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Schwanger werden mit Herzschwäche

Arzt misst bei einer Schwangeren den Blutdruck
Bei Jessica hat sich nach der Schwangerschaft die Herzinsuffizienz verschlechtert. | Bild: KayExam/peopleimages.com / AdobeStock

Auch wenn die Herzschwäche bzw. Herzinsuffizienz häufig eine Erkrankung des Alters ist, gibt es viele junge Menschen, die darunter leiden. Eine von ihnen ist Jessica, die bereits 2010 im Alter von 20 Jahren die Diagnose „Linksventrikuläre Herzinsuffizienz“ erhalten hat. 

Bei dieser Art der Herzschwäche ist die Pumpkraft der linken Herzhälfte eingeschränkt, weshalb zu wenig Blut in den Körperkreislauf ausgeworfen wird. Die Ejektionsfraktion (EF), die als Maß für die Pumpkraft des Herzens dient, ist typischerweise auf einen Wert unter 40 % reduziert. Im Gegensatz dazu liegt die EF bei herzgesunden Menschen über einem Wert von 50 %. 

Knapp zehn Jahre nach der Diagnose wurde Jessica schwanger, was einen großen Einfluss auf ihren Krankheitsverlauf hatte. Wie sie mit ihrer Herzschwäche umgeht und was sie in der Schwangerschaft beachten musste, erzählt sie PTAheute im Interview.

Die Herzwochen auf PTAheute.de

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Todesfälle aufgrund von Herzschwäche abgenommen. Zugleich steigt jedoch die Häufigkeit dieser Herzerkrankung aufgrund der alternden Bevölkerung. 

Umso wichtiger ist es, neben der Vermeidung von Risikofaktoren, erste Anzeichen einer Herzschwäche zu erkennen. Darauf machen die diesjährigen Herzwochen aufmerksam, die vom 01. bis 30. November stattfinden.

Auf PTAheute.de unterstützen wir diese Aktion mit ausgesuchten Beiträgen zu den Herzwochen.

Wir erklären, was chronische Herzschwäche ist, ob Herzrasen harmlos ist und welche Unterschiede es bei einem Herzinfarkt zwischen Frau und Mann gibt. 

Außerdem finden Sie Informationen darüber, was Betroffene bei Herzschwäche selbst tun können, wie Herzschwäche und Schwangerschaft zusammenhängen und welche Rezepturarzneimittel für Kinder es aus der Apotheke gibt.

Wir beschäftigen uns ebenso mit dem Thema Rauchstopp und Herz, wie ein Defibrillator funktioniert, welche Auswirkungen eine Herzschwäche auslösen kann u. v. m.

Liebe Jessica, wie hast du erfahren, dass du an einer Herzinsuffizienz leidest?

Jessica:

Die Tatsache, dass mit meinem Herzen etwas nicht stimmt, ist bei einem Fitness-Check im Sportstudio aufgefallen. Geschaut wurde nach meiner Herzfrequenz und wie sie sich mit steigender Intensität verändert. 

Dabei fiel auf, dass meine Ruheherzfrequenz bei 130 Schlägen pro Minute liegt, die nach nur zwei Minuten auf einen Wert von 160 angestiegen ist. Normal ist ein Wert von 60 bis 80 im Ruhezustand. Außerdem sank die Herzfrequenz nach Beendigung des Trainings nur sehr langsam ab. 

Im Alltag ist mir das nie aufgefallen, denn ich hatte keine typischen Beschwerden wie Atemnot oder Wassereinlagerungen und habe mehrmals wöchentlich Ausdauersport betrieben. Für weitere Untersuchungen wurde ich dann zum Kardiologen überwiesen.

Wie wurde deine Diagnose gestellt?

Jessica:

Bei einem Herzultraschall (Echokardiografie) wurde festgestellt, dass mein Herz eine deutlich verringerte EF aufweist. Mittels Magnetresonanztomografie (MRT) konnte dann ein genauer Wert von 23 % ermittelt werden. Das entspricht einer hochgradigen Einschränkung der Pumpleistung des Herzens. 

Bei einer Herzkatheter-Biopsie kam schließlich heraus, dass es sich um eine chronisch-aktive oder auch abgeheilte Herzmuskelentzündung aufgrund einer Infektion mit dem Ringelrötel-Virus handelt. 

Wahrscheinlich lag diese Infektion bereits viele Jahre zurück, weshalb mein Körper gut auf die eingeschränkte Pumpleistung eingestellt ist und ich im Alltag symptomfrei bin. 

Zusätzlich wurden im Elektrokardiogramm (EKG) ventrikuläre Tachykardien (VT) festgestellt. Das sind Herzrhythmusstörungen, die zu Kammerflimmern führen können.

