Blasenentzündung
Wissen am HV
8 min merken gemerkt Artikel drucken

Prävention einer rezidivierenden Zystitis

Frau auf Sofa hält Hände vor den schmerzenden Unterbauch
Wie kann man einer wiederkehrenden Blasenentzündung vorbeugen? | Bild: New Africa / AdobeStock

Erkranken Patienten innerhalb von sechs Monaten an mindestens zwei Harnwegsinfektionen (HWI) oder im Zeitraum von einem Jahr an mindestens drei Harnwegsinfektionen, leiden sie an einer re­zi­di­vierenden Harnwegsinfektion. Lästig und schmerzhaft – was tun? 

Beugt „viel trinken“ wirklich rezidivierenden Harnwegsinfektionen vor? Und welche prä­ventiven Maßnahmen helfen, wiederkehrende Blasenentzündungen zu verhindern? 

Mit diesen Fragen haben sich auch die Autoren der im Juli 2024 aktualisierten „S3-Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen (HWI)“ beschäftigt. Aktuell liegt noch die Konsultationsfassung vor, im August 2024 soll die Leitlinie final erscheinen. Welche vorbeugenden Maßnahmen kommen infrage?

Wenig Trinkende sollten Trinkmenge erhöhen

Menschen mit wiederkehrenden Harnwegsinfektionen, die wenig trinken – und zwar höchstens 1,1 Liter am Tag – könnten davon profitieren, wenn sie täglich 1,5 Liter mehr trinken. 

In einer randomisierten Studie litten die Patienten durch die erhöhte Trinkmenge an durchschnittlich 1,5 Harnwegs­infektionen weniger im Jahr. Zudem verlängerte sich ihre beschwerdefreie Zeit und sie konnten den Einsatz von Antibiotika reduzieren. 

Angesichts des „minimalen Schadenspotenzials“ sei deswegen Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten in der Vorgeschichte (und ohne indizierte Flüs­sigkeitsrestriktion) eine Flüssigkeitszufuhr von etwa 2,5 Litern pro Tag zu empfehlen, wovon mindestens 1,5 Liter Wasser sein sollen, so die Leitlinienautoren. 

Am besten teilten die Patientinnen diese Gesamttrinkmenge auf sechs bis acht Becher à 350 ml auf, um sich über den gesamten Tag ausreichend mit Flüssigkeit zu versorgen.

Bei rezidivierenden HWI: Uro-Vaxom® vor Antibiose

Neben diesen Verhaltensmaßnahmen raten die Experten noch zu einem Immunprophylaktikum: Frauen mit häufigen Harnwegsinfektionen sollten zunächst das verschreibungspflichtige OM-89 (Uro-Vaxom®) oral anwenden, bevor sie eine antibiotische Langzeitprophylaxe durchführen. 

Zur Erinnerung: Was ist Uro-Vaxom®?

 Uro-Vaxom® beinhaltet 6 mg lysierte immunaktive Fraktionen aus ausgewählten Escherichia-coli-Stämmen, die die lokale Immunantwort im Bereich der Harnwege stimulieren.

Diese E.-coli-Stämme sind hauptverantwortlich für rezidivierende Blasenentzündungen. Gemäß Packungsbeilage wird zur Grundimmunisierung drei Monate lang täglich eine Kapsel eingenommen. 

Nach einem dreimonatigen therapiefreien Intervall wird eine Auffrischung empfohlen, für die dreimal zehn Tage im Abstand von je 20 Tagen eine Kapsel Uro-Vaxom® täglich eingenommen wird. Autorin: Daniela Hallaschka 

In placebokontrollierten Studien hatten unter Uro-Vaxom® 52,6 bis 87,5 % der Frauen harnwegsinfektionsfreie Raten und ließ sich bei 81,3 bis 96,3 % der Patientinnen sechs Monate nach Behandlung keine Bakteriurie feststellen. 

Unter Placebo war die harnwegsinfektionsfreie Rate hingegen geringer, bei lediglich 50 %, und keine Bakteriurie hatten ebenfalls weniger Frauen, nämlich nur 61,3 bis  88,6 %.

Gut zu wissen: Studien zu neuem Immunprophylaktikum

Derzeit laufen Phase-II - / - III-Studien zu einem weiteren Immunprophylaktikum: MV140 beziehungsweise Uromune. Das polybakterielle Präparat, das der Hersteller als sublinguales Spray konzipiert hat, enthält jeweils gleiche Teile der vier Bakterienstämme: Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Enterococcus faecalis und Proteus vulgaris.

