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Stiftung Warentest kritisiert Nebenwirkungen: Viele Verhütungsmittel sind ungeeignet

Welche Verhütungsmittel sind wirklich sicher und geeinet? | Bild: methaphum / Adobe Stock

In den 1960er-Jahren revolutionierte die Antibabypille sexuelle Verhütung und Familienplanung – mittlerweile stehen Frauen der hormonalen Verhütung zurückhaltender gegenüber, vor allem jüngere. Die BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) ermittelte in einer repräsentativen Umfrage 2019, dass zwar noch immer 47 Prozent der Deutschen zur Verhütung auf die Pille setzen, diese kontrazeptive Methode jedoch mit 6 Prozentpunkten weniger als noch 2011 an Beliebtheit eingebüßt hat, von den 18- bis 20-Jährigen nutzten 2019 sogar 16 Prozent weniger die Pille als noch 2011. Viele fürchten, dass jahrelange hormonale Verhütung sich negativ auf die Gesundheit auswirken kann.

Nur 58 von 141 Verhütungsmitteln sind geeignet

Stiftung Warentest hat den heutigen Verhütungsmarkt genauer inspiziert, um Tipps für eine sichere und verträgliche Verhütung abzuleiten. 141 Präparate analysierte die Verbraucherschutzorganisation – Pille, Verhütungsring und -pflaster, Implantate, Dreimonatsspritzen und Spiralen. Mehr als die Hälfte hält Stiftung Warentest für „ungeeignet“. Warum? 

Weniger die Wirksamkeit, eher die Verträglichkeit besorgt Stiftung Warentest – bei hormonalen Methoden vor allem das Risiko für Thrombosen. Dieses ist jedoch nicht für jede Pille gleich hoch – so gehen Pillen mit den Gestagenen Drospirenon, Gestoden oder Desogestrel mit einem höheren Thromboserisiko einher, als wenn Frauen kombinierte hormonale Kontrazeptiva mit Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat anwenden. Folglich bewertet Stiftung Warentest auch nur Verhütungspräparate mit einem geringen Estrogenanteil und Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat als Gestagenkomponente als „geeignet“. Noch geringer sei das Thromboserisiko bei reinen Gestagenpräparaten – Minipille –, doch erfordere dies „Disziplin“, da nicht mehr als 27 Stunden zwischen den Einnahmezeitpunkten liegen dürften. Auch können Depressionen als Nebenwirkung hier zum Problem werden. 

Thromboserisiko unter hormonalen Kontrazeptiva

Bereits 2013 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeinsam mit anderen europäischen Arzneimittelbehörden und der EMA (Europäische Arzneimittelagentur) Nutzen und Risiken hormonaler Kontrazeptiva zur Schwangerschaftsverhütung bewertet. Es ging um die Gefahr venöser Thromboembolien unter den einzelnen Wirkstoffen, wobei vor allem kombinierte Präparate berücksichtigt wurden – Pille, hormonhaltige Pflaster und Ringe. Die Behörden fanden, dass bei allen kombinierten hormonalen Kontrazeptiva (KHK) der Nutzen die Risiken überwiegt – das Risiko einer Thromboembolie sei gering, vor allem die Gestagenkomponente beeinflusse die Thrombosegefahr. 

Während zwei von 10.000 Frauen ohne hormonale Verhütung innerhalb eines Jahres eine Thromboembolie erleiden, sind es mit hormonaler Kontrazeption – je nach Gestagen – fünf bis zwölf von 10.000 und pro Jahr.

Hier eine Übersicht über die Thromboembolien-Anzahl innerhalb eines Jahres bei ...

  • nicht schwangeren Frauen ohne hormonale Verhütung: etwa 2 von 10.000 Frauen,
  • Frauen unter kombinierter hormonaler Verhütung mit Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat: etwa 5 bis 7 von 10.000 Frauen.
  • Frauen unter kombinierter hormonaler Verhütung mit Etonogestrel oder Norelgestromin: etwa 6 bis 12 von 10.000 Frauen.
  • Frauen unter kombinierter hormonaler Verhütung mit Dienogest: etwa 8 bis 11 von 10.000 Frauen.
  • Frauen unter kombinierter hormonaler Verhütung mit Drospirenon, Gestoden oder Desogestrel: Etwa 9 bis 12 von 10.000 Frauen.
  • Frauen unter kombinierter hormonaler Verhütung mit Chlormadinon oder Nomegestrol: noch nicht bekannt. Quelle: https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/KOK/_node.html 

Ring und Pflaster – wie Pille, nur mit höherem Risiko

Kein Fan ist Stiftung Warentest von hormonaler Verhütung mittels Pflaster oder Vaginalring. Beide Methoden erachten die dortigen Arzneimittelexperten für ungeeignet, da es Hinweise auf ein höheres Thromboserisiko als unter der Pille gebe. Zudem könnten Hautreizungen beim Pflaster und Scheidenentzündungen beim Vaginalring als Nebenwirkungen auftreten. Bayer forscht derzeit an einem vaginalen Verhütungsring, der hormonfrei funktionieren soll.

