Ein Kommentar zum „Tag der Apotheke“: Apotheke geht nicht aus dem Homeoffice
Und plötzlich kommt der Lockdown
Im März 2020 bricht der Corona-Schrecken unerwartet über uns alle herein. Überforderte Politiker erlassen Gesetze und Verordnungen, die Bevölkerung reagiert verängstigt, hilflos oder aufmüpfig verzweifelt. Virologen versuchen, Orientierung zu geben, weisen aber zugleich auf ihre Grenzen und den notwendigen Forschungsbedarf hin. Für Menschen ohne naturwissenschaftliches Hintergrundwissen ist die Corona-Politik anfangs schwer durchschaubar. Ein Virus, unsichtbar wie ein Gespenst, beherrscht uns ganz plötzlich und raubt viele unserer Freiheiten. Von einem Tag auf den anderen befinden wir uns im Lockdown. Nur Geschäfte des täglichen Bedarfs sind noch geöffnet, wir lernen das Schlagwort der „Systemrelevanz“.
Apotheken als „Übersetzer“ der Wissenschaft
Apotheken sind systemrelevant – darüber gibt es nicht den geringsten Zweifel. Von Anfang an nehmen sie ihre Rolle in der Pandemie ernst. PTA und Apotheker sind bestens darauf trainiert, die Sprache der Wissenschaft und Gesundheitspolitik verständlich zu übersetzen. Das gehört für sie zum Alltag, genauso wie das geduldige Erklären von Maßnahmen und Produkten, die Krankheiten vorbeugen und Beschwerden lindern. Ohnehin dauerhaft im Fortbildungsmodus arbeitet sich das Apothekenpersonal, unterstützt von einer aktiven Fachpresse und den Berufsorganisationen, in Windeseile in alle Fragen zur Hygiene und Virusbekämpfung ein. Als im März 2020 Handdesinfektionsmittel deutschlandweit ausverkauft sind, springen die Apotheken über Nacht ein und sorgen – nach schnell erteilter, behördlicher Genehmigung – umgehend für den benötigten Nachschub. Sie erfüllen ihren Versorgungsauftrag perfekt.
Apotheken können organisieren
Apotheken gehören auch zu den ersten Geschäften, die ihre Beratungsplätze mit Plexiglasscheiben sichern, um eine hygienisch sichere Begegnung möglich zu machen, noch bevor die Maskenpflicht einsetzt. Apropos Masken: Zu Beginn der Pandemie unternehmen Apotheken Klimmzüge, um die wenigen auf dem Markt verfügbaren Masken zu organisieren. PTA, PKA und Apotheker nähen nach Anleitungen aus dem Internet eigenhändig Stoffmasken, die ihnen aus der Hand gerissen werden, bevor neue Vertriebskanäle für Masken entstehen.
Jederzeit Beratung „live“, nicht am Bildschirm
Mindestens genauso wichtig wie Desinfektionsmittel und Masken sind in der Corona-Anfangsphase jedoch die Gespräche, die in den Apotheken stattfinden. Nein, Arzneimittelversorgung funktioniert nicht im Homeoffice. Das pharmazeutische Personal steht jederzeit an seinem Arbeitsplatz, der Apotheke, als fachkundige und einfühlsame Ansprechpartner live zur Verfügung. Kundinnen und Kunden können jederzeit, ohne Voranmeldung, ihre Sorgen ausbreiten und bekommen Antworten oder bei Bedarf auch Zuspruch und Trost.
Was in den Spitzenzeiten der Pandemie leicht in Vergessenheit gerät: Außer Corona und COVID-19 gibt es noch eine Vielzahl anderer, zum Teil lebensbedrohlicher Krankheiten, die Beschwerden und großes Leid verursachen. Auch diese Erkrankungen bzw. die betroffenen Patienten verlangen Aufmerksamkeit, sie brauchen fachkundige Beratung und Hilfe. Und sie benötigen Arzneimittel, und zwar schnell und ohne bürokratische Einengungen. Die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung räumt sinnvollerweise mehr Freiheiten ein bei der Belieferung von Kassenrezepten – und die Apotheken nutzen sie bis heute verantwortungsvoll.
Kontakte vermeiden durch Botendienst
Der in vielen Apotheken schon seit langem praktizierte Botendienst gerät durch die Pandemie in einen neuen Fokus: Dem Kunden ein Arzneimittel nach Hause zu liefern, dient ab sofort nicht nur der Bequemlichkeit, sondern hilft, Kontakte zu reduzieren und vor allem Risikopatienten keinem unnötigen Infektionsrisiko auszusetzen. Der apothekeneigene Lieferservice unterstützt also den politisch gewollten Rückzug ins eigene Haus. Der Gesetzgeber reagiert frühzeitig mit einer Vergütung des Botendienstes für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Wenn auch der Betrag inzwischen halbiert ist, so stellt er doch die Anerkennung einer wichtigen Apothekenserviceleistung dar, die zudem nicht notwendige Kontakte vermindert.
Der Masken-Verteil-Service
Im Januar und Februar 2021 bekommen die Apotheken von Bundesgesundheitsminister Spahn persönlich eine Exklusivaufgabe zugewiesen: die Verteilung von FFP2-Masken an spezielle Risikogruppen, in der Regel Menschen über 60. Die Menschen drängen sich – meist jedoch diszipliniert im gebührenden Corona-Abstand – vor den Apotheken. Viele haben Extraschalter eingerichtet für die Einlösung der amtlichen Masken-Gutscheine und erweisen sich auch diesmal als hervorragende Manager einer staatlichen Versorgungsleistung.
