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Keine Mannose bei rezidi­vierenden Harnwegs­infekten?

Junge Frau hält Hand auf schmerzenden Unterleib
Die Wirksamkeit von D-Mannose bei wiederkehrenden Blasenentzündungen ist nicht eindeutig erwiesen. | Bild: New Africa / AdobeStock

Bei mindestens zwei Harnwegsinfektionen (HWI) innerhalb von sechs Monaten oder mindestens drei Harnwegsinfektionen, die innerhalb eines Jahres auftreten, liegt definitionsgemäß eine rezidivierende Harnwegsinfektion vor. Lassen sich wiederkehrende Blasenentzündungen mit Mannose vermeiden? Die Datenlage ist kontrovers.

Alte Leitlinie rät zu Mannose bei Harnwegsinfektionen

In der bereits 2021 abgelaufenen Leitlinie „Interdisziplinäre S3 Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten“ schreiben die Leitlinienautoren, dass „bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau … Mannose empfohlen werden“ könne. 

Ihre Empfehlung stützten sie auf eine unizentrische, prospektive und offene Studie an 98 Patientinnen mit wiederkehrenden Harnwegsinfektionen. In dieser senkten 2 g Mannose täglich die Rate an Harnwegsinfektionen verglichen mit Placebo signifikant und waren ähnlich wirksam wie das Antibiotikum Nitrofurantoin – bei signifikant weniger Nebenwirkungen(„World Journal of Urology“: „D-mannose powder for prophylaxis of recurrent urinary tract infections in women: a randomized clinical trial“, 2014) .

Mannose versagt in einer neuen Studie

Bei einer im April 2024 im Fachjournal „Women’s Health“(„d-Mannose for Prevention of Recurrent Urinary Tract Infection Among Women“)  veröffentlichten multizentrischen, doppelblinden Studie an 598 Frauen (Alter zwischen 19 und 93 Jahren) mit wiederkehrenden Harnwegsinfektionen kommen die Wissenschaftler zu einem anderen Schluss:

 „Mannose sollte nicht zur Vorbeugung von wiederkehrenden Harnwegsinfektionen empfohlen werden.“

Fachjournal „Women’s Health“: „d-Mannose for Prevention of Recurrent Urinary Tract Infection Among Women“

Denn: Die tägliche Einnahme von Mannose konnte die Rate an Harnwegsinfektionen nicht besser reduzieren als Placebo (in diesem Fall Fructose). 

Die Studie hatte die Wirksamkeit von Mannose (303 Frauen) in einer täglichen Dosis von 2 g gegenüber Placebo (295 Frauen) über einen Zeitraum von sechs Monaten untersucht. Die Studienautoren werteten die Daten von 294 Frauen in der Mannose- und von 289 Frauen in der Placebogruppe aus. 

Unter Mannose hatten 150 (51 Prozent) der Teilnehmerinnen und unter Placebo 161 (55,7 Prozent) der Teilnehmerinnen weitere klinisch vermutete Harnwegsinfektionen, weswegen sie in ambulanter Behandlung waren. 

Die Anzahl der verordneten Antibiotika unterschied sich ebenfalls nicht zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Auch scheint die Wirksamkeit von Mannose in der Prävention von Blasenentzündungen unabhängig vom Alter der Frau, da auch eine separate Auswertung von prä- und postmenopausalen Frauen das Ergebnis nicht veränderte. 

Neue Leitlinie wird im August erwartet

Welche Daten lassen sich sonst heranziehen, um zu bewerten, ob Mannose nun bei wiederkehrenden Harnwegsinfektionen hilft oder nicht? 

Im August 2024 soll die überarbeitete „S3-Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen (HWI)“ erscheinen, eine Konsultationsfassung liegt bereits vor. 

Raten die Leitlinienexperten immer noch zu Mannose in der Prävention von wiederkehrenden Harnwegsinfektionen? Die Datenlage ist wohl nach wie vor ambivalent.

Datenlage zu Mannose insgesamt kontrovers

In einem Review(„American Journal of Obstetrics and Gynecology“: „D-mannose vs other agents for recurrent urinary tract infection prevention in adult women: a systematic review and meta-analysis“, 2020)  mit 390 Patienten konnte D-Mannose wiederkehrende Harnwegsinfektionen verglichen mit Placebo wirksam verhindern und war vergleichbar wirksam wie das Antibiotikum Nitroxolin. Die Mannose wurde gleichzeitig gut vertragen und nur wenige Patienten erlitten eine Diarrhö.  

2021 erschien ein weiterer Review(„European Urology Focus“: „Role of D-Mannose in the Prevention of Recurrent Urinary Tract Infections: Evidence from a Systematic Review of the Literature“, 2021)  mit 695 Patienten: D-Mannose verbesserte die Lebensqualität der Patienten, verringerte signifikant rezidivierende Harnwegsinfektionen sowohl bei Katheterträgern als auch bei Patienten ohne Katheter und verlängerte zudem die Zeit, in der die Patienten keine Blasenentzündung erlitten: „D-Mannose kann als ergänzende oder alternative Behandlung bei wiederkehrenden Harnwegsinfektionen verwendet werden“, fanden die Studienautoren damals.

Neben diesen positiven Daten zu Mannose existiert jedoch auch ein Cochrane-Review(„D‐mannose for preventing and treating urinary tract infections“)  aus dem Jahre 2022, demzufolge es nicht genügend Belege dafür gibt, dass Mannose wiederkehrenden Harnwegsinfektionen vorbeugt. Eingeschlossen waren 719 Patienten.

Neue Leitlinie: Kann-Empfehlung für Mannose

Die Autoren der neuen und in Kürze erscheinenden Leitlinie zu Harnwegsinfektionen nennen D-Mannose mit 2 g täglich in der Rubrik „empfohlene empirische alternative, nicht-antimikrobielle Präventionsoptionen bei rezidivierender Zystitis für Frauen ohne sonstige Begleiterkrankungen“. 

Man könne unter anderem D-Mannose bei wiederkehrenden Blasenentzündungen anbieten, um eine „antibiotische Langzeittherapie möglicherweise zu vermeiden“. Ihr Empfehlungsgrad ist C („Kann-Empfehlung“).