Marktrücknahme des Grippearzneimittels: Aus für Xofluza
Baloxavir marboxil war seit Jahren der erste innovative Wirkstoff gegen Influenza: Roche erhielt am 7. Januar 2021 die Zulassung auch in der EU. Eingesetzt werden darf es in zwei Indikationen: Zur Postexpositionsprophylaxe – um nach möglichem Kontakt mit einem an Grippe Infizierten das Ansteckungsrisiko zu verringern – und zur Behandlung unkomplizierter Influenza. Dabei dürfen in beiden Fällen bereits Jugendliche ab einem Alter von zwölf Jahren Xofluza® erhalten. In den Vereinigten Staaten gibt es Xofluza® bereits länger, es hat dort seit Oktober 2018 die Zulassung.
G-BA sieht nicht in allen Indikationen einen Zusatznutzen
Zwischenzeitlich hat sich auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen der frühen Nutzenbewertung (seit Januar 2011 geregelt durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, AMNOG) mit Baloxavir marboxil beschäftigt. Er bestätigte im August dieses Jahres jedoch nur für Teilpopulationen einen Zusatznutzen für das Arzneimittel: Er sieht in der Postexpositionsprophylaxe mit Baloxavir dann einen Zusatznutzen, wenn die zweckmäßige Vergleichstherapie beobachtendes Abwarten ist – kurz gesagt: Xofluza® ist besser, als nichts tun. Allerdings: Legte der G-BA als Vergleichstherapie bei Personen mit einem Risiko für einen komplizierten Verlauf ein anderes Virostatikum als Vergleich an – Oseltamivir in Tamiflu® oder Zanamivir in Relenza® –, sah der G-BA keinen Hinweis auf einen Zusatznutzen bei Baloxavir. Gleiches gilt für die Behandlung: Kein Zusatznutzen für Xofluza® im Vergleich zur Behandlung mit fiebersenkenden, entzündungs- und schmerzhemmenden Arzneimitteln oder verglichen mit Antiviralia (Oseltamivir oder Zanamivir).
Nutzenbewertung: Entscheidungsgrundlage für Erstattung
Die Krux ist nun, dass das Ergebnis der Zusatznutzenbewertung die Entscheidungsgrundlage liefert, wie viel die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für ein Arzneimittel mit neuem Wirkstoff bereit ist, zu zahlen. Ohne einen vom G-BA attestierten Zusatznutzen – oder wie im Falle von Baloxavir nur für bestimmte Teilpopulationen – hat der Hersteller in den Preisverhandlungen nicht ganz so gute Karten.
Keine Einigung bei Preisverhandlungen
Und in der Tat wurden sich Roche und der GKV-Spitzenverband nicht einig. Wie Roche mitteilt, habe sich in den Preisverhandlungen kein gemeinsames Verständnis für den Nutzen des Produkts und die Preisgestaltung abgezeichnet. Roche zieht daraus die Konsequenzen und nimmt Xofluza® vom deutschen Markt und damit „zum 1. Oktober 2021 für den Verkauf in der Apotheke aus der Regelversorgung in Deutschland“, teilt Roche mit. Dennoch hält Roche sich die Möglichkeit offen, Xofluza® „zukünftig im Falle von veränderten Rahmenbedingungen und neuen klinischen Daten wieder einzuführen“.
Einmalgabe vorteilhaft
Durch einen neuen Wirkmechanismus gilt Xofluza® als Hoffnungsträger bei Influenza – es hemmt einen der frühen Schritte der Virusvermehrung und greift an einem anderen Punkt ein als beispielsweise Tamiflu®. Diesen Vorteil betont auch Roche nochmals: Baloxavir wirke auch gegen Oseltamivir-resistente Stämme und Stämme der Vogelgrippe (H7N9, H5N1).
Zudem kommt Xofluza® hinsichtlich der Anwendung den Patienten entgegen: Es ist eine orale Einmalgabe, mangelnde Therapietreue dürfte damit kaum ein Problem sein. Probleme könnten sich jedoch – wie bei wohl allen Antiinfektiva – hinsichtlich Resistenzen ergeben. So gab es in Studien bereits Hinweise, dass sich nach einmaliger Gabe von Baloxavir Virusmutanten entwickelten, die ein geringeres Ansprechen auf Baloxavir zeigten. Die klinischen Auswirkungen dieser Beobachtung ließen sich damals jedoch nicht genau abschätzen.