Aktuelles
4 min merken gemerkt Artikel drucken

Antibiotika für Kinder: Warum gibt es Engpässe?

Leere Schublade im Apothekerschrank
Der Engpass bei Antibiotika für Kinder betrifft ganz Europa. | Bild: Schelbert / PTAheute

Vergangene Woche hat sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausführlich zum Fiebersaft-Engpass bei Kindern geäußert. Paracetamol und Ibuprofen sind demnach vor allem knapp, weil derzeit so viele Kinder an Atemwegsinfekten leiden. Entsprechend hat das BfArM Empfehlungen veröffentlicht, wie mit dem Engpass nun am besten umzugehen ist. Zu den ebenfalls knappen Antibiotika-Säften für Kinder fehlen solche Empfehlungen jedoch.

Sulfamethoxazol und Trimethoprim: Empfehlungen in Aussicht

Der Beirat zur Bewertung der Versorgungslage mit Arzneimitteln des BfArM hat am 30. November 2022 in seiner Sondersitzung festgehalten, dass auch Antibiotika-Präparate mit der Wirkstoffkombination Sulfamethoxazol und Trimethoprim immer knapper werden. Bereits im vergangenen Oktober ebnete das BfArM deshalb den Weg für den Einzelimport entsprechender Präparate. 

Ende November hieß es dann: „Eine Verschärfung der Engpässe bei sulfamethoxazol/trimethoprimhaltigen Arzneimitteln in der Darreichungsform Tabletten wird beobachtet.“ Das BfArM wird laut Ergebnisprotokoll eine aktuelle Sachverhaltsermittlung durchführen und den Beirat darüber informieren. Es könnten also auch in diesem Fall bald weitere Empfehlungen zur „Minderung der Lieferengpasssituation“ folgen.

Antibiotika-Engpass betrifft ganz Europa

Doch neben den Fiebersäften und Cotrimoxazol sollen auch andere Antibiotika – speziell in Darreichungsformen für Kinder – diesen Winter knapp werden. Davor warnte der Arzneimittelhersteller Infectopharm Ende November in einem offenen Brief. Bei Amoxicillin- und Penicillin-Säften sei die Mehrzahl der Anbieter auf unbestimmte Zeit lieferunfähig, hieß es beispielsweise. 

Im Oktober hatte das BfArM bei der eingeschränkten Verfügbarkeit von Amoxicillin-Säften jedoch noch keinen Handlungsbedarf gesehen. Wie PTAheute berichtete, macht Amoxicillin aber weltweit Probleme: Die französische Arzneimittelbehörde (ANSM) betont etwa auf ihrem Internetauftritt, dass Antibiotika bei viralen Infektionen wie Bronchiolitis, Grippe, COVID-19, Nasopharyngitis und den meisten Fällen von Angina und Mittelohrentzündung nicht helfen. Antibiotika sollen also für die Fälle aufgespart werden, in denen sie wirklich benötigt werden. 

Zur Engpass-Situation bei Antibiotika für Kinder erklärt die ANSM: „Diese Spannungen betreffen ganz Europa sowie andere internationale Märkte.“ Die Situation soll neben den aktuell hohen Erkrankungszahlen eine Folge der Pandemie sein, in der kaum noch Amoxicillin benötigt und entsprechend weniger hergestellt worden ist.

BfArM sammelt Daten zum Amoxicillin-Engpass

Diese Stellungnahme der ANSM hat die Redaktion zum Anlass genommen, beim BfArM nochmals nachzuhaken: Gibt es hinsichtlich Amoxicillin wirklich kein strukturelles Problem und keinen Handlungsbedarf? 

Um das zu beantworten, werden offenbar gerade europaweit Daten erhoben: „Das BfArM führt unverändert ein kontinuierliches Monitoring durch und erhebt derzeit im Rahmen einer Anhörung gemäß § 52b Absatz 3e AMG insbesondere im Hinblick auf die künftige Verfügbarkeit Daten“, erklärt das BfArM gegenüber der Redaktion.

Aktuell bestehe nahezu umfassend für alle verfügbaren Antibiotika in pädiatrischen Darreichungsformen in Deutschland ein deutlich überdurchschnittlicher Bedarf. Während der vergangenen Wochen seien entsprechende Präparate in großem Umfang in den Markt abgegeben worden. „Das trifft auch auf Arzneimittel mit dem Wirkstoff Amoxicillin zu“, so das BfArM.

Personalmangel in Produktion führt zu Engpass von Amoxicillin

Auf europäischer Ebene würden derzeit vergleichbare Datenerhebungen in den Mitgliedstaaten durchgeführt, heißt es. In der Mehrzahl der europäischen Mitgliedstaaten seien bis dato in Summe ebenso erhöhte Abgabemengen zu verzeichnen, „wobei ein Schwerpunkt auf amoxicillinhaltige Arzneimittel gelegt wird“.

Nach derzeitiger Informationslage sei die Einschränkung der Verfügbarkeit sowohl auf nationaler wie europäischer Ebene unter anderem der deutlich erhöhten Nachfrage durch die hohen Krankenstände in vielen Mitgliedstaaten geschuldet. Es heißt aber auch:

„Die Analyse der Ursachen hat personelle Engpässe in der Produktion identifizieren können, jedoch bei Wirkstoff- und Packmittelverfügbarkeit eine robuste Liefersituation bestätigen können.“

E-Mail des BfArM vom 14. Dezember 2022

Mit den Unternehmen seien Kompensationsmaßnahmen abgestimmt worden, die kurzfristig umgesetzt würden.  

Sollten ergänzende Daten in Zukunft eine strukturell bedingte Problematik belegen, werde das BfArM eine aktualisierte Einschätzung zur Verfügung stellen. Damit müssen Apotheken sich also zunächst einmal in der Situation allein zurechtfinden – immerhin wird das Problem aber wahrgenommen und analysiert.