USA impfen wieder mit Johnson & Johnson
Die Vereinigten Staaten impfen weiter mit dem Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson, dem Janssen COVID-19-Impfstoff (Johnson & Johnson ist der Mutterkonzern des Zulassungsinhabers Janssen). Nach einer gründlichen Sicherheitsüberprüfung haben am 23. April 2021 die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) und die oberste Arzneimittelbehörde FDA entschieden, dass die seit 13. April geltende Impfpause aufgehoben wird.
Ungewöhnliche Thrombosen nach Impfung
Zur Erinnerung: Seit dem 27. Februar dürfen die Vereinigten Staaten per Notfallzulassung mit dem Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson gegen COVID-19 impfen. Allerdings hielt die Freude ob der „praktischen“ Vakzine – sie muss nur einmal geimpft werden und ist im Kühlschrank bei 2 °C bis 8 °C drei Monate haltbar – nicht lange: Am 13. April rieten die CDC, Impfungen mit dem Janssen COVID-19-Impfstoff vorerst auszusetzen. Anlass gaben sehr seltene, doch schwere Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit dem Vektorimpfstoff aufgetreten waren: Bis zum 13. April waren bei 6,8 Millionen verabreichten Impfungen sechs Fälle von zerebralen Sinusvenenthrombosen berichtet worden. „Die Sicherheit des COVID-19-Impfstoffs hat für die Bundesregierung höchste Priorität, und wir nehmen alle Berichte über gesundheitliche Probleme nach einer COVID-19-Impfung sehr ernst“, erklärten die CDC damals. Seither haben medizinische und wissenschaftliche Teams von FDA und CDC die verfügbaren Daten zu Vektorimpfstoffen untersucht, um das Risiko von zerebralen Thrombosen, Blutgerinnseln des Abdomens sowie anderer Körperstellen und das gleichzeitige Auftreten von verringerten Blutplättchenzahlen zu untersuchen. Die Behörden griffen vor allem auf Daten des Vaccine Adverse Event Reporting Systems (Meldesystem für Impfstoffnebenwirkungen) und medizinische Fachliteratur zurück und stützten sich eigenen Angaben zufolge auch auf weltweite Informationen anderer Zulassungsbehörden zu Thrombosen und Thrombozytopenie im Zusammenhang mit Vaxzevria®, dem vektorbasierten COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca. Vaxzevria® ist in den Vereinigten Staaten nicht zugelassen, ist aber wie der Janssen COVID-19-Impfstoff ein Vektorimpfstoff.
Was raten CDC und FDA zum Johnson & Johnson-Impfstoff?
Die wichtigste Botschaft von CDC und FDA: Sie halten den Janssen COVID-19-Impfstoff für sicher und wirksam bei COVID-19-Schutz. Aus diesem Grund sollte der Vektorimpfstoff wieder in die Impfkampagne aufgenommen werden und – wie zugelassen – bei ab 18-Jährigen geimpft werden. Die möglichen Vorteile überwögen die potenziellen Risiken, erklärte die CDC. Das Risiko für ein Thrombose-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) stufen die Behörden zum jetzigen Zeitpunkt als „sehr gering“ ein. Zudem haben CDC und FDA eigenen Angaben zufolge „umfangreich Aufklärungsarbeit“ beim Gesundheitspersonal geleistet, dies solle sicherstellen, dass ein TTS rasch erkannt und richtig behandelt werde. Auch habe man das Merkblatt zum Janssen COVID-19-Impfstoff angepasst, um auch Geimpfte und deren Pflegepersonal über die Nebenwirkung zu informieren.
26 bis 45 Fälle von Blutgerinnseln vs. 600 bis 1.400 verhinderten COVID-19-Todesfällen
Laut einem Bericht in der „New York Times“ liegen in den Vereinigten Staaten derzeit 10 Millionen Dosen des Johnson & Johnson-Impfstoffs auf Lager und warten darauf, appliziert zu werden. Bei einer am 23. April stattgefundenen Tagung stellte Dr. Sara Oliver, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der CDC, eine Modellrechnung vor. Sie setzte das Risiko für Blutgerinnsel ins Verhältnis zu den durch die COVID-19-Impfung verhinderten Todesfällen: Würden alle Erwachsenen wieder mit Johnson & Johnson geimpft, wären in den nächsten sechs Monaten 26 bis 45 Fälle der Gerinnungsstörung zu erwarten. Allerdings rechne man durch die Impfung im gleichen Zeitraum mit 600 bis 1.400 weniger COVID-19-bedingten Todesfällen.
