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Migräne in der Schwangerschaft – was tun?

Mit Entspannungstechniken, Ausdauersport und genügend Schlaf können Schwangere Migräneattacken vorbeugen. | Bild: Dragana Gordic / AdobeStock

Migräne betrifft vor allem Menschen zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr und in dieser Zeit Frauen dreimal häufiger als Männer. Die Punktprävalenz liegt für Frauen bei 20 Prozent – gut vorstellbar also, dass Migräne auch in der Schwangerschaft ein Thema ist. 

In der Tat ist es so, dass ein Großteil der schwangeren Frauen (50 bis 80 Prozent) glücklicherweise berichtet, dass sich ihre Migräne in der Schwangerschaft besserte, vor allem im zweiten und letzten Drittel der Schwangerschaft. Bei acht Prozent nehmen die Kopfschmerzen allerdings zu.

Nichtmedikamentöse Hilfe: Entspannung, Biofeedback, Akupunktur und Sport

Bestimmte Faktoren – wie Stress, Schlafmangel, Hypoglykämie – können eine Migräneattacke triggern. Reagiert die Schwangere sensibel auf diese äußeren Einflüsse, sollte sie in erster Linie versuchen, einem Migräneanfall vorzubeugen, indem sie diese Trigger vermeidet – also ausreichend und regelmäßig schlafen, essen und trinken, rät Embryotox. Auch Entspannungsverfahren, Biofeedback, Akupunktur sowie Ausdauersport hätten sich bewährt.

Zur Erinnerung: Wer steckt hinter Embryotox?

Das Pharmakovigilanzzentrum für Embryonaltoxikologie wurde 1988 als Einrichtung des Bezirksamtes von Berlin-Charlottenburg gestartet. Mittlerweile gehört es zum Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité und wird als eines der führenden Referenzzentren für Arzneimittelsicherheit in der Schwangerschaft in Europa angesehen. 

Es ist Gründungsmitglied der klinisch-teratologischen Fachgesellschaft ENTIS und initiierte Kooperations- und Forschungsprojekte mit Instituten in Nordamerika, Russland, Israel und verschiedenen europäischen Ländern. Embryotox arbeitet unabhängig von der pharmazeutischen Industrie und wird gemeinsam vom Land Berlin und vom Bund (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM) finanziert.

Die Autoren der S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ halten nichtmedikamentöse Verfahren zur Migräneprophylaxe ebenfalls für „unbedenklich“. Am besten sollten Frauen mit Migräne und Kinderwunsch sich bereits vor der Schwangerschaft über Entspannungstechniken, Biofeedback und Akupunktur informieren und diese praktizieren.

Kopfschmerzen – Ibuprofen oder Paracetamol?

Bei lediglich leichten Attacken genügen vielleicht bereits nichtmedikamentöse Maßnahmen, wie Ruhe und Reizabschirmung, Entspannung und Eispackungen. Mittel der Wahl bei Migränekopfschmerzen sind laut Embryotox Paracetamol und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen und Naproxen. 

NSAR dürfen Schwangere nur bis zur 28. Schwangerschaftswoche einnehmen. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA rät sogar, NSAR bereits ab der zweiten Schwangerschaftshälfte (20. Schwangerschaftswoche) zu vermeiden. Der Grund: Sie können den Ductus arteriosus Botalli beim Fetus vorzeitig verschließen – was mit einem erhöhten Risiko für Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie) einhergeht – und die Nierenfunktion beim Fetus und Neugeborenen schädigen.

Die Autoren der Migräne-Leitlinie hingegen empfehlen Paracetamol und NSAR nicht gleichrangig: „Paracetamol sollte in der Schwangerschaft nur gegeben werden, wenn keine anderen Optionen zur Verfügung stehen.“ Paracetamol sei nicht für schwere Attacken zugelassen, eine bedeutsame Wirksamkeit sei nicht zu erwarten. Zudem legen der Leitlinie zufolge Studien Risiken für neurologische Entwicklungsstörungen, Atopie (Neigung zu Überempfindlichkeitsreaktionen) und Reproduktionsstörungen beim ungeborenen Kind nahe. 

Die Leitlinie rät damit im ersten und zweiten Schwangerschaftsdrittel zu ASS, Ibuprofen oder Metamizol, alle drei Wirkstoffe müssen im letzten Schwangerschaftsdrittel gemieden werden.

