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Leseprobe PTAheute 24/2021: Obstipation: Wasserkraft nutzen

Bild: Benjamin Erlandson – iStockphoto.com

Circa fünf bis 15 Prozent der Erwachsenen leiden an einer chronischen Obstipation, das bedeutet, dass diese länger als drei Monate andauert. Ältere Menschen sind häufiger betroffen als jüngere und Frauen häufiger als Männer. Eine chronische Verstopfung kann sehr belastend für den Betroffenen sein. 

Oft ist sie begleitet von allgemeinem Unwohlsein, Völlegefühl, Blähungen und manchmal auch von Bauchkrämpfen. Da verwundert es nicht, dass Verstopfung ein wichtiges Beratungsthema in der Apotheke ist. Tatsächlich kann man hier mithilfe von Wasser einiges bewegen. Dies muss aber auch in den Darm gelangen und dort bleiben, daher hilft viel trinken alleine noch nicht gegen die Obstipation.

Verbreitetes Problem 

Warum so viele Menschen von einer chronischen Verstopfung betroffen sind, ist nicht endgültig geklärt. Man geht davon aus, dass sowohl ballaststoffarme Ernährung, Bewegungs- und Flüssigkeitsmangel als auch Stress und eine häufige Unterdrückung des Stuhldrangs eine Rolle spielen können. Außerdem geht man davon aus, dass der Defäkationsreiz mit zunehmendem Alter schwächer wird.

Zudem kann Obstipation die Folge von bestimmten Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder auch einer Schilddrüsenunterfunktion sein. Auch bestimmte Medikamente wie zum Beispiel Opioide wie Morphin oder Codein, trizyclische Antidepressiva wie Amitriptylin oder Doxepin oder auch der Calciumantagonist Verapamil können eine Obstipation nach sich ziehen. Des Weiteren können Eisen-, Calcium- oder Aluminiumsalze eine Verstopfung auslösen.

Mehr Bewegung

Können Arzneimittel oder Erkrankungen als Ursache für die Verstopfung ausgeschlossen werden, geht man bei der Behandlung nach einem Stufenschema vor. Zunächst wird versucht, durch eine Veränderung des Lebensstils – also mehr Bewegung und mehr Ballaststoffe sowie eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit in Form von Wasser, Früchtetee oder verdünnten Fruchtsäften – den Darm in Bewegung zu bringen. 

Bringt dies keinen Erfolg, versucht man, die Verdauung durch die Zufuhr von Ballaststoffpräparaten zu normalisieren. Erst danach kommt die medikamentöse Laxanzientherapie zum Einsatz. Aber unabhängig davon, ob Ballaststoffe aus der Nahrung, extra zugeführte Ballaststoffpräparate oder auch Osmolaxanzien genutzt werden, die Wirkung beruht zumindest zu einem Teil immer darauf, Wasser im Darm zu halten oder in den Darm zu bekommen.

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Circa fünf bis 15 Prozent der Erwachsenen leiden an chronischer Obstipation. Bewegungs- und Flüssigkeitsmangel, aber auch Stress, bestimmte Krankheiten und Medikamente können Verstopfung auslösen.
  • Eine ballaststoffreiche Ernährung kann bei Verstopfung helfen.
  • Auch Präparate etwa mit Macrogol, Lactulose oder Lactitol können Abhilfe schaffen.

Ballast aus Pflanzenzellen?

Zellwände von Pflanzenzellen enthalten Kohlenhy­drate, die aus dem Darm nicht resorbiert werden können und dort mit Flüssigkeit aufquellen – die Ballaststoffe. Ein wichtiges Kohlenhydrat, das der Pflanzenzelle als Gerüstsubstanz dient, ist zum Beispiel Cellulose.

Genau wie Stärke ist sie aus Glucose-Einheiten aufgebaut. Da bei Cellulose aber die Monosaccharid-Einheiten anders verknüpft sind, können sie von menschlichen Verdauungsenzymen nicht gespalten werden. Solche unlöslichen Ballaststoffe, die vor allem in Getreideprodukten enthalten sind, erhöhen durch ihre Fähigkeit zu quellen das Stuhlvolumen und fördern dadurch die Peristaltik.

