EMA prüft neuen Corona-Antikörper: Hilft Sotrovimab auch gegen die Omikron-Variante?
Mit Ronapreve® (Casirivimab plus Imdevimab) und Regkirona® (Regdanvimab) hat die EU am 12. November die ersten Antikörperpräparate gegen COVID-19 zugelassen. Das Antikörperduo Casirivimab und Imdevimab darf sowohl zur Behandlung wie auch zur Vorbeugung von COVID-19 angewendet werden. Regdanvimab hat lediglich für die COVID-19-Therapie die Zulassung.
Zulassungsantrag für Sotrovimab gestellt
Damit ist die Antikörper-Pipeline gegen COVID-19 jedoch nicht erschöpft: Am 18. November informierte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), dass sie mit der Prüfung des Zulassungsantrags des monoklonalen Antikörpers Sotrovimab begonnen hat. Handelsname von Sotrovimab, das gemeinsam von GlaxoSmithKline und Vir Biotechnology entwickelt wird, ist Xevudy®.
Großbritannien hat den Antikörper bereits vor wenigen Tagen am 2. Dezember zugelassen. In den Vereinigten Staaten liegt die Notfallzulassung bereits seit Oktober vor. Und auch andere Nationen setzen Sotrovimab bereits ein.
EMA fällt Entscheidung in zwei Monaten
Sotrovimab soll zugelassen werden zur Behandlung von COVID-19-Patienten ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf und einem erhöhten Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf. Die EMA rechnet damit, innerhalb von zwei Monaten ihre wissenschaftliche Empfehlung zu Sotrovimab abgeben zu können. Einige Daten, wie zur Qualität des Arzneimittels und Daten aus Labor- und Tierstudien, hat die EMA während des am 7. Mai gestarteten Rolling-Review-Verfahrens bereits überprüft.
Sollte die Europäische Arzneimittelagentur nach Sichtung der klinischen Daten die Zulassung von Sotrovimab bei COVID-19 befürworten, ist die Zulassungserteilung durch die Europäische Kommission reine Formsache. Die Europäische Kommission entscheidet bei COVID-19-Arzneimitteln und -Impfstoffen in der Regel innerhalb weniger Tage, häufig sogar am selben Tag der EMA-Empfehlung.
Sotrovimab neutralisiert in vitro auch Omikron
Nun könnte Sotrovimab noch stärker herbeigesehnt werden als ohnehin schon. Grund ist die von der WHO als besorgniserregend eingestufte Omikron-Variante (B.1.1.529), die seit kurzem von sich reden macht und zu der Virologen hinsichtlich der Schwere der Verläufe derzeit noch nicht viel sagen können.
Tatsache ist jedoch, dass sie besonders viele Mutationen aufweist, die das Risiko erhöhen, dass die bislang zugelassenen und verabreichten Impfstoffe weniger effektiv schützen. Auch bei Antikörperpräparaten hegt man Zweifel, ob ihre Wirksamkeit erhalten bleibt.
Die Krux bei Antikörperpräparaten
Im Gegensatz zu Impfstoffen, die stets die Bildung von mehreren unterschiedlichen Antikörpern stimulieren, zielen Antikörper-Arzneimittel auf genau eine Struktur (Epitop) ab. Bei Corona ist dies meist die Rezeptorbindungsdomäne am Spikeprotein, über die das Virus in die menschliche Zelle gelangt. Ist diese eine Stelle jedoch mutiert, passen die Antikörper unter Umständen nicht mehr und der Antikörper verliert an Wirkung.
Das Spikeprotein von SARS-CoV-2 soll 32 Mutationen aufweisen, wovon sich 15 in der Region der Rezeptorbindedomäne befinden – laut Regeneron liegen wohl einige Mutationen in der Nähe der Bindung von Casirivimab/Imdevimab, sodass der Hersteller um die Wirksamkeit fürchtet.
Anders bislang GSK: Das Unternehmen hat für Sotrovimab erste In-vitro-Daten bekannt gegeben. „Die ersten Ergebnisse weisen darauf hin, dass der monoklonale Antikörper seine Aktivität auch gegenüber der neuen Virusvariante beibehält“, teilt GSK mit. Diese Daten müssten jedoch noch in weiteren In-vitro-Pseudovirentests bestätigt werden.
Einsatz von Sotrovimab auch vor Zulassung denkbar
Eine wissenschaftliche Empfehlung zu Sotrovimab hatte die EMA bereits auf Grundlage von Zwischenergebnissen der klinischen Studie am 21. Mai veröffentlicht. Sie sah es damals – also noch deutlich vor Marktzulassung – aus wissenschaftlicher Sicht vertretbar, wenn Sotrovimab zur Behandlung von bestätigtem COVID-19 bei Erwachsenen und bei ab zwölfjährigen Jugendlichen (Mindestgewicht 40 kg) angewendet wird. Solange diese keine zusätzliche Sauerstofftherapie benötigen, aber ein erhöhtes Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung aufweisen.
Die EMA stützte ihre Einschätzung vom Mai darauf, dass Sotrovimab bei erwachsenen, ambulanten COVID-19-Patienten das Risiko eines Krankenhausaufenthalts von mehr als 24 Stunden oder von Tod im Vergleich zu Placebo um 85 Prozent reduzieren konnte: So mussten in der Studie drei von 291 Sotrovimab-Patienten ins Krankenhaus oder starben (1 Prozent), mit Placebo waren es mit 21 von 292 (7 Prozent) siebenmal so viele.
Laut EMA waren die beobachteten Nebenwirkungen der Sotrovimab-Infusion leicht bis mittelschwer. Allergische Reaktionen könnten jedoch nicht ausgeschlossen werden. Mittlerweile sind die Enddaten der Studie als Preprint veröffentlicht und alle 1.057 Patienten (528 Sotrovimab, 529 Placebo) ausgewertet: Sotrovimab reduzierte Krankenhausaufenthalt und Tod verglichen mit Placebo um 79 Prozent (sechs von 528 COVID-19-Patienten mussten mit Sotrovimab ins Krankenhaus, mit Placebo waren es 30 von 529).
Gut zu wissen: Wie wirkt Sotrovimab?
Sotrovimab ist ein monoklonaler Antikörper, der das Spikeprotein von SARS-CoV-2 adressiert. Dem Spikeprotein kommt eine Schlüsselfunktion beim Eindringen von SARS-CoV-2 in die menschliche Zelle zu.
Dadurch, dass Sotrovimab an das Spikeprotein bindet, verhindert der Antikörper, dass SARS-CoV-2 menschliche Zellen infiziert und sich darin vermehren kann. Das soll sowohl die Schwere der COVID-19-Erkrankung abmildern wie auch Krankenhausaufenthalte und Todesfälle verringern. Sotrovimab wird als intravenöse Infusion verabreicht.
Tixagevimab und Cilgavimab: Rolling Review läuft
Noch ohne Zulassungsantrag, doch bereits im Rolling-Review-Verfahren (seit 14. Oktober) ist zudem die Antikörperkombination Tixagevimab/Cilgavimab in Evusheld®. Als Long-acting Antibodies mit langer Wirkdauer – die Antikörper sollen nach Gabe bis zu zwölf Monate vor COVID-19 schützen – könnten Tixagevimab plus Cilgavimab in der Vorbeugung von COVID-19 zu einer Option für Menschen werden, die sich nicht gegen SARS-CoV-2 impfen lassen können oder bei denen die Impfung keinen ausreichenden Schutz liefert.