Neue DiGA bei Schlafproblemen
Ende Dezember erhielt das DiGA-Verzeichnis erneut Zuwachs: Die Webanwendung HelloBetter Schlafen wurde kurz vor Jahresende in das Verzeichnis des BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) aufgenommen. Damit stehen Patienten mit Schlafproblemen künftig zwei digitale Anwendungen zur Verfügung, die auf Rezept und damit zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden können.
Bereits seit 2020 steht die App somnio bei nichtorganischer Insomnie im DiGA-Verzeichnis. Die neue Web-Anwendung von HelloBetter eignet sich darüber hinaus auch bei organischer Insomnie – also Ein- und Durchschlafstörungen mit bekannter organischer Ursache.
Gut zu wissen: Nichtorganische und organische Insomnie
Der nichtorganischen Insomnie liegen keine erkennbaren organischen Erkrankungen zugrunde. Sie ist gekennzeichnet durch Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen oder schlechte Schlafqualitäten, die mindestens dreimal pro Woche über einen Zeitraum von einem Monat auftreten. Die unbefriedigende Schlafdauer oder -qualität verursachen bei den Betroffenen einen erheblichen Leidensdruck oder wirken sich störend auf Alltagsaktivitäten aus.
Als Ursachen für organische Insomnie kommen z. B. psychiatrische Erkrankungen (wie Depressionen, Angststörungen usw.), neurologische Erkrankungen (z. B. Epilepsie, Parkinson), Schlafapnoe, chronische Schmerzen oder Schilddrüsenerkrankungen in Betracht. Quellen: ICD-10; S3-Leitline „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“, Neurologen und Psychiater im Netz
Die S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ (abgelaufen am 30.12.2022) nennt als Behandlungsmaßnahme der ersten Wahl die kognitive Verhaltenstherapie. Diese setzt sich für die Therapie der Insomnie bei Erwachsenen aus folgenden Punkten zusammen:
- Entspannungsmethoden,
- Aufklärung über Schlaf und Schlafstörungen (Psychoedukation),
- Methoden der Schlaf-wach-Strukturierung (Stimuluskontrolle und Schlafrestriktion) sowie
- kognitiven Techniken zur Reduktion nächtlichen Grübelns und zur Veränderung dysfunktionaler Überzeugungen.
Auf eben diese Maßnahmen baut auch das Online-Programm von HelloBetter.
Wie funktioniert HelloBetter Schlafen?
HelloBetter Schlafen soll die Schlafqualität verbessern und die Insomnie-Belastung reduzieren. Zu diesem Zweck präsentiert die Anwendung die Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie in Form von Texten, Video- und Audio-Dateien. Dabei werden unter anderem Strategien zur Bettzeitverkürzung, der Stimuluskontrolle und der Schlafhygiene vermittelt.
Außerdem verfügt die Anwendung über eine Tagebuchfunktion (Schlaftagebuch). Auf diese Weise sollen die Nutzenden Zusammenhänge zwischen ihrem Verhalten und der Schlafeffizienz erkennen und daraufhin entsprechende Änderungen vornehmen können.
Gut zu wissen: Was versteht man unter Stimuluskontrolle?
Bei der Stimuluskontrolle wird versucht, die Bedingungen (Stimuli), unter denen ein unerwünschtes Verhalten (z. B. Einschlafprobleme) auftritt, einzuschränken. Das könnte z. B. die Reduktion von Alkoholkonsum oder Smartphone-Nutzung sein.
Ebenso können Betroffene versuchen, die Bedingungen, unter denen ein erwünschtes Verhalten (z. B. erholsamer Schlaf) auftritt, zu fördern: etwa abends spazieren gehen oder ein Entspannungsbad nehmen. Quelle: Stangl, W. (2023, 3. Jänner). Stimuluskontrolle – Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
https://lexikon.stangl.eu/28704/stimuluskontrolle
Das Online-Programm von HelloBetter ist auf zwölf Wochen ausgelegt und in acht Kurseinheiten plus sechs optionale Zusatzmodule gegliedert. Nach jeder Einheit erhalten die Nutzenden ein schriftliches Feedback von speziell geschulten Psychologen.
Insomnie-Programm derzeit nur vorläufig gelistet
Die Wirksamkeit von HelloBetter Schlafen wurde laut Hersteller in vier klinischen Studien belegt. Dennoch ist die Anwendung derzeit nur vorläufig gelistet, was bedeutet, dass der vollständige Nutzennachweis noch aussteht.
Zur Erinnerung: Was bedeutet „vorläufig gelistet“?
Liegt der Nachweis für einen positiven Versorgungseffekt noch nicht vor, aber sind alle anderen Anforderungen (Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Interoperabilität, Datenschutz sowie Datensicherheit) erfüllt, kann beim BfArM eine vorläufige Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis beantragt werden. Hierfür müssen eine plausible Begründung für den erwartbaren Patientennutzen sowie ein Evaluationskonzept vorgelegt werden. Stimmt das BfArM dem Antrag zu, erfolgt die vorläufige Aufnahme für i. d. R. 12 Monate.
In der von HelloBetter erwähnten HauptstudieLog in and breathe out: internet-based recovery training for sleepless employees with work-related strain – results of a randomized controlled trial, veröffentlicht in Scandinavian Journal of Work, Environment & Health zeigten 79,7 Prozent der Probanden nach Abschluss des Programms eine signifikante Verringerung ihrer insomnischen Beschwerden. In der Vergleichsgruppe waren es 28,1 Prozent. Die positiven Effekte hielten auch ein halbes Jahr nach dem Kurs noch an. Die Studie wurde mit „beruflich stark beanspruchten Lehrkräften“ durchgeführt.
Vorsicht bei Epilepsie, Schwangerschaft und Schlafapnoe
Die Anwendung ist kontraindiziert bei akuten vorübergehenden psychotischen Störungen, bipolarer affektiver Störung und Epilepsie. Zudem ist das Online-Programm nicht für suizidale Patienten geeignet. Liegen Schlafapnoe, Schlafwandeln, schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Herzrhythmusstörungen, Angina pectoris) oder Schwangerschaft vor, ist die Nutzung der Anwendung vorab mit dem Arzt sorgfältig abzuklären.
Über HelloBetter
Als Anbieter für Online-Gesundheitsprogramme stellt HelloBetter Trainings mit psychotherapeutischer/psychologischer Begleitung zur Verfügung. Die Trainings wurden, laut Angaben des Unternehmens, gemeinsam mit Psychologen entwickelt und in randomisiert-kontrollierten Studien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Kosteneffektivität untersucht.
Mittlerweile ist HelloBetter mit mehreren Anwendungen im DiGA-Verzeichnis vertreten: Neben Betroffenen von Schlafstörungen richten sich die Angebote auch an Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, chronischen Schmerzen, Panikstörungen, Vaginismus sowie Stress und Burnout.