüchen als unter Placebo (2,1 Prozent vs. 4,2 Prozent).
Bleibt PaxlovidTM auch bei Omikron wirksam?
Die neue Omikron-Variante, von der erwartet wird, dass sie schon bald das SARS-CoV-2-Infektionsgeschehen dominieren wird, weist im Vergleich zur ursprünglichen Virusvariante aus Wuhan mehr als 30 Mutationen im Spikeprotein auf.
Über das Spikeprotein bindet SARS-CoV-2 an die menschliche Zelle und infiziert sie, weswegen sowohl präventive Impfstoffe wie auch Corona-Antikörperpräparate zur Behandlung und Vorbeugung von COVID-19 auf dieses Spikeprotein abzielen.
Nun gibt es erste Daten, dass die Impfstoffe weniger wirksam sind und vor allem auch manche Antikörperpräparate unwirksam werden. Professor Sandra Ciesek, Virologin an der Universitätsklinik Frankfurt am Main, veröffentlichte bereits erste Daten, denen zufolge das in der EU zugelassene Antikörper-Duo Casirivimab/Imdevimab (Ronapreve®) in Laborversuchen unwirksam war. Optimistischer ist man derzeit noch beim Corona-Antikörper Sotrovimab (Xevudy®), der laut Hersteller GSK seine Wirksamkeit auch gegen die Omikron-Variante behalten soll.
Auch Pfizer gibt sich zuversichtlich, vor allem da Nirmatrelvir nicht am Spikeprotein angreift, sondern intrazellulär wirkt. Laborstudien hätten bereits gezeigt, dass Nirmatrelvir auch die 3CL-Protease in Omikron hemmt, sodass Pfizer derzeit davon ausgeht, dass Nirmatrelvir „eine robuste antivirale Aktivität gegen Omikron entfaltet“.
Wie geht es weiter mit PaxlovidTM?
Pfizer hat in den Vereinigten Staaten bereits einen Antrag auf Notfallzulassung gestellt, auch in der EU läuft ein Rolling-Review-Verfahren zu PaxlovidTM. Die EMA hat zudem am 16. Dezember Empfehlungen zur Anwendung von PaxlovidTM noch vor Marktzulassung ausgesprochen.
Damit will sie eine wissenschaftliche Basis für die EU-Mitgliedstaaten liefern, wenn diese PaxlovidTM bei Patienten, denen es helfen könnte, noch vor Zulassung einsetzen möchten – so bei erwachsenen COVID-19-Patienten ohne zusätzlichen Sauerstoff und mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf.
Sie sollten PaxlovidTM so schnell wie möglich – innerhalb von fünf Tagen nach der Diagnose – und für fünf Tage einnehmen. Und zwar: zweimal täglich 300 mg Nirmatrelvir (zwei 150 mg-Tabletten) und eine Tablette Ritonavir (100 mg). Eine PaxlovidTM-Schachtel enthält fünf Blisterpackungen, die der Fünftagestherapie entsprechen.
Auch bei COVID-19-Patienten ohne erhöhtes Risiko wirksam?
Pfizer untersucht PaxlovidTM nicht nur an Hochrisiko-Corona-Patienten. In EPIC-SR (Evaluation of Protease Inhibition for COVID-19 in Standard-Risk Patients) will das Unternehmen mehr darüber erfahren, wie gut PaxlovidTM bei COVID-19-Patienten ohne erhöhtes Erkrankungsrisiko hilft.
An EPIC-SR nehmen sowohl Ungeimpfte ohne erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf teil wie auch Geimpfte mit Risikofaktoren. Es gibt erste Zwischenergebnisse: PaxlovidTM reduzierte Krankenhauseinweisungen und Tod um 70 Prozent (sekundärer Endpunkt) und die Viruslast verringerte sich bei Behandelten um das 10-Fache verglichen mit Placebo. Allerdings wurde der primäre Endpunkt (selbstberichtete, anhaltende Linderung aller Symptome an vier aufeinanderfolgenden Tagen im Vergleich zu Placebo) nicht erreicht.
Daneben läuft seit September die Phase-2/3-Studie EPIC-PEP (Evaluation of Protease Inhibition for COVID-19 in Post-Exposure Prophylaxis), in der Pfizer die Sicherheit und Wirksamkeit von PaxlovidTM als Postexpositionsprophylaxe (nach Kontakt mit einem Infizierten) untersucht.
PaxlovidTM – vielversprechender als Molnupiravir?
Pfizer ist nicht das einzige Unternehmen, das orale Therapiemöglichkeiten bei COVID-19 entwickelt. Weit fortgeschritten ist auch MSD mit Molnupiravir (Lagevrio®) – allerdings bleibt die Wirksamkeit von Molnupiravir weit hinter der von Nirmatrelvir plus Ritonavir zurück. Nach finaler Auswertung verringerte Molnupiravir Krankenhauseinweisung und Tod nur zu 30 Prozent, in Zwischenanalysen waren es noch 50 Prozent gewesen.