Welche Maßnahmen wurden nach der Diagnose durchgeführt?

Jessica:

Eingestellt wurde ich mit einer Kombination aus Bisoprolol, Valsartan und Spironolacon. Aufgrund der VT bekam ich eine Defibrillator-Weste. 

Der Defibrillator überwacht die Herzfrequenz dauerhaft und löst einen Schock aus, wenn die Frequenz zu hoch ist. So kann das Herz wieder in einen normalen Rhythmus finden. 

Durch die Medikation hat sich meine Herzleistung nach nur drei Monaten auf einen Wert von EF 30 % und nach einem Jahr auf EF 45 % verbessert. Aufgrund dieser Erholung durfte ich die Defibrillator-Weste wieder ablegen und auch das Spironolacton absetzen. Nebenher habe ich meine Ausbildung zur Logopädin beendet und weiterhin Ausdauersport betrieben.

Knapp sechs Jahre später wurde mir aufgrund von Kammerflimmern und einem damit zusammenhängenden überlebten Herztod ein Defibrillator implantiert. Dank vieler Schutzengel bin ich ohne Einschränkungen da rausgegangen und auch die Herzinsuffizienz blieb unverändert bei einem Wert von 45 %.

Da hast du ja mit Mitte 20 bereits einiges durchgemacht. Wie kam es dann zu deiner Schwangerschaft?

Jessica:

Bereits ab Mitte 20 wurde ich von den Ärzten häufig gefragt, wie es mit einer geplanten Schwangerschaft aussieht, da man bezüglich der Medikamente einiges beachten muss. 

Meine Schwangerschaft trat ungeplant ein, weshalb ich erst in der achten Woche zusammen mit einer neuen Kardiologin das Valsartan abgesetzt habe. Dies sollte optimalerweise im Voraus erfolgen, weil Valsartan embryotoxisch wirkt. Da alle Untersuchungen positiv waren, ging man aber davon aus, dass der Wirkstoff keinen negativen Einfluss auf das Kind hatte. 

Wie erfolgte die Betreuung während der Schwangerschaft?

Jessica:

Ich war anfangs alle sechs bis acht Wochen zur Kontrolle. Neben den gängigen gynäkologischen Untersuchungen wurde bei der Kardiologin immer eine Echokardiografie durchgeführt, um Herzfrequenz und Herzleistung zu überwachen. Die Ärzte haben immer eng zusammengearbeitet. 

Außerdem wurde ich über eine zusätzlich auftretende Schwangerschafts-Kardiomyopathie (Anm. d. Red.: eine Herzschwäche, die erst in der Schwangerschaft auftritt) aufgeklärt. 

Für ein angegriffenes Herz wie meines ist das Risiko immer erhöht, dass es am Ende der Schwangerschaft zu einer Verschlechterung kommt. Um das Herz nicht zusätzlich zu belasten und ein Auslösen des Defibrillators während der Geburt zu umgehen, wurde ein Kaiserschnitt unter Vollnarkose geplant.

Gab es Komplikationen in der Schwangerschaft?

Jessica:

Nach der 25. Schwangerschaftswoche wurde ein EF von 30 % festgestellt. Die geminderte Herzleistung hängt am Ende des 2. Trimesters mit dem erhöhten Kindesgewicht sowie Blutvolumen zusammen. 

Ich wurde ab diesem Moment engmaschig alle zwei Wochen untersucht. Ziel war es, die Schwangerschaft bis Woche 32 zu erhalten, wobei hier vermehrt auf die Gesundheit der Mutter geachtet wird. Zum Glück wurde die Herzleistung nicht schlechter, weshalb ich einen geplanten Kaiserschnitt an Tag 38+1 hatte.

Wie ging es dir unmittelbar nach der Geburt?

Jessica:

Nach der Schwangerschaft war ich komplett symptomfrei: keine Wassereinlagerungen, keine Atemnot – das hatte ich alles nicht. Die EF ist nach der Geburt bei 30 % geblieben. 

Ich wurde 24 Stunden auf der Intensivstation überwacht, danach durfte ich mein Kind das erste Mal sehen und habe auch gleich gestillt. Es wurde noch ein Herzultraschall gemacht, um zu überprüfen, wie der Körper auf die Geburt reagiert hat und wie sich die Hormonumstellungen auswirken. Nach sieben Tagen durften wir nach Hause.

Konntest du weiterhin stillen oder wurde die Medikation angepasst?

Jessica:

Ich konnte zehn Monate lang unter gleichbleibender Medikation ohne Valsartan stillen. In der Zeit nach der Geburt wurde ich bezüglich meiner Herzinsuffizienz monatlich und später alle zwei Monate kontrolliert. 