Sind Spiralen geeignet?

Spiralen stufen die Arzneimittelexperten von Stiftung Warentest als zuverlässig ein, dabei können Frauen sich für Kupfer-haltige oder Levonorgestrel-haltige Spiralen entscheiden. Die verhütende Wirkung kommt durch eine Veränderung der Gebärmutterschleimhaut zustande, die verhindert, dass die Eizelle befruchtet wird oder sich einnistet. Das Thromboserisiko sei durch Spiralen nicht erhöht, vor allem für Frauen mit Kindern eignet sich die Verhütungsmethode nach Ansicht von Stiftung Warentest, da sie auf eine längere Anwendung ausgelegt sei und zudem Beckenentzündungen verursachen könnte, die die Fruchtbarkeit beeinflussen könnten.

Finger weg von Dreimonatsspritzen?

Sollte man Dreimonatsspritzen lieber sein lassen? Ganz so streng formuliert es Stiftung Warentest nicht, allerdings denken die Arzneimittelexperten, dass sich eine Dreimonatsspritze zur Verhütung nur für wenige Frauen eignet. Bei einer Dreimonatsspritze wird das Gestagen Medroxyprogesteron als Depot in den Gesäßmuskel gespritzt, es verhindert den Eisprung und den Aufbau der Schleimhaut, sodass keine Einnistung stattfinden könne. Eine Dreimonatsspritze sollten nur Frauen anwenden, die keine andere Verhütungsmethode vertragen, da der Wirkstoff die Knochendichte reduziere, zudem dauere es bei der Hälfte der Anwenderinnen nach Absetzen zehn Monate, bis eine Schwangerschaft wieder möglich würde. Das Thromboserisiko sei nicht abschließend bewertet.

Implantat: Risiko des „Wanderns“

Nicht ganz unkritisch bewerten die Arzneimittelexperten von Stiftung Warentest hormonhaltige Implantate, und das vor allem aus zwei Gründen: Wie auch bei Dreimonatsspritzen lasse sich das Thromboembolierisiko nicht sicher einordnen, doch vor allem die Entfernung des Stäbchens mache erfahrungsgemäß immer wieder Scherereien: „Das Hormon-haltige Stäbchen sitzt mitunter nicht immer dort, wo es implantiert wurde“, begründet Stiftung Warentest. Es wandere und müsse aufgespürt werden – denn so lange könne die Frau nicht schwanger werden. Und auch die möglichen Nebenwirkungen hielten über diese Zeit sodann an.

Ohne Hormone

Zur Verhütung kann auch auf Barrieremethoden wie Kondome, Diaphragmen oder Femidome zurückgegriffen werden. Vorteil ist, dass alle hormonfrei funktionieren. Kondome verhindern zudem bei korrekter Anwendung die Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten. Laut der Umfrage der BZgA von 2019 rangieren Kondome in der Beliebtheit nur knapp hinter der Pille. Allerdings stieg der Zuspruch. Der Anteil der Kondomnutzer lag 2019 bei 46 Prozent und ist damit seit 2011 um 9 Prozent gewachsen. Geeignet findet Stiftung Warentest auch Diaphragmen, diese könnten mit Contragel grün kombiniert werden. Das rezeptfreie Gel dichte den Sitz des Diaphragmas zusätzlich ab und reduziere die Beweglichkeit der Spermien. Femidom, das Kondom für die Frau, hingegen sei komplizierter anzuwenden, anders als ein Diaphragma wird es außerhalb der Scheide platziert.

Wenn es natürlich sein soll …

… ist nach Ansicht von Stiftung Warentest die symptothermale Methode die „sicherste, aber auch aufwendigste“ Verhütungsart. Die Frau misst dabei ihre Körpertemperatur sowie Menge und Beschaffenheit des Zervixschleims. Unsicherer sei die Kalendermethode, wenn anhand der letzten Zyklen auf die fruchtbaren Tage extrapoliert wird. Denn auch regelmäßige Zyklen unterliegen Schwankungen.