Positive Daten gibt es bereits aus einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie (Parallelgruppendesign)NEJM Evidence: „Sublingual MV140 for Prevention of Recurrent Urinary Tract Infections" : Verglichen mit Placebo verhinderte Uromune über neun Monate eine Harnwegsinfektion, während Frauen unter Placebotherapie im Median in diesem Zeitraum drei Harnwegsinfektionen durchlitten. Auch waren Frauen nach dreimonatiger Uromune-Therapie über 275 Tage frei von HWI, unter Placebo kam es bereits nach 48 Tagen (Median) erneut zu einer Harnwegsinfektion. 

Im April dieses Jahres untersuchten UrologenEuropean Association of Urology: Oral vaccine for UTI is potential alternative to antibiotics, finds 9-year study , wie lange der protektive Effekt von Uromune anhält. Das Ergebnis: Auch neun Jahre nach einer dreimonatigen Therapie war etwa die Hälfte der Patienten (54 %) frei von Harnwegsinfektionen. Im Durchschnitt trat die erste Harnwegsinfektion nach etwa viereinhalb Jahren (54,7 Monate) auf. Die Patienten berichteten auch über keine schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen des Präparats.

Uromune ist in Deutschland derzeit nicht zugelassen.

D-Mannose bei rezidivierenden HWI nur Kann-Empfehlung

Die Datenlage zu Mannose ist kontrovers, daher sprechen die Leitlinienautoren eine Kann-Empfehlung für Mannose aus: Man könne D-Mannose bei wiederkehrenden Blasenentzündungen anbieten, „um eine antibiotische Langzeittherapie möglicherweise zu vermeiden“. 

Helfen Cranberrys bei wiederkehrender Blasenentzündung?

Auch zu Cranberrys gibt es Pro- und Contra-Daten. Vor allem scheint es eine Rolle zu spielen, wer mit den pflanz­lichen Produkten eine Harnwegsinfektion vermeiden will: Schwangere, Bewohner von Heimen und Patienten mit neurogener Blasenfunktionsstörung scheinen „womöglich“ nur gering oder nicht zu profitieren, „wohingegen Cranberry-Produkte wahrscheinlich bei Frauen mit wiederkehrenden Harnwegsinfektionen, bei Kindern und bei Personen mit einer Anfälligkeit für Harnwegsinfektionen aufgrund einer Intervention das Harnwegsinfektionsrisiko verringerten“, schreiben die LeitlinienautorenWilliams G et al.: Cranberries for preventing urinary tract infections. Cochrane Database Syst Rev 2023;4(4):Cd001321 

Und weiter: „Aufgrund des günstigen Nutzen-Schaden-Verhältnisses sind Cranberrys nach entsprechender Aufklärung der Patienten über noch ausstehende eindeutige klinische Belege durchaus zu empfehlen.“ Allerdings fehlen derzeit Empfehlungen zu Behandlungsdauer, Dosierung und Darreichungsform.

Angocin® Anti Infekt N: Nicht zur längeren Prophylaxe geeignet

In einer etwa 100 Personen starken Studie Albrecht U, Goos KH, Schneider, B.: A randomised, double-blind, placebo-controlled trial of a herbal medicinal product containing Tropaeoli majoris herba (Nasturtium) and Armoraciae rusticanae radix (Horseradish) for the prophylactic treatment of patients with chronically recurrent lower urinary tract infections. Curr Med Res Opin 2007; 23(10):2415-2422  konnte Angocin® Anti Infekt N verglichen mit Placebo punkten: Nach drei Monaten Behandlung (je zwei Tabletten morgens und abends) sank die Rate an Harnwegsinfektionen in der Verumgruppe auf 0,43, in der Placebogruppe lediglich auf 0,77. 

Positiv schnitten in einzelnen StudienIQWiG, Blasenentzündung: Helfen pflanzliche Mittel bei wiederkehrender Blasenentzündung? Health Technology Assessment im Auftrag des IQWiG. HTA-Nummer: HT20-01, Version; 1.0, Stand: 24.02.2022. IQWiG-Berichte – Nr. 1300 https://www.iqwig.de/download/ht20-01_pflanzliche-mittel-bei-blasenentzuendung_hta-bericht_v1-0.pdf. 2022b  auch Präparate ab, die Bärentraubenblätter und Birke oder Bären­trau­ben­blätter und Löwenzahn oder Liebstöckelwurzel, Ros­marin­blätter und Tausendgüldenkraut (Zusatznutzen in Kombination mit Antibiotika) kombinieren. 

Die Leit­linienautoren weisen jedoch darauf hin, dass nur wenige Daten zu den Endpunkten gesundheitsbezogene Lebens­qualität, Entwicklung komplizierter Infekte, spezifische Symptome und Mor­talität vorlägen und sich pflanzliche Harnwegsdesinfizienzien mit Bärentraubenblättern nicht für eine längere Prophylaxe (> 1 Monat) eigneten.

