Hilft D-Mannose bei Blasenentzündung?
Es klang eigentlich nach einer guten Nachricht, als das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Ende vergangenen Jahres verkündete, durchaus Potenzial in der Therapie von wiederkehrenden Blasenentzündungen mit Cranberry-Präparaten zu erkennen. Das IQWiG erkannte schließlich in der Vorbeugung von wiederkehrenden unkomplizierten Harnwegsinfektionen einen Nutzen von Cranberry, allerdings nicht in der Linderung der Symptome von leichten wiederkehrenden Harnwegsinfektionen. Die Aussage wurde dadurch weiter eingeschränkt, dass mehr als die Hälfte der in die Bewertung eingeflossenen Cranberry-Monopräparate aus den Studien nicht auffindbar gewesen, zu unklar beschrieben oder nicht (mehr) erhältlich seien.
Für eine konkrete (evidenzbasierte) Empfehlung in der Apotheke reichen diese Erkenntnisse also nicht aus. Als weitere mögliche pflanzliche Alternative zur Vorbeugung wiederkehrender Blasenentzündungen wurde vom IQWiG jedoch ein Präparat aus Liebstöckelwurzel, Rosmarinblättern und Tausendgüldenkraut genannt. Das IQWiG bezog sich auf eine Studie, in der Canephron® N in Kombination mit Ofloxacin gegen Ofloxacin allein verglichen wurde.
Was empfehlen die Leitlinien bei Harnwegsinfektionen?
Wer sich in der S3-Leitlinie zu unkomplizierten, bakteriellen, ambulant erworbenen Harnwegsinfektionen von Erwachsenen informieren möchte, findet auch dort momentan keine Empfehlung für Cranberry.
Auch zu den „pflanzlichen Aquaretika wie Birkenblätter, Brennesselkraut, chinesische Kräuter, Gartenbohnenhülsen, Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel, Orthosiphonblätter, Liebstöckelwurzel mit Rosmarin und Tausendgüldenkraut, Petersilienkraut und -wurzel, Queckenwurzelstock, Schachtelhalmkraut und Wacholderbeeren (wegen möglicher Nierenschädigung keine Langzeitprävention)“ lägen bisher keine Studien zur Langzeitprävention mit validen Daten vor. Die Leitlinie ist jedoch abgelaufen und soll bis September 2023 überarbeitet werden.
Die (nicht evidenzbasierte) S1-Leitlinie zu „Brennen beim Wasserlassen“ ist hingegen noch bis Juli 2023 gültig, kann jedoch ebenfalls keine Empfehlung für Cranberry ausstellen. Bei den nicht antibiotischen Behandlungsmöglichkeiten heißt es: „Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau kann Mannose empfohlen werden. Alternativ können verschiedene Phytotherapeutika (z. B. Präparate aus Bärentraubenblättern (max. 1 Monat), Kapuzinerkressekraut, Meerrettichwurzel) erwogen werden.“ Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) stuft Bärentraubenblätter jedoch nur als „traditionelles pflanzliches Arzneimittel“ ein.
Letztere Empfehlung aus der noch gültigen Leitlinie steht 1:1 so auch in der abgelaufenen Leitlinie zu Harnwegsinfektionen, womit der kleinste gemeinsame Nenner in der Vorbeugung von Blasenentzündungen wohl die Mannose ist:
2 g Mannose pro Tag in einem Glas Wasser senkte in einer unizentrischen dreiarmigen prospektiven, kontrollierten, offenen Studie gegenüber Plazebo und Nitrofurantoin die Rate an Harnwegsinfektionen statistisch signifikant bei gleichwertiger Wirkung gegenüber der Langzeitprävention mit Nitrofurantoin. In der Mannose-Gruppe traten signifikant weniger Nebenwirkungen auf als in der Nitrofurantoin-Gruppe.“
Mit dieser Aussage stützt sich die abgelaufene Leitlinie auf eine Studie von 2014.
Bei Mannose-Präparaten handelt es sich wie bei Cranberry-Präparaten nicht um Arzneimittel, sondern um Nahrungsergänzungsmittel oder Medizinprodukte. Teils werden auch Kombinationspräparate angeboten. Und ähnlich wie bei Cranberry scheinen solche Präparate zwar vielversprechend zu sein, jedoch an der Evidenz zu scheitern.
Keine evidenzbasierten Belege für Wirksamkeit von D-Mannose?
Tatsächlich kam Ende August dieses Jahres eine Cochrane-Übersichtsarbeit zu dem Schluss, dass es derzeit wenig bis gar keine Beweise gebe, die für oder gegen die Verwendung von D-Mannose zur Vorbeugung oder Behandlung von Harnwegsinfektionen in allen Bevölkerungsgruppen sprechen.
Es würde ein gravierender Mangel an qualitativ hochwertigen randomisierten klinischen Studien bestehen, welche die Wirksamkeit von D-Mannose bei Harnwegsinfektion in allen Bevölkerungsgruppen untersuchen. Dies scheint verwunderlich angesichts der Tatsache, dass Harnwegsinfektionen zu den häufigsten Infektionen bei Erwachsenen gehören und dass die Resistenzen gegen Antibiotika weltweit zunehmen.
Es brauche zunächst eine einzige ausreichend aussagekräftige (genügend Probanden umfassende) randomisierte klinische Studie, die D-Mannose mit Placebo vergleicht, erklären die Cochrane-Autoren. Doch obwohl die antiadhäsive Wirkung von D-Mannose gut belegt sei, gebe es eine solche Studie bislang (Stand Februar 2022) nicht. Mehr noch: Von den bislang vorliegenden Studien sei keine hinsichtlich Dosis und Behandlung mit der jeweils anderen vergleichbar, sodass das Cochrane-Team keine Metaanalyse habe durchführen können, heißt es in den Hauptergebnissen.
Das betrifft sieben randomisierte klinische Studien mit 719 erwachsenen Teilnehmern. Bei zwei Studien habe es sich um Präventionsstudien gehandelt, bei vier um Präventions- und Behandlungsstudien (zwei postoperative Studien und eine Studie bei Multipler Sklerose) und bei einer um eine Behandlungsstudie. Die untersuchten Zeiträume sollen dabei von 15 Tagen bis zu sechs Monaten gereicht haben. Dabei sollen auch die einzelnen Studien für sich keine eindeutigen Hinweise auf die Wirkung von D-Mannose erbracht haben. Auch über Nebenwirkungen soll nur wenig berichtet worden sein, und wenn, dann handle es sich hauptsächlich um Durchfall und vaginales Brennen.
D-Mannose kann dennoch bei Blasenentzündungen eingesetzt werden
Auch wenn die (abgelaufene) Leitlinie zu Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen gerade überarbeitet wird, angepasst werden muss die Empfehlung zur Mannose allein aufgrund der Cochrane-Arbeit wohl dennoch nicht. Denn es handelt sich in der Leitlinie um eine „Kann-Empfehlung“ (Empfehlungsgrad C, Evidenzgrad Ib) und auch die Cochrane-Autoren können weder zu D-Mannose raten noch von ihr abraten.
D-Mannose „kann“ also eingesetzt werden – auch wenn es momentan keine Evidenz gibt, die für oder gegen sie spricht. Vielleicht ist das ein Ansporn für die verschiedenen Anbieter, künftig für mehr Evidenz zu sorgen.