Leider kam es erneut zu Kammerflimmern, weshalb die Medikation neu eingestellt wurde und ich spontan abstillen musste. Der implantierte Defibrillator hatte hier das erste Mal ausgelöst.

Wie kann man sich diesen Moment vorstellen?

Jessica:

Ich war nach dem Schock weiterhin bei Bewusstsein und habe mich gefragt: „War das jetzt der Defibrillator?“ Zur Nachkontrolle ging es dann ins Krankenhaus. 

Die Ärzte vermuten heute, dass das Herz Probleme hatte, die Hormonumstellungen am Ende der Stillzeit auszugleichen. Meine neue Medikation bestand aus Ramipril, Sotalol und Spirololacton.

Wie gehst du heute mit der Erkrankung um und wie sehr ist dein Alltag beeinflusst?

Jessica:

Seit Ende der Schwangerschaft bestimmen die Herzrhythmusstörungen meinen Alltag zunehmend. Der Defibrillator hat ca. 3 bis 5 weitere Male ausgelöst, zuletzt Anfang 2024. 

Die Medikation wurde danach erneut umgestellt, um die Beschwerden langfristig zu verbessern. Aktuell nehme ich Entresto (Sacubitril und Valsartan), Sotalol, Ranexa (Ranolazin) und optional Spironolacton. 

Mir fällt jede Medikamentenumstellung schwer, verstehe aber natürlich, dass mir jeder Arzt gerne helfen möchte, weil ich ja noch so jung bin. Die aktuelle Therapie vertrage ich sehr gut, wobei mir der niedrige Blutdruck – teilweise von 90/60 – hin und wieder zu schaffen macht. Das bemerke ich besonders am Morgen nach dem Aufstehen an vermehrter Müdigkeit und Antriebslosigkeit.

Zur Erinnerung: Was ist ein normaler Blutdruck?

Nach Angaben der Deutschen Herzstiftung wird der Blutdruck bei Erwachsenen von 120/80 mmHg als normal bezeichnet, ebenso Werte zwischen 120–129/80–84 mmHg.  

Als weitere Faustregel gilt: Bluthochdruck startet ab 140/90 mmHg. 

Hast du neben der medikamentösen Therapie noch weitere Maßnahmen in den Alltag integriert?

Jessica:

Ich nehme von Beginn an Magnesium und Kalium ein, was mir der Arzt verordnet hat. Kalium ist besonders wichtig für das Herz und sollte bei einer Herzschwäche immer etwas über dem definierten Normbereich liegen. Ich weiß, dass während einer Erkältung meine Magnesium- und Kaliumwerte im Blut absinken und ich die Dosis etwas steigern muss, um nicht in ein Defizit zu rutschen.

In der Schwangerschaft habe ich ergänzend Omega-3-Fettsäuren eingenommen, nicht nur für die Schwangerschaft, sondern auch für das Herz.

Außerdem wurde mir empfohlen, regelmäßig Ausdauersport zu machen. Ich sollte mich auch in der Schwangerschaft nie schonen, sondern in Bewegung bleiben, solange ich mich dabei gut fühle.  

Alkohol zu trinken ist nicht so günstig, da dieser die Herzfrequenz anhebt und auch als Mineralstoffräuber im Körper fungiert. Ansonsten wurde mir eine gesunde und ausgewogene Ernährung nahegelegt. Cholesterin ist bei mir aktuell kein Thema, ich habe laut den Ärzten „traumhafte Koronargefäße“.

Wie sieht es mit einer erneuten Schwangerschaft aus?

Jessica:

Meine Kardiologin hat mir davon abgeraten. Insbesondere bezüglich meiner eigenen Gesundheit, da das Risiko einer weiteren Verschlechterung der Herzleistung groß ist. 

Ich möchte es ja auch genießen, Mama zu sein. Meine Tochter ist gesund, fit und munter und ich kann mit ihr durch den Garten rennen und muss aktuell nicht auf meine Luft achten. Wie das nach einer zweiten Schwangerschaft aussehen würde, ist unklar.

Vielen Dank für das offene Gespräch. Möchtest du zum Schluss noch etwas loswerden?

Jessica:

Ich habe für mich entschieden, mir meine Grundstimmung nicht negativ von meiner Erkrankung beeinflussen zu lassen. Ich gehe nach wie vor meinem Job als Logopädin nach, mache Sport und habe einen normalen Alltag.

Weiterhin möchte ich noch einmal hervorheben, dass die ärztliche Betreuung, insbesondere im Rahmen der Schwangerschaft, das A und O ist. Das gibt bezüglich der Gesundheit von Mutter und Kind immer viel Sicherheit. 

Fühlt man sich nicht gut betreut, sollte man immer aus eigenem Interesse handeln und sich auch, wenn nötig, spontan nach einer neuen Arztpraxis umschauen.