Meldungen vom 26. bis 30.10.2020
Donnerstag, den 29.10.2020
Konzert-Experiment zeigt: Veranstaltungen in Hallen sind möglich
Veranstaltungen wie in der Kultur und im Sport können unter bestimmten Voraussetzungen auch in einer Pandemie in großen Hallen mit Publikum stattfinden. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher in einer Studie unter dem Motto „Restart 19“, deren Ergebnisse am Donnerstag in Halle vorgestellt wurden. Grundlage für die Studie war ein Konzert-Experiment im Sommer in der Arena Leipzig mit Tim Bendzko. Dabei wurden von den rund 1.400 freiwilligen Teilnehmern riesige Datenmengen erhoben.
Das A und O sei eine gute Belüfttechnik in den Veranstaltungshäusern. Diese müsse einen regelmäßigen Austausch der Raumluft mit frischer Luft ermöglichen. Dies sei für das Ansteckungsrisiko eine entscheidende Schlüsselkomponente, erklärte Studienleiter Stefan Moritz von der Universitätsmedizin Halle.
Unabdingbar für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen sei die Einhaltung strenger Hygienekonzepte mit Abstandsregeln und eine Maskenpflicht während der gesamten Veranstaltung. Veranstaltungen sollten auch nur im Sitzen erlaubt werden und nicht mit stehendem Publikum, um so unkontrollierte Kontakte zu vermeiden. Zudem müsse die Anzahl der Besucher an das aktuelle Infektionsgeschehen angepasst werden. Dafür sei die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz) wichtig. Quelle: dpa/sn
USA: Kein Impfstoff vor Januar
In den USA wird es nach Ansicht des renommierten Immunologen Anthony Fauci vor Januar keinen Corona-Impfstoff geben. Klinische Studien für zwei experimentelle Impfstoffe seien weit fortgeschritten, die Erteilung einer Notfallzulassung durch die Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde (FDA) sei jedoch nicht vor Januar zu erwarten, sagte Fauci am Mittwoch in einer Videoschalte mit dem Fachmagazin „Jama Network“. Fauci sagte, „es könnte Januar sein, es könnte später sein, das wissen wir nicht“.
Die am weitesten fortgeschrittenen klinischen Studien sind Fauci zufolge jene für die Impfstoffe des Biotech-Unternehmens Moderna und die Studie von Pfizer. Der Pharmariese arbeitet mit dem Mainzer Unternehmen Biontech zusammen. Für eine Notfallzulassung der FDA müssten die Daten der Hersteller die Verträglichkeit und die „anhaltende Wirksamkeit“ ihres Impfstoffs belegen, sagte Fauci.Quelle:dpa/sn
Virologe Stürmer: Verhalten muss sich langfristig ändern
Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer hält die geplanten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für sinnvoll, um die zweite Welle zu brechen – aber nur dann, wenn sich danach das Verhalten ändert. „Es steht und fällt damit, dass sich die Menschen bewusst sind, dass es ohne ihr Mitwirken nicht funktioniert“, sagte der Laborleiter und Dozent der Deutschen Presse-Agentur.
Mit massiven Kontaktbeschränkungen gebe es eine gute Chance, die Infektionsketten zu durchbrechen, sagte Stürmer. Nur müssten die Menschen nach der „Rückkehr in den Normalbetrieb“ wieder darauf achten, sich an bestimmte Maßnahmen wie das Lüften oder die AHA-Regeln – Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen – zu halten. „Sonst führt das in eine Endlosschleife“, sagte Stürmer. Die Entwicklung der Fallzahlen habe gezeigt: „Die Menschen sind zu leichtsinnig geworden.“ Quelle: dpa/sn
Corona-Angst beeinträchtigt Schlafqualität
Die Angst vor einer Corona-Ansteckung raubt vor allem Menschen mit gesundheitlichen Risiko-Faktoren vielfach den Schlaf. „Ich sehe das auch aus der eigenen Sprechstunde. Es gibt Vorerkrankte, die sich große Sorgen machen“, sagte der Direktor der Klinik für Pneumologie der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte, Prof. Georg Nilius, am Donnerstag der dpa. „Da gibts ein deutlich höheres Angstniveau. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Schlaf.“ Nilius ist einer der Kongresspräsidenten bei der digitalen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) vom 29. bis 31. Oktober.
