Arzneimittel gegen COVID-19: Molnupiravir – weniger wirksam als gedacht?
50 Prozent weniger Krankenhauseinweisungen und Todesfälle: Mit diesen Zwischenergebnissen der MOVe-OUT-Studie hatte MSD Anfang Oktober die Hoffnung auf ein äußerst wirksames – und vor allem orales – Arzneimittel gegen COVID-19 geschürt.
Es geht um Molnupiravir, das die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) mittlerweile im Rolling-Review-Verfahren prüft und für das die EMA bereits eine wissenschaftliche Einschätzung noch vor EU-Marktzulassung abgegeben hat – in Großbritannien ist Molnupiravir bereits unter dem Fertigarzneimittelnamen Lagevrio® zugelassen. Die Bundesregierung hat bereits 80.000 Dosen Molnupiravir bestellt.
Nun gibt es neue Daten, welche die Euphorie etwas dämpfen – die Wirksamkeit von Molnupiravir liegt nun statt bei 50 Prozent bei lediglich 30 Prozent.
Molnupiravir weniger wirksam als angenommen
Laut einer Mitteilung von MSD verringerte Molnupiravir – nach Auswertung aller in MOVe-OUT eingeschlossenen Patienten (1.433) – das Risiko für Krankenhauseinweisung und Tod von 9,7 Prozent in der Placebo-Gruppe (68 von 699 Patienten) auf 6,8 Prozent in der Molnupiravir-Gruppe (48 von 709 Patienten).
Die Gabe von Molnupiravir bei nicht hospitalisierten COVID-19-Patienten (leicht bis mittelschwer erkrankt, mindestens ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf) verringerte bei den Erkrankten ihr absolutes Risiko, ins Krankenhaus zu kommen oder zu sterben um 3 Prozent, die relative Risikoreduktion lag bei 30 Prozent.
Während in der Placebo-Gruppe jedoch neun COVID-19-Patienten verstarben, gab es in der Molnupiravir-Gruppe nur einen Todesfall. Alle Patienten waren zuvor laborbestätigt SARS-CoV-2-positiv und hatten innerhalb von fünf Tagen eine Therapie mit zweimal täglich Molnupiravir (800 mg) oder Placebo begonnen, die sie über fünf Tage fortführten. Ausgewertet wurde nach 29 Tagen.
Zwischenergebnisse waren positiver
Anfang Oktober stimmten die Ergebnisse optimistischer. Damals war für die Zwischenanalyse allerdings nur etwa die Hälfte der Studienteilnehmer (762) ausgewertet worden: 7,3 Prozent (28/ 385) der COVID-19-Patienten mussten den damaligen Ergebnissen zufolge im Krankenhaus behandelt werden, in der Placebo-Gruppe waren es 14,1 Prozent (53/ 77). Auch war zu diesem Zeitpunkt noch kein COVID-19-Patient unter Molnupiravir verstorben, in der Placebo-Gruppe war es bereits zu acht Todesfällen gekommen.
Aufgrund dieser positiven Daten hatte MSD damals auf Empfehlung des externen Datenüberwachungskomitees und mit Zustimmung der FDA die Aufnahme weiterer Studienteilnehmer in MOVe-OUT eingestellt.
Kritische Nebenwirkungen: Für wen ist Molnupiravir geeignet?
Hinsichtlich der Nebenwirkungen hat sich laut MSD von der früheren Zwischenanalyse zur abschließenden Studienauswertung nichts geändert: Das Profil der Nebenwirkungen sei konsistent geblieben.
Dass es durchaus kritische Nebenwirkungen geben könnte, geht aus dem „FDA Briefing Document“ vom 30. November hervor, welches für die Zulassungsentscheidung zu Molnupiravir in den Vereinigten Staaten mit herangezogen wird.
Das Dokument fasst die Gesamtergebnisse und die Ergebnisse von Untergruppen aus der Phase 2/3 der klinischen Studie zu Molnupiravir (Stand der Zwischenergebnisse) sowie die bekannten und potenziellen Risiken des antiviralen Arzneimittels zusammen. Insbesondere auch nicht-klinische Befunde zur Mutagenität, zur embryofetalen Toxizität, Daten zu einem beeinträchtigten Knochen- und Knorpelwachstum durch Molnupiravir sowie dessen Potenzial, die Rate an Mutationen im Spikeprotein zu erhöhen und das Entstehen von Virusvarianten zu begünstigen, sind dokumentiert.
Aus diesem Grund wird die FDA ein besonderes Augenmerk darauf legen, welche Patienten am meisten von Molnupiravir profitieren können und für welche das Nutzen-Risiko-Verhältnis vertretbar ist.
Gut zu wissen: Wie wirkt Molnupiravir?
Molnupiravir zählt zu den Virostatika und hemmt die Vermehrung von RNA-Viren. Die RNA enthält die genetische Information des Virus. Es handelt sich um eine lange Zucker-Phosphat-Kette, an die einzelne Nukleinbasen – Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil – angeknüpft sind. Als Zuckerbaustein dient Ribose, daher auch der Name Ribonukleinsäure.
Will sich ein Virus nun vermehren, muss es zunächst seine Erbinformation für die Nachfolgegeneration verdoppeln und eine neue RNA-Kette, bestehend aus Zucker-Phosphat und den daran angehängten Nukleinbasen, knüpfen.
Molnupiravir ähnelt von seinem chemischen Aufbau der Nukleinbase Cytosin und wird so als „falscher“ Baustein in die neue RNA der Virus-Nachkommen eingebaut, was die RNA-Synthese und damit Virusvermehrung stört.
Letztendlich schleust Molnupiravir, während sich das Virus vermehrt, Fehler in dessen Genom ein, die dann auch im neu entstehenden Virus eingebaut werden. Das Virus ist dadurch nicht mehr überlebensfähig und kann sich auch nicht weiter vermehren. Molnupiravir ist in Forscherkreisen auch bekannt als EIDD-2801 und wurde schon als Wirkstoff bei Grippe untersucht, wohl aber noch nicht klinisch.