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Rote-Hand-Brief: Chlormadinon erhöht Thromboserisiko „leicht“

Frau hält drei Blister mit oralen Kontrazeptiva
Ein aktueller Rote-Hand-Brief weist darauf hin, dass bei den meisten Anwenderinnen der Nutzen einer hormonalen kombinierten Verhütung deren Risiken überwiege. | Bild: methaphum/Adobe

Frauen, die hormonal verhüten, haben ein höheres Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) als Frauen, die auf nicht hormonale Kontrazeptiva setzen. Das ist bekannt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) informierte bereits vor zehn Jahren in einem Rote-Hand-Brief dazu.

Allerdings erhöhen nicht alle kombinierten hormonalen Kontrazeptiva (KHK) das Thromboserisiko gleichermaßen. Je nach Gestagenkomponente steigt durch hormonelle Verhütungsmittel die Gefahr einer venösen Thromboembolie unterschiedlich stark. Das geringste Risiko bergen aktuell Präparate mit Levonorgestrel (LNG), Norgestimat und Norethisteron.

Mit einem dieser Gestagene erleiden 5 bis 7 von 10.000 Frauen innerhalb eines Jahres eine Thromboembolie. Unter Dienogest sind es 8 bis 11 Frauen und bei Drospirenon, Gestoden oder Desogestrel 9 bis 12 von 10.000 Frauen. 

Zum Vergleich: Ohne hormonale Verhütung trifft eine Thromboembolie lediglich 2 von 10.000 Frauen. Wichtig ist zudem, dass das Risiko einer venösen Thromboembolie vor allem im ersten Jahr der Anwendung und nach erneutem Beginn nach Absetzen – Anwendungspause von mindestens vier Wochen – am höchsten ist. 

Chlormadinon: Jährlich 6 bis 9 Thrombosefälle pro 10.000 Frauen

Für manche Gestagene fehlt derzeit eine Risikoeinschätzung. Neue Daten gibt es nun jedoch für Chlormadinonacetat (CMA) und Ethinylestradiol (EE), enthalten zum Beispiel in Belara®, Bellissima® und Mona Hexal®. Wie hoch ist das Thromboserisiko für Chlormadinon?  

Laut einer retrospektiven Kohortenstudie (RIVET-RCS1) steigt das Thromboserisiko mit Chlormadinonacetat und Ethinylestradiol verglichen mit Levonorgestrel plus Ethinylestradiol um das 1,25-Fache. Darüber informieren die Zulassungsinhaber kombinierter hormonaler Kontrazeptiva in Abstimmung mit dem BfArM und der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) in einem Rote-Hand-Brief. 

Verhüten Frauen mit einer Kombination aus Chlormadinonacetat und Ethinylestradiol, so wird das jährliche Risiko für eine venöse Thromboembolie auf 6 bis 9 Fälle pro 10.000 Frauen geschätzt. 

1,25-fach erhöhtes Thromboserisiko unter Chlormadinon

Die Daten basieren auf vier Kohortenstudien mit über 200.000 Frauen aus zwölf europäischen Ländern sowie aus Kanada und den Vereinigten Staaten. Deshalb wird die Übertragbarkeit der Ergebnisse als „hoch“ eingestuft.

Die Studienergebnisse wurden gepoolt – also „zusammengeworfen“. Insgesamt hatten 12.710 Frauen 2 mg CMA/30 μg EE routinemäßig angewendet und 18.669 Frauen 0,15 mg LNG/30 μg EE. Die Wissenschaftler kamen zu einem 1,25-fach erhöhten VTE-Risiko von CMA plus EE verglichen mit LNG plus EE, konnten jedoch auch „ein zweifach erhöhtes Risiko nicht“ ausschließen.

In der nachfolgenden Tabelle werden Schätzungen zum VTE-Risiko unter verschiedenen Ethinylestradiol-Gestagen-Kombinationspräparaten im Vergleich zum Risiko unter Levonorgestrel-haltigen oralen Kontrazeptiva aufgeführt.Quelle: Rote-Hand-Brief zu kombinierten hormonalen Kontrazeptiva mit Chlormadinonacetat/Ethinylestradiol: Leicht erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien vom 23.02.2024 

Gestagen im kombinierten hormonalen Kontrazeptivum (Ethinylestradiol-haltiges Kombipräparat) Relatives Risiko im Vergleich zu Levonorgestrel Geschätzte Inzidenz pro 10.000 Frauen und Anwendung 
Nichtschwangere Nichtanwenderinnen – 
Levonorgestrel Referenz 5–7 
Norgestimat/Norethisteron 5–7 
Chlormadinonacetat 1,25 6–9 
Dienogest 1,6 8–11 
Gestoden/Desogestrel/Drospirenon 1,5–2 9–12 
Etonogestrel/Norelgestromin 1–2 6–12 
Nomegestrol + Estradiol oder Dienogest + Estradiolvalerat Etwa gleich wie bei anderen kombinierten hormonalen Kontrazeptiva, einschließlich Levonorgestrel-haltigen Kontrazeptiva
Seasonique® (Levonorgestrel im Langzyklus: 84 Tage 150 µg Levonorgestrel in Kombination mit 30 µg Ethinylestradiol, danach 7 Tage 10 µg Ethinylestradiol)

1,4  

Seasonique® im Vergleich zu Levonorgestrel-haltigen kombinierten hormonalen Kontrazeptiva, die in einem 28-Tage-Zyklus angewendet werden (HR: 1,40; 95-%-Konfidenzintervall 0,90–2,19). Zudem könnte das VTE-Risiko bei Frauen, die Seasonique® als erste orale Empfängnisverhütung verwenden, weiter erhöht sein.gemäß Fachinformation, Stand April 2023  

5–15 

basierend auf dem 95-%-Konfidenzintervall des Hazard Ratios (HR) und der Spannbreite der geschätzten Inzidenz für Levonorgestrel (5–7 pro 10.000 Frauen und Anwendungsjahr) 

Erhöhtes Thromboserisiko auch in Schwangerschaft und im Wochenbett

Die Autoren des Rote-Hand-Briefs weisen darauf hin, dass bei den meisten Anwenderinnen der Nutzen einer hormonalen kombinierten Verhütung deren Risiken überwiege. Auch sei das Thromboserisiko unter kombinierten hormonalen Verhütungsmitteln geringer als das von schwangeren Frauen oder von Frauen nach der Geburt im Wochenbett.