Pflanzliches gegen Verstopfung bei Kindern?
Pflanzliche Arzneimittel sind nicht immer unbedenklich und somit auch nicht immer für Kinder geeignet. Das HMPC (Committee on Herbal Medicinal Products) bietet eine kürzlich aktualisierte, tabellarische Übersicht über die HMPC-Monographien und zur Fragestellung, welche Arzneidrogen bei Kindern angewendet werden können.
Diese Empfehlungen beziehen sich hierbei nicht auf Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel, sondern nur auf Arzneimittel. Was wird bei Obstipation empfohlen?
Welche Arzneipflanzen werden bei Obstipation empfohlen?
Bauchschmerzen und damit auch Verstopfung sind bei Kindern ein häufiges Problem. Eine medikamentöse Behandlung ist laut Leitlinie fast immer erforderlich. Dabei gilt es zu bedenken: „Kinder unter sechs Jahren sollten generell nur nach ärztlicher Abklärung der Ursachen medikamentös behandelt werden. Meist handelt es sich bei ihnen um funktionelle Störungen oder psychische Faktoren, die zu einer Zurückhaltung des Stuhls führen und dann eine Verstopfung hervorrufen.“Quelle: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2022/daz-2-2022/erschwerte-bedingungen
Als grundsätzlich mögliche Arzneidrogen in dieser Indikation werden vom HMPC folgende alphabetisch aufgelistet. Diese sind jedoch für Kinder kaum geeignet:
- Curacao-Aloe, Kap-Aloe (Aloes folii succus siccatus)
- Faulbaumrinde (Frangulae cortex)
- Leinsamen (Lini semen)
- Indische Flohsamen (Plantaginis ovatae semen), Indische Flohsamenschalen (Plantaginis ovatae seminis tegumentum), Rhizom des gewöhnlichen Farns (Polypodii rhizoma), Flohsamen (Psyllii semen)
- Cascararinde (Rhamni purshianae cortex), Rhabarberwurzel (Rhei radix), Natives Rizinusöl (Ricini oleum)
- Sennesblätter (Sennae folium), Sennesfrüchte (Sennae fructus)
Sennesblätter und Sennesfrüchte sind unter 12 Jahren kontraindiziert – das Gleiche gilt für Cascararinde, Rhabarberwurzel und Faulbaumrinde. Auch das Rhizom des gewöhnlichen Farns ist aufgrund fehlender Daten nur bei Jugendlichen und Erwachsenen geeignet, die Kap-Aloe ist bei Kindern kontraindiziert. Natives Rizinusöl wird aufgrund fehlender Daten nicht unter 18 Jahren empfohlen, gilt allerdings auch bei Erwachsenen als obsolet.
Obstipation: Welche Behandlung wird bei Kindern empfohlen?
Flohsamen hingegen hält das HMPC bei Kindern ab sechs Jahren für geeignet, für jüngere Kinder fehlen die Daten. Für Indische Flohsamen(-schalen) gilt das Gleiche. Leinsamen gelten hingegen aufgrund fehlender Daten erst ab dem Jugendalter als geeignet.
Die S2k-Leitlinie „Funktionelle (nicht-organische) Obstipation und Stuhlinkontinenz im Kindes- und Jugendalter“ vom April 2022 empfiehlt bei Obstipation als Mittel der ersten Wahl Polyethylenglykol (PEG, Macrogol). Für die erste Phase der Behandlung, die Indikation der „Desimpaktion“, besteht laut Leitlinie eine Zulassung für Macrogol ab dem Alter von fünf Jahren.
In der Erhaltungstherapie soll dann „eine Kombinationsbehandlung von kindzentrierter Beratung, verhaltenstherapeutischen und psychosozialen Interventionen sowie oralen Stuhlweichmachern/Laxanzien durchgeführt werden“.
Im Kindesalter wird laut Leitlinie Macrogol, ein osmotisches Laxanz, bevorzugt – wegen der guten Wirkung und geringer unerwünschter Arzneimittelwirkungen. Es ist in der Erhaltungstherapie ab dem Alter von sechs Monaten zugelassen. Und so empfehlen es auch internationale Leitlinien, auch wenn nach einem neueren Review für Kinder unter 24 Monaten laut Studienlage kein geprüftes Dosisregime für PEG angegeben werden könne.
Lactulose, Gleitmittel und stimulierende Laxanzien
Als Mittel der zweiten Wahl gilt Lactulose. Sollte auch diese Anwendung nicht möglich sein, könnten Gleitmittel wie Paraffinum subliquidum verabreicht werden. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten, da die Gefahr einer Aspiration besteht und es zu einer gestörten Aufnahme fettlöslicher Vitamine kommen kann.
Auch „stimulierende Laxanzien wie Sennesblätteralkaloide, Natriumpicosulfat etc. kommen grundsätzlich infrage, sollten in der Dauertherapie allerdings nicht angewendet werden, weil Langzeitdaten fehlen“, heißt es.
Was wird bei Verstopfung bei Kindern nicht empfohlen?
Außerdem sind laut Leitlinie „folgende Medikamente, die teilweise in der Erwachsenenmedizin üblich sind“, in der Behandlung der funktionellen Obstipation bei Kindern und Jugendlichen nicht wirksam:
- Prä- und Probiotika
- Komplementär-medizinische Maßnahmen und Substanzen
- Lubiprostone
- Linaclotide
- Prucaloprid
Diätetische Maßnahmen mit Steigerung der Ballaststoffe und der Flüssigkeitszufuhr sollen nicht zur alleinigen Behandlung der funktionellen Obstipation eingesetzt werden. Flohsamen(-schalen) finden in der Leitlinie keine direkte Erwähnung.
Insgesamt lässt sich die Frage nach einem pflanzlichen Arzneimittel gegen Obstipation bei Kindern unter sechs Jahren in der Selbstmedikation also mit einem klaren „Nein“ beantworten. Aber auch bei älteren Kindern und Jugendlichen sollte leitliniengemäß besser zu Macrogol als zu pflanzlichen Präparaten geraten werden.