mRNA-Impfstoffe scheinen sicher in der Schwangerschaft
Wie sicher sind mRNA-Impfstoffe in der Schwangerschaft? Daten dazu sind so begehrt wie rar. Schwangere haben ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe, waren jedoch von der Teilnahme in den großen Zulassungsstudien zu den COVID-19-Impfstoffen ausgeschlossen. Allerdings kommt es im Rahmen der breit angelegten Impfkampagnen immer wieder aus Versehen dazu, dass sich geimpfte Frauen im Nachhinein als schwanger entpuppen. Zudem raten mittlerweile einzelne Staaten – darunter die USA und Großbritannien – aktiv zur COVID-19-Impfung von Schwangeren, sodass auch auf diesem Wege Daten generiert werden und man mehr über die Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen in der Schwangerschaft erfährt.
Mehr Fehlgeburten oder Missbildungen?
Wie also verlaufen Schwangerschaften nach einer Impfung? Gibt es häufiger Früh- oder Fehlgeburten oder Missbildungen? Wissenschaftler der CDC (Centers for Disease Control and Prevention), der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde, untersuchten nun Daten von V-safe, dem V-safe-Schwangerschaftsregister, sowie von VAERS (Vaccine Adverse Event Reporting System) – einem Nebenwirkungsmeldesystem für Impfstoffe –, um die Sicherheit von mRNA-Impfstoffen bei Schwangeren besser zu verstehen. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse im renommierten Fachjournal „The New England Journal of Medicine“ „Preliminary Findings of mRNA COVID-19 Vaccines Safety in Pregnant Persons“ .
Daten von über 35.000 Schwangeren
Die Vereinigten Staaten impfen bereits seit Dezember 2020 mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer (Comirnaty®) und Moderna. Die CDC nutzten nun die Daten von mit Biontech/Pfizer oder Moderna Geimpften zwischen dem 14. Dezember 2020 und 28. Februar 2021. Die dritte der derzeit in den USA verfügbaren Vakzinen, der Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson, erhielt erst am 27. Februar dieses Jahres die Notfallzulassung.
Gut zu wissen: Was ist V-safe?
V-safe ist ein Smartphone-basiertes Überwachungssystem der CDC, das speziell für das COVID-19-Impfprogramm entwickelt wurde. Geimpfte können mittels Online-Umfrage freiwillig bis zu zwölf Monate nach der letzten Impfdosis unerwünschte Reaktionen nach Impfung eintragen. Alle nicht männlichen Teilnehmer bekommen zudem Fragen zu einer Schwangerschaft gestellt. Man will damit herausfinden, ob Geimpfte eine oder sogar beide Impfdosen erhalten haben, als sie bereits schwanger waren, oder kurz nach der COVID-19-Impfung schwanger geworden sind.
Schwangere können sich sodann in das V-safe-Schwangerschaftsregister aufnehmen lassen, und zwar wenn sie 30 Tage vor oder 14 Tage nach der letzten Periode geimpft wurden (also in der Perikonzeption oder bereits in der Schwangerschaft) und mindestens 18 Jahre alt sind. Im Rahmen des Schwangerschaftsregisters erfasst man Daten zu Schwangerschaftskomplikationen sowie Geburtsergebnissen und stützt sich dabei auf Unterlagen der geburtshilflichen und pädiatrischen Gesundheitsdienstleister. Säuglinge werden bis zu den ersten drei Lebensmonaten nachbeobachtet.
Insgesamt liegen nun Daten von 35.691 schwangeren V-safe-Teilnehmerinnen im Alter von 16 bis 54 Jahren vor. 3.956 Schwangere ließen sich in das V-safe-Schwangerschaftsregister aufnehmen. Die Wissenschaftler der CDC verglichen sodann die von den Teilnehmerinnen am Tag nach der Impfung berichteten lokalen und systemischen Nebenwirkungen auf Comirnaty® oder den COVID-19-Impfstoff Moderna und verglichen diese mit unerwünschten Ereignissen bei nicht schwangeren Frauen. Für die Auswertung des Schwangerschaftsverlaufs im V-safe-Schwangerschaftsregister berücksichtigten die CDC nur „abgeschlossene Schwangerschaften“ – lebend geborene Kinder, spontane Aborte, induzierte Aborte oder Totgeburten. Zu den von Schwangeren gemeldeten Schwangerschaftsereignissen gehörten Schwangerschaftsverluste (Spontanabort und Totgeburt) und neonatale Ereignisse, wie Frühgeburt, angeborene Anomalien, zu geringe Kindsgröße für die Schwangerschaftsdauer und Tod des Neugeborenen.
Schwangere vertragen die Impfung ähnlich gut wie nicht schwangere Frauen
Den Ergebnissen der Studie zufolge berichteten Schwangere häufiger über Schmerzen an der Injektionsstelle (88,1 Prozent nach Dosis 1 / 91,9 Prozent nach Dosis 2) als Nichtschwangere.
Hingegen traten
- Kopfschmerzen (18 Prozent nach Dosis 1 / 55,4 Prozent nach Dosis 2),
- Muskelschmerzen (11,6 Prozent nach Dosis 1 / 54,1 Prozent nach Dosis 2),
- Schüttelfrost (4,1 Prozent nach Dosis 1 / 36,7 Prozent nach Dosis 2) und
- Fieber (4,1 Prozent nach Dosis 1 / 36,7 Prozent nach Dosis 2) seltener auf.
Wie auch bei nicht schwangeren Frauen war die Nebenwirkungsrate nach der zweiten Dosis der mRNA-Impfung höher als nach der ersten Dosis. Alles in allem beschreiben die Wissenschaftler die Verträglichkeit der mRNA-Vakzinen bei Schwangeren und Nichtschwangeren als „ähnlich“. Schwangere berichteten nicht häufiger über schwere Reaktionen als nicht schwangere Frauen – mit Ausnahme von Übelkeit und Erbrechen. Diese seien nach Dosis 2 etwas öfter berichtet worden, heißt es.