Lösliche Ballaststoffe, auch Gelbildner genannt, wie Pektine oder auch die Schleimstoffe in Flohsamenschalen und Leinsamen machen den Stuhl durch ihr hohes Wasserbindungsvermögen ebenfalls weicher und gleitfähiger.

Gut zu wissen: Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Wenn Sie unter Verstopfung leiden, es jedoch zunächst ohne Medikamente versuchen wollen, können Sie auf ballaststoffreiche Kost achten. Besonders Vollkornprodukte sind reich an Ballaststoffen.“
  • „Wenn Ihre Frau lactoseintolerant ist, würde ich ihr dieses Mittel nicht empfehlen, da es Lactose enthält. Ich empfehle Ihnen aber gern eine Alternative.“
  • „Sie haben recht, Kleie kann gegen Verstopfung helfen, allerdings wird sie teilweise nicht gut vertragen. Flohsamenschalen sind eine Alternative, die meist besser verträglich ist.“

Durch Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten kann man die Zufuhr von Ballaststoffen deutlich erhöhen. Beispiele wären, das Toastbrot am Morgen durch ein Vollkornbrot zu ersetzen oder auf Vollkornnudeln und Naturreis umzusteigen. Nicht zuletzt enthalten Nüsse, Samen und auch Hülsenfrüchte viele Ballaststoffe.

Kleie – mehr als ein Abfallprodukt

In alten Wassermühlen gab es oft eine kunstvoll geschnitzte Figur, den Kleiekotzer. Dieser diente wahrscheinlich als Schutzfigur für die Mühle, hatte aber auch eine rein praktische Aufgabe. Während das Mehl abgesiebt wurde, entfernte man über den Kleiekotzer die Kleie. Sie wurde von ihm förmlich ausgespuckt und diente meist als Viehfutter. 

Heute wird gereinigte Kleie auch als Ballaststofflieferant bei Verstopfung eingesetzt. Allerdings vertragen manche Menschen die hauptsächlich in Kleie enthaltenen unlöslichen Ballaststoffe nicht so gut und klagen vor allem in der Anfangsphase der Einnahme über Nebenwirkungen wie Blähungen und Völlegefühl. 

Flohsamenschalen, die vorwiegend Hemicellulose und Schleimstoffe enthalten, sind laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung meist besser verträglich.

Gut zu wissen: Vollkornmehl – was bedeutet das eigentlich?

Zunächst einmal unterscheidet man bei Mehl den Feinheitsgrad und den Ausmahlungsgrad. Der Feinheitsgrad gibt an, wie stark das Getreide zerkleinert wird. So unterscheidet man bei Weizenmehl unter anderem zwischen Schrot (500 μm), Grieß (200 – 500 μm) und Dunst (120 – 200 μm). 

Für die Verdauung viel wichtiger ist jedoch der Ausmahlungsgrad, der an der Typenzahl erkennbar ist. Vollkornmehl hat einen hohen Ausmahlungsgrad und eine hohe Typenzahl. Es enthält neben dem ballaststoffarmen Mehlkörper auch die ballast- und mineralstoffreichen Außenschichten und den Keimling. 

Beim Weizenmehl vom Typ 405 wurden Keimling und Außenschichten abgetrennt. Da der verbleibende Mehlkörper vor allem aus Stärke besteht, bleibt bei der Veraschung des Mehls, bei der man den Mineralstoffgehalt bestimmt, wenig übrig. Der Aschegehalt von 100 g dieses Typs beträgt ungefähr 405 mg, das heißt, in 100 g Mehl sind 405 mg Mineralstoffe enthalten (daher stammt die Typenbezeichnung, hier: 405).