Triptane in der Schwangerschaft?

Und wie sieht es mit Triptanen aus? Sie sind die derzeit wirksamsten Arzneimittel bei mittelschweren bis schweren Attacken und in diesen Fällen die Mittel der Wahl. Doch sind sie auch in der Schwangerschaft sicher? 

Am meisten Daten existieren zu Sumatriptan: Daten aus mehreren Schwangerschaftsregistern zeigten „keine erhöhten Komplikationsraten während der Schwangerschaft und kein erhöhtes Risiko für Missbildungen“ sowie für die „weitere motorische und emotionale kindliche Entwicklung“, liest man in der Migräne-Leitlinie dazu. Ähnliche Daten gebe es für Naratriptan und Rizatriptan. Auch laut Embryotox ist Sumatriptan „gut untersucht“ und könne von Schwangeren „kurzfristig“ angewandt werden, wenn die Schmerzmittel versagen.

Keine Option hingegen sind Ergotamine (Mutterkornalkaloide) – die Wirkstoffe fördern Kontraktionen an der Gebärmutter (Uterus) und wirken dort gefäßverengend – sowie die erst 2022 neu zugelassenen Wirkstoffe Lasmiditan (Rayvow®) und Rimegepant (Vydura®).

Was tun bei Migräne-bedingter Übelkeit?

Vier von fünf Migränepatienten leiden an Übelkeit während der Attacke, etwa die Hälfte berichtet über Erbrechen. Übelkeit und Erbrechen beschränken nicht nur die Lebensqualität der Patientin. Starkes Erbrechen kann zudem zur Dehydration führen. 

Schwangere Migränepatientinnen können Metoclopramid (MCP) gegen die Übelkeit und das Erbrechen einnehmen, zudem beschleunigt MCP die Aufnahme von oral eingenommenen Analgetika bei Migräne. Laut Embryotox darf MCP „indikationsgerecht über kurze Zeit“ eingesetzt werden (MCP hat eine Zulassung bei Übelkeit und Erbrechen bei Migräne), und auch die Leitlinienautoren raten bei Übelkeit und Erbrechen in erster Linie zu Metoclopramid.  

Und was ist mit Dimenhydrinat – nach Meclozin (in Deutschland nicht erhältlich) und Doxylamin (zugelassen in Cariban®) kommt Dimenhydrinat bei Schwangerschafts-bedingter Übelkeit und Erbrechen zum Einsatz. Wäre es damit nicht auch eine Option bei Schwangeren, die Migräne-bedingt mit Übelkeit und Erbrechen zu tun haben? Allerdings fehlt in dieser Indikation wohl die Wirksamkeit, weswegen weder die Leitlinienautoren noch Embryotox Dimenhydrinat bei Migräne-bedingter Übelkeit empfehlen.

Hilft Magnesium bei Migräne?

Ob Magnesium Migräneattacken vorbeugen kann, dazu ist die Datenlage widersprüchlich: In manchen Studien profitierten die Migränepatienten, in anderen nicht. Die Evidenzlage ist der aktuellen Leitlinie zufolge gering, Kontraindikationen liegen jedoch auch nicht vor. 

Die Migräne-Experten halten Magnesium aufgrund der hohen Akzeptanz vor allem für Migränepatienten für eine Option, die keine medikamentöse Prophylaxe wünschen. Und auch in der Schwangerschaft sei „vor dem Hintergrund einer in der Schwangerschaft empfohlenen Zufuhr von 300 mg Magnesium täglich“ die orale Gabe „vertretbar“.

Metoprolol oder Amitriptylin, wenn medikamentöse Prophylaxe indiziert

Eine medikamentöse Migräneprophylaxe ist mit dem Betablocker Metoprolol (sehr hoher Erfahrungsumfang; Metoprolol gehört zu den Mitteln der Wahl bei Schwangerschaftshypertonie) oder dem Antidepressivum Amitriptylin (hoher Erfahrungsumfang) möglich. Bei Amitriptylin wurden Anpassungsstörungen beim Neugeborenen beobachtet, mit neurologischen, gastrointestinalen und respiratorischen Symptomen. 

Wichtig ist vor allem: Valproinsäure und Topiramat – beide auch zur Migräneprophylaxe eingesetzt – sind in der Schwangerschaft streng kontraindiziert, da sie zu Fehlbildungen beim Baby führen können.