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Machen Antidepressiva dick?

übergewichtige Frau sitzt auf dem Boden, vor ihr liegt eine Waage und ein Maßband
Der Leidensdruck Betroffener ist groß, wenn unter einer Therapie mit Antidepressiva an Gewicht zugenommen wird. | Bild: mojo_cp / AdobeStock

Verschiedene Antidepressiva können sich tendenziell unterschiedlich auf das Gewicht eines Patienten auswirken und so langfristig auch die Stoffwechselgesundheit beeinträchtigen. Bekannt ist beispielsweise, dass selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) generell eher mit einer Gewichtszunahme und Bupropion mit einer geringfügigen Abnahme assoziiert sind. Allerdings können sich die Effekte innerhalb einer Arzneimittelklasse unterscheiden. 

Wissenschaftler aus den USA analysierten nun Verschreibungsdaten von 183.118 Patienten aus dem Zeitraum von Juli 2010 bis Dezember 2019.

Studie: Gewichtszunahme unter Citalopram, Fluoxetin, Bupropion und Co.?

Die Probanden waren zu 65 % Frauen, zwischen 20 und 80 Jahren (Durchschnittsalter 48,2 Jahre) und hatten ­einen durchschnittlichen Body-Mass-Index von 29,4 kg/m2

Einschlusskri­terium war, dass zuvor kein Antidepressivum verordnet wurde und die Probanden zuvor nicht in einer Situation waren, die mit Gewichtsschwankungen assoziiert ist, wie eine Schwangerschaft, Krebs­erkrankung oder ein bariatrischer Eingriff (z. B. Magenverkleinerung). Insgesamt wurde über zwei Jahre nachbeobachtet und das Körpergewicht zu Studienbeginn, nach sechs, zwölf und 24 Monaten gemessen.  

Untersucht wurde dabei die Gewichtszunahme unter den SSRI Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin und Paroxetin sowie dem selektiven Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (SNDRI) Bupropion und den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SSNRI) Duloxetin oder Venlafaxin im Vergleich zu dem SSRI Sertralin. Dieses war insgesamt am häufigsten (20 %) verordnet worden, gefolgt von Citalopram (16 %) und Bupropion (15 %).

Geringste Gewichtszunahme unter Antidepressivum Bupropion 

Im Mittel wurde bei den Patienten nach zwei Jahren eine Gewichtszunahme von bis zu zwei Kilogramm verzeichnet, unter Sertralin betrug diese 1,46 kg absolut (95 %–Konfidenzintervall [KI] = 1,34–1,62). Nach sechs Monaten war die Zunahme im Vergleich zu Sertralin unter Escitalopram und Paroxetin am höchsten (s. Tabelle). 

Auch Patienten unter Duloxetin, Venlafaxin und Citalopram legten mehr an Gewicht zu. Unter Fluoxetin war die Gewichtszunahme gleich hoch wie unter Sertralin. Teilnehmende mit Bupropion nahmen hingegen weniger zu.  

Das Risiko, nach sechs Monaten 5 % vom Ausgangsgewicht oder mehr zuzunehmen, war unter Escitalopram, Paroxetin und Duloxetin um 10 bis 15 % höher als unter Sertralin – bei Bupropion hingegen um 15 % geringer.

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Gewichtszunahme im Vergleich zu Sertralin nach sechs Monaten auf:

WirkstoffDifferenz in kg zu Sertralin95 %–Konfidenzintervall in kg
Escitalopram+ 0,410,31 bis 0,52
Paroxetin+ 0,370,20 bis 0,54
Duloxetin+ 0,34 0,22 bis 0,44
Venlafaxin+ 0,170,03 bis 0,31
Citalopram+ 0,120,02 bis 0,23
Fluoxetin- 0,07 kg- 0,19 bis 0,04
Bupropion- 0,22- 0,33 bis - 0,12

Dass Bupropion mit der geringsten Gewichtszunahme assoziiert ist, konnte bereits in früheren Studien gezeigt werden und liegt wahrscheinlich in der Hemmung der Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme sowie der Aktivierung des Melanocortin-Systems begründet. 

Unter den beiden SSNRI Duloxetin und Venlafaxin zeigten Patienten nach sechs Monaten eine höhere Gewichtszunahme als unter Sertralin, entgegen der Erwartung, dass SSNRI mit einem stärkeren anorexigenen Effekt assoziiert sind. Dafür war nach 24 Monaten die Gewichtszunahme unter Duloxetin und Venlafaxin im Vergleich zu Sertralin wiederum geringer. 

Die Kurven der SSNRI flachten im Verlauf von zwei Jahren ab, während die der SSRI weiter anstiegen. Bupropion hingegen war auch nach 24 Monaten weiterhin mit der geringsten Zunahme verbunden. Die Ergebnisse seien aufgrund einer geringen Adhärenz allerdings mit Vorsicht zu betrachten. 

Geringe Unterschiede zwischen Antidepressiva

Neben der Stärke einer hohen Teilnehmerzahl wies die Studie auch Schwächen auf: Beispielsweise kann nicht mit Sicherheit überprüft werden, ob es sich tatsächlich um Neuverordnungen der Antidepressiva handelte, und diese waren wahrscheinlich nicht ausschließlich aufgrund psychischer Erkrankungen indiziert. Auch Dosis-Wirkungs-Effekte konnten nicht nachvollzogen werden, und einige Patienten wechselten ihr Arzneimittel in der Nachbeobachtungszeit.  

Die Autoren resümieren, dass sie geringe Unterschiede zwischen den Arzneimitteln feststellten. Die Ergebnisse könnten von Patienten und Ärzten miteinbezogen werden, wenn es um die Wahl eines geeigneten Antidepressivums geht – vor allem vor dem Hintergrund der komplexen Zusammenhänge von Adipositas und Depressionen.