Keine häufigeren Spontanaborte
Von den 3.958 Teilnehmerinnen, die in das V-safe-Schwangerschaftsregister aufgenommen wurden, hatten 827 eine abgeschlossene Schwangerschaft – 724 Babys (712 Schwangere, da 12 Zwillingsgeburten) wurden lebend geboren (86,1 Prozent) und 115 Frauen (13,9 Prozent) erlitten einen Schwangerschaftsverlust. Meist lag ein Spontanabort (12,6 Prozent) vor der 13. Schwangerschaftswoche vor. 10 Frauen hatten einen induzierten Abort oder ektope Schwangerschaften. Von den lebend geborenen Babys hatten die Mütter in 98,3 Prozent der Fälle eine COVID-19-Impfung im letzten Schwangerschaftsdrittel erhalten. Die Rate der Spontanaborte innerhalb des ersten Schwangerschaftsdrittels ist auch sonst die höchste im Verlauf einer Schwangerschaft. Christian Albring, Vorsitzender des Berufsverbands der Frauenärzte, sprach in einem früheren Interview mit der „Welt“ (2016) von „30 bis vielleicht sogar 40 Prozent“ aller Schwangerschaften, die in den ersten zwölf Wochen mit einem Abort enden.
Kein Neugeborenes starb
Von den lebend geborenen Babys kamen 9,4 Prozent zu früh zur Welt und 3,2 Prozent waren kleiner als für das Gestationsalter erwartet. Laut den Wissenschaftlern starb kein Neugeborenes nach der Geburt, angeborene Fehlbildungen lagen bei 2,2 Prozent der Babys vor. Keine der Mütter von Babys mit kongenitalen Anomalien hatte ihre COVID-19-Impfung in der Phase der Perikonzeption oder dem ersten Schwangerschaftsdrittel, in dem die Organanlage stattfindet, erhalten. Auch konnten die Wissenschaftler kein bestimmtes Muster an Anomalien ausmachen. Die berechneten Anteile der unerwünschten Schwangerschafts- und Neugeborenenereignisse bei gegen COVID-19 geimpften Müttern seien ähnlich den Inzidenzen, die man aus Untersuchungen von vor der COVID-19-Pandemie kenne, erklären die Wissenschaftler, obwohl die Daten nicht direkt vergleichbar seien.
Keine offensichtlichen Sicherheitssignale
Nach Ansicht der Wissenschaftler deuten die vorläufigen Ergebnisse auf keine „offensichtlichen Sicherheitssignale“ im Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung im dritten Trimester der Schwangerschaft hin. Eine fortlaufende Beobachtung sei jedoch erforderlich, um die mütterlichen, schwangerschaftsbedingten, neonatalen und kindlichen Ereignisse im Zusammenhang mit der mütterlichen COVID-19-Impfung weiter zu bewerten – auch in früheren Phasen der Schwangerschaft und während der Zeit vor der Empfängnis.
Die CDC-Direktorin, Rochelle P. Walensky, ist zuversichtlich: „Diese Studie ergänzt die wachsende Evidenz, dass Schwangere eine robuste Immunantwort auf die COVID-19-Impfung entwickeln, ohne dass bisher irgendwelche unerwünschten Ereignisse für die Mutter oder den Fötus beobachtet wurden“, sagte die CDC-Direktorin in einem Interview mit Redakteuren des NEJM.
Schutz des Neugeborenen durch mütterliche Antikörper möglich
Die Wissenschaftler geben noch einen weiteren positiven Aspekt der mütterlichen Impfung zu bedenken. So könnte die COVID-19-Impfung im letzten Trimester auch das Neugeborene schützen: „Zusätzlich zur Impfung, die Frauen während der Schwangerschaft vor COVID-19 schützt, gibt es Hinweise auf eine transplazentare Übertragung von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 nach mütterlicher COVID-19-Impfung während des dritten Trimesters.“ Das deute darauf hin, dass die mütterliche Impfung einen gewissen Schutz für das Neugeborene bieten könnte.
USA empfehlen COVID-19-Impfung für Schwangere
In Deutschland spricht sich die STIKO, die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI), aktuell nicht für eine COVID-19-Impfung für Schwangere aus. Allerdings sei eine versehentliche Impfung in der Schwangerschaft auch kein Grund für einen Abbruch. Anders in den USA: Hier erklären die CDC, dass jeder der zugelassenen Corona-Impfstoffe Schwangeren und Stillenden angeboten werden kann. Und auch das ACOG – American College of Obstetricians and Gynecologists – rät, dass Schwangeren und Stillenden eine COVID-19-Impfung nicht vorenthalten werden sollte.
Zur Erinnerung: COVID-19-Verlauf in der Schwangerschaft schwerer
Derzeitige Daten deuten darauf hin, dass symptomatisch an COVID-19 erkrankte schwangere Frauen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben als nicht schwangere Frauen – mit einem erhöhten Risiko für intensivmedizinische Versorgung, maschinelle Beatmung, inklusive ECMO, und Tod. Daten dazu wurden im November 2020 von den CDC veröffentlicht: Schwangere wurden der Studie zufolge signifikant häufiger auf die Intensivstation eingeliefert als nicht schwangere Frauen (10,5 versus 3,9 pro 1.000 Fälle), invasiv beatmet (2,9 versus 1,1 pro 1.000 Fälle), an die extrakorporale Membran-Oxygenierung (ECMO) angeschlossen (0,7 versus 0,3 pro 1.000 Fälle) und starben (1,5 versus 1,2 pro 1.000 Fälle).