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Baloxavir marboxil – neuer Hoffnungsträger bei Grippe

Bild: sdecoret / Adobe Stock

Neue Wirkstoffe im Bereich der antiinfektiven Therapie sind immer Grund für Euphorie – seien es neue Antibiotika oder innovative Wirkstoffe gegen Hepatitis oder HIV. Auch bei Influenza ist der Arzneimittelmarkt nicht gerade üppig – und gerade in der vergangenen Grippesaison zeigte sich, wie heftig auch das Influenzavirus wüten kann: Knapp 340.000 Menschen litten in Deutschland an Grippe, 1711 Patienten verstarben. Am besten schützt fraglos eine Grippeimpfung, nur sieht es hierzulande mit der Impf-Motivation wenig gut aus. Zankapfel war seither auch immer, dass es Drei- und Vierfach-Grippeimpfungen gab, in der Regel die Kassenpatienten jedoch „nur“ mit der dreifachen Impfung geschützt wurden, während die privaten Kostenträger ihren Versicherten teilweise auch die vierfache Impfung erstatteten. Diesem Argument ist künftig der Wind aus den Segeln genommen: Ab der kommenden Saison erstattet die GKV auch ihren Patienten die Vierfach-Grippeimpfung, und auch Rabattverträge gibt es nicht mehr. 

Nicht nur bei der Impfung hat sich allerdings etwas getan, auch bei Arzneimitteln gegen Grippe könnte es einen Sprung nach vorne geben: Roche hat – in Zusammenarbeit mit dem japanischen Unternehmen Shionogi – einen neuen Wirkstoff in der Pipeline: Baloxavir marboxil. Ursprünglich entdeckt hat Shionogi den Wirkstoff, allerdings holte sich das forschende Unternehmen 2016 einen erfahrenen Pharmariesen mit ins Boot. Roche unterstützt Entwicklung und vor allem auch Zulassung von Baloxavir – und hat sich dafür die weltweiten Vermarktungsrechte gesichert. Einzige Ausnahme bilden Japan und Taiwan. In diesen asiatischen Ländern besitzt Shionogi die Exklusivrechte, in den Vereinigten Staaten hat man sich wohl auf einen Kompromiss geeinigt. Roche und Shionogi teilen sich dort die Marktechte an Baloxavir.

Wie wirkt Baloxavir marboxil?

Baloxavir verfolgt einen gänzlich neuen Wirkansatz und unterscheidet sich maßgeblich von den verfügbaren Grippe-Arzneimitteln Amantadin, Oseltamivir in Tamiflu® und Zanamivir in Relenza®. Baloxavir hemmt die CAP-abhängige Endonuklease – klingt kompliziert. Einfach ausgedrückt verhindert Baloxavir die Virusvermehrung. Und zwar blockiert Baloxavir einen der ersten Schritte der Proteinsynthese des Grippevirus, indem der Wirkstoff verhindert, dass die messenger RNA (mRNA), sprich die Matrix für die Proteinbiosynthese, entstehen kann. Dies sind sowohl Strukturproteine (Zusammensetzung des Virus), als auch Nicht-Strukturproteine (beispielsweise zum Ausschleußen des Virus).

Baloxavir bringt keine Adhärenz-Probleme mit sich

Sind Therapietreue und Adhärenz häufig angemahnte Probleme – gerade bei antibiotischen und antiviralen Therapien, da bei fehlender Therapietreue der Ressitenzbildung Vorschub geleistet wird – dürfte dies bei Baloxavir marboxil wohl kein kritischer Punkt sein: Eine einmalige Dosis von Baloxavir scheint zur Influenzatherapie zu genügen– auch bei Risikogruppen wie Asthmatikern und Senioren. Dosiert wird nach Körpergewicht. Zwei große klinische Studien am Menschen (Phase III) belegen die Wirksamkeit von Baloxavir marboxil. Getestet wurde der Wirkstoff einmal an 1436 Grippe-Erkrankten ab einem Alter von zwölf Jahren, die keine Risikofaktoren haben, und zwar gegen Placebo und Tamiflu® (Capstone-1). In der zweiten Studie (Capstone-2) litten die 2157 Grippepatienten an Begleiterkrankungen wie Asthma, Diabetes mellitus, chronischen Lungen- oder Herzerkrankungen oder waren älter als 65 Jahren. Es ist erwiesen, dass bei diesen Patienten eine Grippeinfektion schwerer verläuft als bei jungen und gesunden Menschen. Die Wissenschaftler interessierte vor allem (primärer Endpunkt von Capstone-2) die Zeit bis zu Besserung der Grippesymptome. Laut Roche hat Capstone-2 dieses Ziel erreicht – wobei konkrete Studiendaten bislang nicht veröffentlicht sind. Diese folgen jedoch zeitnah. Laut Roche wirkt Baloxavir auch bei Oseltamivir-resistenten Stämmen und Stämmen der Vogelgrippe (zum Beispiel H7N9, H5N1).

Baloxavir in Japan bereits zugelassen

Seit Februar 2018 ist Baloxavir marboxil als XofluzaTM in Japan zugelassen. Bei der FDA ist die Zulassung beantragt. Die Behörde prüft derzeit Baloxavir bei Patienten ab zwölf Jahren zur Behandlung akuter, unkomplizierter Grippe in einem beschleunigten Zulassungsverfahren. Roche – das Unternehmen wird das Arzneimittel mit vermarkten – rechnet bis 24. Dezember 2018 mit einem positiven Bescheid und folglich dem Marktzugang von Baloxavir marboxil.

Welche Arzneimittel gegen Grippe gibt es?

Derzeit gibt es drei Wirkstoffe, die zur Grippetherapie eingesetzt werden können: Amantadin, Oseltamivir und Zanamivir. Amantadin hemmt das Uncoating des Grippevirus, das bedeutet, es verhindert die Freisetzung der viralen Nukleinsäure (RNA) in der Körperzelle und blockiert zudem die Freisetzung infektiöser Partikel aus der Körperzelle. Amantadin hat – neben Parkinson – die Zulassung bei Grippe sowohl zur Prophylaxe als auch zur Therapie. Für die Behandlung einer nachgewiesenen Grippeinfektion muss Amantadin rasch eingesetzt werden, spätestens ein bis zwei Tage nachdem der Patient die ersten Symptome verspürt hat. Der Uncoating-Hemmstoff wirkt nur gegen Grippeviren A, gegen Influenza des Subtyps B ist Amantadin wirkungslos. Eine weitere Einschränkung für Amantadin ergibt sich aus der Resistenzentwicklung. Stabile Resistenzen zeigen sich schon nach fünf bis sieben Tage einer Therapie und können auch von Mensch zu Mensch übertragen werden. Bei Grippe spielt Amantadin kaum noch eine Rolle. 

Oseltamivir in Tamiflu® und Zanamivir Relenza® gehören zu den Neuraminidasehemmstoffen. Sie hemmen das Freisetzen neuer Viren aus der Körperzelle in den Blutkreislauf. Im Gegensatz zu Amantadin wirken Oseltamivir und Zanamivir gegen beide Virusgruppen A und B. Allerdings gilt auch hier: Ein frühes Beginnen der Behandlung ist das A und O. Eine Therapie muss innerhalb von zwei Tagen nach Symptombeginn starten. Tamiflu® und Relenza® sind sowohl zur Prophylaxe als auch zur Therapie von Grippe zugelassen. Tamiflu® nehmen Patienten als orale Kapsel ein, Relenza® bietet GSK in einem Inhalator an. Aktuell gibt es wenige Resistenzen.