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Neues Grippe-Arzneimittel Baloxavir – könnte es ein Resistenz-Problem geben?

Bild: Feydzhet Shabanov / Adobe Stock

Umso erfreulicher, wenn im Bereich der antiviralen Wirkstoffe geforscht wird. So hat Pharmariese Roche mit Baloxavir marboxil einen neuen Wirkstoff gegen Grippe in der Pipeline – in Japan ist Baloxavir sogar bereits seit Februar 2018 zugelassen und als XofluzaTM im Handel. In den Vereinigten Staaten hat Roche die Zulassung beantragt, derzeit prüft die amerikanische Arzneimittelbehörde die Daten in einem beschleunigten Verfahren. Bei der europäischen Arzneimittelagentur EMA liegt nach Informationen von PTAheute.online aktuell kein Zulassungsantrag vor.

Baloxavir: neuer Angriffspunkt gegen Grippe

Das besondere an Baloxavir: Der Wirkstoff richtet sich gegen ein gänzlich neues Ziel, und zwar die CAP-Endonuklease. Und – eine einmalige Dosis scheint zur Therapie zu genügen. Das klingt vielversprechend. Vorteil einer einmaligen Gabe ist fraglos, dass eine mangelnde Therapietreue der Patienten eine wohl eher untergeordnete Rolle spielen dürfte. Noch im Februar betonte Roche einen weiteren Vorzug der kurzen Therapie – die Bildung von Resistenzen ließe sich so eher vermeiden. Ob das stimmt? Denn in einer klinischen Prüfung scheint Baloxavir genau das zu machen: Die Grippeviren veränderten sich unter Baloxavir-Therapie – und sprachen dann schlechter auf den Wirkstoff an.

Gefahr der Resistenz?

Diese Daten veröffentlichten Wissenschaftler im amerikanischen Ärzteblatt, dem New England Journal of Medicine (NEJM). Zunächst jedoch die positiven Ergebnisse der Studie (Capstone-1): Die Grippepatienten wurden in drei Versuchsgruppen unterteilt, die erste Gruppe erhielt Baloxavir, und zwar je nach Körpergewicht des Patienten eine einmalige Dosis von 40 mg oder 80 mg Baloxavir. Patienten, die in der zweiten Gruppe waren, erhielten das Grippe-Arzneimittel Tamiflu® mit dem Wirkstoff Oseltamivir. Diese Patienten nahmen Tamiflu® zweimal pro Tag (je 75 mg) über fünf Tage. Die dritte Patientengruppe bekam wirkstofffreie Kapseln, Placebo. Was wollten die Wissenschaftler herausfinden, und wie sahen die Ergebnisse aus?

Grippesymptome bessern sich schneller unter Baloxavir

Ziel der Studie: Wie lange dauert es, bis sich die Grippesymptome bessern, und zwar unter Baloxavir (Gruppe eins), unter Oseltamivir (Gruppe zwei) und unter Placebo (Gruppe drei). Baloxavir wirkte hier gleich gut wie Tamiflu®: Die Zeitspanne, bis zum Abklingen der Symptome lag bei Baloxavir-Gabe bei 53,7 Stunden, in der Oseltamivir-Gruppe bei 53,8 Stunden und in der Placebo-Gruppe bei 80,2 Stunden. Somit erzielte eine einmalige Gabe von Baloxavir eine vergleichbare Wirkung wie die fünftägige Behandlung mit Oseltamivir. Der Vorteil gegenüber Placebo betrug bei beiden Antiviralia etwa einen Tag.

Baloxavir: weniger Nebenwirkungen als Tamiflu® und Placebo

Auch hinsichtlich der Nebenwirkungen scheint der neue Grippewirkstoff gut verträglich zu sein. 20,7 Prozent der Baloxavir-Patienten beschrieben unerwünschte Arzneimittelwirkungen. Patienten, die Tamiflu® oder Placebo erhielten beobachteten Nebenwirkungen häufiger, und zwar in 24,6 Prozent (Placebo) und 24,8 Prozent (Oseltamivir) der Fälle.

Schnelle Resistenzbildung unter Baloxavir?

Allerdings machten die Forscher auch eine weitere Beobachtung: Bei 9,7 Prozent der Baloxavir-Patienten entwickelten sich bereits nach einmaliger Gabe von Baloxavir Virusmutanten, die ein geringeres Ansprechen auf Baloxavir zeigten. Welche Auswirkungen diese Escape-Mutanten haben – wie infektiös sie sind, wie schwerwiegend die Grippe ist, die sie auslösen – lässt sich aktuell noch nicht abschätzen. Jedoch: Sollten diese veränderten Grippeviren ähnlich ansteckend oder krankheitserregend sein wie die „natürlichen“ Grippeviren, könnte Baloxavir schon bald seinen Nutzen verlieren.

Welche Arzneimittel gegen Grippe gibt es?

Derzeit gibt es mehrere Wirkstoffe, die zur Grippetherapie eingesetzt werden können: Amantadin, Oseltamivir in Tamiflu® und Zanamivir in Relenza® sind altbekannte Arzneistoffe. Im April dieses Jahres ließ die Europäische Arzneimittelagentur EMA einen weiteren Wirkstoff zu, Peramivir in Alpivab®. In Deutschland ist Alpivab® nicht auf dem Markt. Allerdings verfolgt Peramivir keinen neuen Wirkansatz: Peramivir zählt wie Oseltamivir und Zanamivir zu den Neuraminidasehemmstoffen. Grippeviren benötigen einen sogenannten Wirt, zum Beispiel menschliche Zellen, um sich zu vermehren. Haben sie dies erreicht, müssen sie jedoch aus der Wirtszelle auch wieder in den Blutkreislauf entlassen werden – und dafür benötigen sie die Neuraminidase. Peramivir, ebenso Oseltamivir und Zanamivir, blockieren eben diese Freisetzung von neugebildeten Viren aus der Wirtszelle und stoppen so die Verbreitung neuer Viren. Alle drei Wirkstoffe wirken sowohl gegen Influenzaviren A, als auch gegen Influenzaviren B. Hierin unterscheiden sie sich von Amantadin. 

Amantadin, auch bekannt als Anti-Parkinson-Arzneimittel, spielt mittlerweile bei Grippe kaum noch eine Rolle. Der Grund: Amantadin wirkt nur gegen Grippeviren A, gegen Influenza des Subtyps B ist Amantadin wirkungslos. Gerade in der zurückliegenden Grippesaison 2017/18 dominierten aber beispielsweise Influenzaviren B mit 69 Prozent – vor allem der Subtyp Yamagata – das Grippegeschehen. Eine weitere Einschränkung für Amantadin ergibt sich aus der Resistenzentwicklung. Stabile Resistenzen zeigen sich bereits nach fünf bis sieben Tagen einer Therapie und können auch von Mensch zu Mensch übertragen werden. Amantadin wirkt als Uncoating-Hemmstoff und greift somit in einen sehr frühen Schritt der Virusvermehrung ein. Dringen Grippeviren in die menschliche Wirtszelle ein, muss die Erbinformation der Viren zunächst freigesetzt werden. Diese Freisetzung der viralen Nukleinsäure (RNA) in der Körperzelle wird als Uncoating bezeichnet. Amantadin blockiert zudem die Freisetzung infektiöser Partikel aus der Körperzelle.