Impfstoffüberwachung funktioniert
„Vor allem Gesundheit und Sicherheit stehen im Vordergrund unserer Entscheidungen“, sagte CDC-Direktorin Dr. Rochelle P. Walensky. Die Sicherheitssysteme für Impfstoffe funktionierten, erklärte sie weiter. So habe man unter Millionen verabreichter Dosen „außergewöhnlich seltene Ereignisse“ identifiziert, woraufhin man die Impfungen pausiert habe, bis genauere Daten vorgelegen hätten.
15 Fälle mit Thrombosen, nur Frauen
Mittlerweile hat die CDC neun weitere TTS-Fälle bestätigt, sodass insgesamt bei fast acht Millionen applizierten Impfdosen 15 Patienten erkrankt sind – alle Fälle traten bei Frauen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren auf, im Durchschnitt waren die Frauen 37 Jahre alt. Drei Frauen sind verstorben, sieben Patientinnen werden derzeit noch im Krankenhaus behandelt, vier auf Intensivstation. Weitere mögliche Fälle der Gerinnungsstörung, darunter auch einige bei Männern, werden laut einem Bericht in der „New York Times“ (NYT) derzeit untersucht. Daneben gab es einen Fall – bei einem 25-jährigen Mann – bereits in der klinischen Studie.
Vor allem zwischen 30 und 39 Jahren
Der NYT zufolge scheinen Frauen zwischen 30 und 39 Jahren das größte Risiko für ein TTS zu haben: Die NYT spricht in dieser Altersgruppe von 11,8 Fällen pro einer Million verabreichten Dosen. Die meisten Fälle – 13 – betrafen Frauen zwischen 18 und 49 Jahren, in dieser Altersgruppe liegt das Risiko für ein TTS bei 7 Fällen pro einer Million Impfungen. Bei älteren Geimpften ab 50 Jahren kommt man auf ein Risiko von weniger als einem Fall pro einer Million verabreichten Dosen. Laut CDC traten die Thrombosen 6 bis 15 Tage nach der Impfung auf.
Welche Vorerkrankungen hatten die Frauen?
Zwölf der 15 Frauen entwickelten Blutgerinnsel im Gehirn, laut „New York Times“ hatten viele Frauen auch „anderswo“ Thrombosen. Dr. Tom Shimabukuro, dem stellvertretenden Direktor des Büros für Impfsicherheit der CDC, zufolge, zählen Kopfschmerzen zu den ersten Symptomen von Thrombosen, diese könnten sich später intensivieren, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, einseitige Schwäche, Sprachstörungen, Bewusstseinsverlust und Krampfanfällen könnten hinzukommen. Dr. Shimabukuro bemerkte in der am 23. April stattgefundenen Konferenz zudem, dass sieben der Frauen fettleibig waren, zwei hatten eine Schilddrüsenunterfunktion, zwei hatten hohen Blutdruck und zwei nahmen orale Verhütungsmittel ein. Es sei jedoch noch nicht klar, ob einer dieser Faktoren das Risiko der Entwicklung der Gerinnungsstörung nach der Impfung erhöhe.
EMA hält Janssen COVID-19-Impfstoff ebenfalls für sicher
Erst vor wenigen Tagen, am 20. April 2021, hatte die Europäische Arzneimittelagentur EMA ihre Sicherheitsbewertung zum Adenovektor-basierten Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson abgeschlossen. Auch sie kam nach Sichtung der verfügbaren Daten zu dem Schluss, dass die Vakzine sicher ist und laut Zulassung geimpft werden soll. Die EMA beziehungsweise der für die Risikobewertung von Arzneimitteln zuständige Ausschuss PRAC sah zwar einen möglichen Zusammenhang mit sehr seltenen Fällen von ungewöhnlichen Blutgerinnseln und gleichzeitig verringerter Blutplättchenzahl, doch bleibe trotz dieser Nebenwirkung das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv: „COVID-19 ist mit einem Risiko für Krankenhausaufenthalte und Tod verbunden.“ Die berichtete Kombination von Blutgerinnseln und niedrigen Blutplättchenwerten sei sehr selten, und „der Gesamtnutzen des COVID-19-Impfstoffs Janssen zur Vorbeugung von COVID-19 überwiegt die Risiken von Nebenwirkungen“, erklärte die EMA. Allerdings riet die EMA, die Produktinformationen zum Janssen COVID-19-Impfstoff anzupassen. Fach- und Gebrauchsinformation erhalten somit einen Warnhinweis zu ungewöhnlichen Blutgerinnseln mit erniedrigter Anzahl von Blutplättchen, und die Ereignisse werden als sehr seltene Nebenwirkung in die Produktinformationen des COVID-19-Impfstoffs Janssen aufgenommen.