Bei Harnwegsinfektionen GAG-Schicht reparieren?

Die Blasenwandschutzschicht baut sich aus Glykosaminoglykanen (GAG-Schicht), vor allem Chondroitinsulfat, sowie aus Heparin und Hyaluronsäure auf. Die GAG-Schicht verhindert, dass Bakterien sich anheften können, und aktiviert zudem das Immunsystem. 

Die intravesikale Substitution von Bestandteilen der GAG-Schicht konnte positive ErgebnisseDamiano R et al.: Prevention of recurrent urinary tract infections by intravesical administration of hyaluronic acid and chondroitin sulphate: a placebo-controlled randomised trial. Eur Urol [Internet] 2011;59(4):645-651 , was die Rezidivrate bei HWI angeht, erzielen: 48 % Rezidivrate in der Gruppe, die wöchentlich eine intravesikale Installation mit 1,6 % Hyaluronsäure und 2,0 % Chondroitinsulfat erhalten hatte, verglichen mit 100 % Rezidivrate in der Placebogruppe.

Nicht zu vernachlässigen sei jedoch laut Leitlinienautoren das Infektionsrisiko durch das Katheterisieren ebenso wie mögliche Störungen der natürlichen Blasenwandschicht durch den Eingriff. Auch bemerken die Leitlinienautoren, dass „bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen kein GAG-Mangel nachgewiesen wurde“.

Blasenentzündung: Welchen Einfluss haben Ernährung und Lebensstil?

Eine kleine StudieKontiokari T et al.: Dietary factors protecting women from urinary tract infection. Am J Clin Nutr 2003;77(3):600-604  mit prämenopausalen Frauen zeigte, dass sich durch das regelmäßige Trinken von Beeren-Fruchtsäften und dem Verzehr (mindestens dreimal pro Woche) von fermentierten Milchprodukten das Risiko für eine erneute Blasenentzündung verringern ließ.

Gut ist auch, kein starkes Übergewicht zu haben, denn: Menschen mit einem BMI > 30 kg/m2 haben ein 2,5- bis 5-fach höheres Risiko für HarnwegsinfektionenBarber J: Obesity is associated with urinary tract infection. Urology 2012;79:266-269 

Auch chronische Verstopfung erhöhte in einer Studiehu M et al.: Behavioral and dietary risk factors of recurrent urinary tract infection in Chinese postmenopausal women: a case-control study. J Int Med Res 2020;48(3): 300060519889448  mit post­menopausalen Frauen das Risiko für eine Harnwegsinfek­tion, ebenso wie das Abwischen nach dem Stuhlgang von hinten nach vorne. Das Risiko für eine Blasenentzündung erhöhte zudem, wer mehr als zwei Stunden täglich einer sitzenden Tätigkeit nachging.

Laut einer offenen StudieBaerheim A, Laerum E: Symptomatic lower urinary tract infection induced by cooling of the feet. A controlled experimental trial. Scand J Prim Health Care 1992;10(2):157-160  verstärken kalte Füße eine Blasenentzündung. Nach 55 Stunden gezielter Abkühlung zeigten Frauen mit wiederkehrender Blasenentzündung typische Symptome – ohne kalte Füße jedoch nicht. 

Keinen Einfluss scheinen die Art der Menstruationshygiene, Strumpfhosen, Fahrradfahren oder die Partnerhygiene zu haben (Fall-Kontroll-Studien). 

Hingegen erhöhen sowohl die Rate an Genitalkontakten als auch die Nutzung von mit Spermiziden beschichteten Kondomen und Diaphragmen die Gefahr für eine Blasenentzündung um das Zwei- bis 14-Fache.

Vier Präparate zur Rezidivprophylaxe von Harnwegsinfektionen

Auf diese Verhaltensmaßnahmen gehen die Leitlinienautoren jedoch nicht näher ein. Und so dürften abschließend vor allem vier Präparate – mit dem potenziell bald zugelassenen MV-140 auch fünf – übrig bleiben, wenn es um die antibiotikafreie Rezidivprophylaxe von Harnwegsinfektionen geht: Cranberries, Uro-Vaxom® (und eventuell bald Uromune) sowie D-Mannose und GAG-Schicht-Substituenten – Letztere mit potenziellem Infek­tionsrisiko. 

Die Leitlinie erwähnt zudem das chemische Harnwegsdesinfiziens Methenaminhippurat, das ist jedoch in Deutschland gegenwärtig nicht verfügbar.

Zurück