Der Lungen- und Schlafmediziner verwies auf eine fortlaufende bundesweite Online-Studie unter Leitung der Psychologin Madeleine Hetkamp (Universität Duisburg-Essen) mit gut 16.000 Teilnehmern. Laut der im Fachmagazin „Sleep Medicine“ (75, 2020) veröffentlichten Studie hatten kurz nach dem Corona-Shutdown Mitte März dieses Jahres rund 13,5 Prozent der Teilnehmer von einer „deutlich verschlechterten Schlafqualität“ und 7,2 Prozent von generellen Ängsten („anxiety“) berichtet. Als die Infektionszahlen nachließen, seien diese Werte wieder zurückgegangen. Mit dem aktuell neuen Hochschießen der Zahlen sei es wahrscheinlich, dass auch die Ängste wieder zunähmen, sagte Nilius. Quelle: dpa/sn
Intensivmediziner: Zahl der Intensivpatienten entscheidend
Angesichts der starken Zunahme der Corona-Infektionen warnt, Stefan Kluge, Leiters der Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), vor einer Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen. In Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen seien einige Kliniken schon gut mit COVID-19-Patienten belegt, andere Erkrankte würden bereits verdrängt. Eine Reihe von Krankenhaus-Mitarbeitern habe sich infiziert.
Ein Blick auf die derzeit nur langsam steigende Zahl der Todesopfer tauge nicht zur Einschätzung der aktuellen Lage. „Wir müssen auf die Zahl der Intensivpatienten gucken. Dann wissen wir, wohin die Reise geht“, sagte Kluge, der Facharzt für Innere Medizin und Lungenheilkunde ist. Derzeit gehe die Kurve steil nach oben. Es dauere im Schnitt zehn Tage, bis Patienten mit Symptomen auf die Intensivstation verlegt werden müssten. Die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation bei beatmeten Patienten beträgt nach Angaben von Kluge zwei bis drei Wochen, Todesfälle träten meistens erst im Verlauf auf. Das bedeute, dass sich die Zahl der Neuinfektionen erst mit einer Verzögerung von drei bis vier Wochen auf die Zahl der Todesfälle auswirke.
Von den Infizierten müssten etwa fünf Prozent im Krankenhaus behandelt werden, zwei Prozent auf der Intensivstation. Über 70-Jährige hätten ein Todesrisiko von über 50 Prozent. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen in Deutschland liegt laut Kluge bei 79 Jahren. Quelle: dpa/sn
Virologe: Umfassende Corona-Impfung wird bis 2022 dauern
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut geht davon aus, dass eine Impfung der gesamten Bevölkerung gegen das Coronavirus auch bei schneller Entwicklung eines Impfstoffs Ende 2021 noch nicht abgeschlossen sein wird. „Es wird längere Zeit dauern, bis wir durch die Impfung eine spürbare Veränderung des Infektionsgeschehens sehen werden, dass wir sagen können, jetzt kann wieder Ruhe einkehren“, sagte der Virologe Thomas Mertens am heutigen Donnerstag. Wenn man etwa pro Tag 100.000 Menschen impfen würde, brauche man 150 Tage, um 15 Millionen Menschen zu impfen. Dieses Tempo wäre nach Mertens Ansicht bereits eine Herausforderung.
„Der Start der Impfungen darf nicht übereilt passieren: Es kommt nicht darauf an, vier Wochen früher oder später mit dem Impfen anzufangen“, sagte der Virologe. Vor allem Transport und Lagerung, die Einrichtung der regionalen Impfzentren und die bundesweit zeitgleiche Dokumentation der Impfungen müssten gut vorbereitet werden, ebenso die Auswertung der Sicherheitsaspekte und des medizinischen Impferfolgs.
Mertens rechnet zudem damit, dass es angesichts eines zunächst knappen Impfstoffs Konflikte über die gerechte Verteilung geben wird. „Es kann auch sein, dass einzelne, die nicht gleich zum Zuge kommen, dagegen klagen werden.“ Laut Bundesgesundheitsministerium sollen zunächst vulnerable Gruppen geimpft werden, also Personen mit hohem Gesundheitsrisiko. Mertens kündigte an, dass die ethischen Rahmenbedingungen für die Impfstoffverteilung Anfang nächster Woche veröffentlicht werden sollen. Die Beratungen der Ständigen Impfkommission, des Deutschen Ethikrats und der Leopoldina würden Ende dieser Woche abgeschlossen. Quelle: dpa/sn