Obwohl sich viele Menschen unter Vollkornbrot dunkles Brot vorstellen, das viele unzerkleinerte Getreidekörner enthält, ist dies nicht zwangsläufig der Fall. Vollkornbrot muss nur alle Kornbestandteile, auch die Außenschichten und den Keimling, aufweisen. Diese können auch ganz fein vermahlen sein. 

Außerdem sollte beachtet werden, dass dunkles Brot nicht automatisch Vollkornbrot ist. Auch durch eine verlängerte Backzeit oder die Beigabe von Backmalzen kann man dunkleres Brot erhalten.

Anziehend – die Kraft der Osmose

Ein weiterer Weg, Wasser im Darm zu halten und zusätzliches Wasser in den Darm zu bekommen, ist, den natürlichen Effekt der Osmose auszunutzen. Die Teilchenkonzentration in einem Raum bestimmt den vorherrschenden osmotischen Druck. Können nun Stoffe die Darmschleimhaut nicht passieren, also nicht aus dem Darm resorbiert werden, steigt der osmotische Druck im Darm an. Um dies auszugleichen, strömt Wasser ins Darmlumen ein. 

Der Stuhl wird flüssiger, das Stuhlvolumen nimmt zu und die Entleerung wird erleichtert. Diesen Effekt kann man mit verschiedenen Mitteln erreichen. Zu den osmotisch wirksamen salinischen Abführmitteln gehören Sulfate. Sie werden in Form von Magnesiumsulfat (Bittersalz) und Natriumsulfat (Glaubersalz) eingesetzt, die als isotonische Lösung verwendet werden sollten. 

Auch die Zucker Lactulose und Lactitol wirken durch das Prinzip der Osmose. Sowohl Lactulose (z. B. in Lactulose-ratiopharm Sirup, Lactulose Aiwa) als auch Lactitol (z. B. in Importal) werden im Dickdarm von Bakterien zu kurzkettigen Säuren vergoren. Dies regt zwar die Peristaltik zusätzlich an, kann aber verstärkt zu Blähungen führen. Da beide Arzneimittel Lactose enthalten, sollte bei Patienten, die an Lactoseintoleranz leiden, auf ein anderes Präparat ausgewichen werden.

Arzneimittel vs. Medizinprodukt

Oft verordnet wird das osmotisch wirksame Macrogol (z. B. in Movicol, Laxofalk) in Pulverform zum Auflösen in Wasser, flüssig zum Verdünnen oder bereits trinkfertig. Erhält man in der Apotheke ein Kassenrezept über ein Macrogol, so gibt es einiges zu beachten. So kann ein verschreibungsfreies Arzneimittel mit Macrogol in bestimmten Fällen auch für Erwachsene erstattungsfähig sein, da Abführmittel in der Anlage I der Arzneimittelrichtlinie „Zugelassene Ausnahmen zum Verordnungsausschluss“ aufgeführt sind. 

Daher sind sie unter anderem bei Tumorleiden, Divertikulose und auch bei Verstopfung unter Opiattherapie verordnungsfähig. Hier ist es wichtig zu wissen, dass Präparate mit Macrogol sowohl als Medizinprodukt als auch als Arzneimittel im Handel sind. Wird einem Patienten ein Arzneimittel mit Macrogol verordnet (z. B. Laxbene, Laxofalk), darf dies in der Apotheke nicht gegen ein Medizinprodukt (z. B. Laxatan M oder DulcoSoft Pulver) ausgetauscht werden.

Ein Macrogol mit einer Zulassung als Medizinprodukt muss wiederum in der Arzneimittelrichtlinie Anlage V „Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte“ aufgeführt sein, um erstattungsfähig zu sein. Nur eines der namentlich erwähnten Medizinprodukte kann auf Kassenrezept abgerechnet werden. 

Vorsicht: Hat der Arzt auf dem Rezept eine Diagnose vermerkt, so gilt es zu vergleichen, ob die Diagnose in der Anlage aufgeführt ist. Nur dann kann das Rezept auf Krankenkassenkosten abgerechnet werden. Steht keine Diagnose auf dem Rezept, so entfällt diese Prüfpflicht für die Apotheke.