Das Impfstoff-Management
Ebenfalls zu Jahresbeginn 2021 beginnen die Impfaktionen – auch hier erfüllen viele PTA und Apotheker in den Impfzentren schnell und fachkundig ihre Aufgaben bei der Rekonstitution der Impfstoffe. Viele Apotheken gehören zu den Ersten, die eigene Schnellteststationen, zum Beispiel in Zelten außerhalb der Offizin, einrichten. Und ja, die lang erwarteten Selbsttests kommen auch in den Handel. Schleppend und zögerlich, aber immerhin. Wie viele Apotheken dabei am Anfang Hilfestellung leisten, darüber gibt es weder Statistiken noch Berichte. Doch mit Sicherheit ist das Apothekenpersonal wie immer hilfsbereit und auskunftsfreudig, wenn die Menschen mit ihren Corona-Sorgen und Testnöten in der Offizin stehen.
Die Leistungen bleiben oft unsichtbar
Seit mehr als vierzehn Monaten hat uns die Pandemie nun im Griff. Viele Bereiche unseres Lebens haben sich stark verändert, wir müssen uns in Geduld üben und weiterhin Belastungen in Kauf nehmen. Festzuhalten bleibt jedoch: Die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs funktioniert – mit Schmunzeln denken wir heute an die anfänglichen Engpässe bei Toilettenpapier, Hefe und Mehl sowie die leergefegten Nudelregale in den Supermärkten. Lebensnotwendige Arzneimittel stehen jedoch immer und jederzeit zur Verfügung – inklusive zeitnaher Beschaffung und Verteilung, individueller Beratung und, wenn erforderlich, unkomplizierter Lieferung bis ins Haus. Die ausgeklügelte Arzneimittellogistik bleibt für den Verbraucher in der Regel unsichtbar – und stellt doch eine Meisterleistung dar. Wie meisterlich sie funktioniert, zeigt sich momentan gerade wieder einmal an der Verteilung der Impfstoffe an die Hausarztpraxen. Wenn hier etwas ins Auge fällt, dann ist es die zu kleine Menge an Impfstoffen, aber nicht der Lieferweg.
Keinesfalls alles selbstverständlich
Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas bzw. eine Lupe, die Verborgenes ans Licht bringt – diesen plakativen Vergleich liest und hört man immer wieder. Was ist damit gemeint? Für das Auge kaum Sichtbares wird vergrößert und offenbart seine Eigenheiten. Schwachstellen werden ebenso erkennbar wie Stärke und Schönheit. Betrachten wir die Leistungen der Apotheke einmal mit der Lupe, also einer Vergrößerungshilfe – was sehen wir dann?
Leistungen der Apotheke vor Ort
- Die Apotheken sind von Beginn der Pandemie an wichtige Anlaufstellen für die Bevölkerung zu allen Fragen der Gesundheit, insbesondere auch zur Hygiene und Prävention.
- Apotheke geht nicht im Homeoffice: PTA und Apotheker sind stets kompetente Ansprechpartner, die „live“ und ohne Voranmeldung zur Verfügung stehen.
- Die Apotheken stellen die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Waren zu jedem Zeitpunkt sicher und tragen dazu bei, Kontakte zu reduzieren.
- Die Apotheken schenken Patienten mit Krankheiten aller Art Aufmerksamkeit und unterstützen sie mit ganzer Kraft.
- Viele Apotheken erweitern ihre Serviceleistungen und nehmen auf kreative Weise neue Herausforderungen an.
- Die Apotheken füllen bei der Belieferung von Kassenrezepten die Corona-Sonderregeln verantwortungsvoll mit Leben.
- Apotheken verteilen innerhalb kurzer Zeit mehr als 257 Millionen FFP2-Schutzmasken im Auftrag der Bundesregierung an berechtigte Personen.
- Pharmazeutisches Personal beteiligt sich in den Corona-Impfzentren an der Bereitstellung und Rekonstitution der Impfstoffe und liefert empfindliche Impfstoffe sachgerecht an die Hausarztpraxen.
- PTA und Apotheker führen vielerorts Corona-Schnelltests durch.
- Öffentliche Apotheken sind auch in Pandemiezeiten mit Notdiensten nachts und an Feiertagen für die Bevölkerung vor Ort erreichbar.
Wo brennt es?
Wenn wir die Lupe nicht zur Vergrößerung, sondern als Brennglas benutzen, so entdecken wir allerdings auch Punkte, an denen es zukünftig brennen könnte (oder der Funke schon glimmt): Wie überall im Gesundheitswesen mangelt es häufig an Personal. Die Tarifgehälter spiegeln die Tatsache, dass Apothekenberufe in der Regel Frauenberufe sind. Und Frauenberufe stehen am unteren Ende der Lohnskala. Immerhin haben viele Apothekenleiter ihren Angestellten im letzten Jahr einen (steuerfreien) Corona-Bonus bezahlt.
Großen Nachholbedarf hat die Apotheke auch in Sachen Öffentlichkeitsarbeit und selbstbewusstem Auftritt. Viele Apotheker und PTA halten die oben aufgezählten Leistungen während der Pandemie womöglich für selbstverständlich. Aus dem Verständnis des Heilberufs heraus mögen sie es durchaus sein. Das darf aber nicht dazu führen, sie klein zu reden oder gar nicht darüber zu sprechen. Nur wer seinen Leistungen selbst einen hohen Wert beimisst, wer sie offensiv und stolz kommuniziert, wird die Wertschätzung und Anerkennung erhalten, die er sich wünscht. Hier gibt es noch viel zu tun!
Der diesjährige „Tag der Apotheke“ am 7. Juni sollte Anlass sein, die herausragenden Leistungen der öffentlichen Apotheken in ihrem Mehrwert für die Gesellschaft deutlich herauszustellen und nach außen zu tragen. „Tue Gutes und rede darüber“ – wenn nicht jetzt, wann dann?