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Diphenhydramin & Co. bei Schlafstörungen

Glas Wasser und Tablette liegen auf dem Nachttisch neben einem Bett
Die Gründe für einen wenig erholsamen Schlaf können vielfältig sein. Von der Schlafmitteleinnahme versprechen sich viele eine schnelle und unkomplizierte Lösung. | Bild: terovesalainen / AdobeStock

Schlafstörungen nehmen seit mehreren Jahren zu, auch die Zahl der Menschen mit Schlafstörungen in Deutschland ist weiter gewachsen. Von 2012 bis 2022 ist der Anteil an Menschen mit Schlafstörungen in der Bevölkerung von fünf auf sieben Prozent gestiegen, das geht aus einer Analyse der Barmer hervor.

Schlafstörungen sind ernst zu nehmen, denn sie können insbesondere das Risiko für Übergewicht, Schlaganfall, Demenz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen oder auch erste Anzeichen einer Depression sein.

Die Gründe für einen wenig erholsamen Schlaf können vielfältig sein. Während sich manche auch nachts nicht von der beruflichen Belastung frei machen können, sind es bei anderen private Probleme, die zur Schlaflosigkeit führen. Auch hormonelle Umstellungen können Ursache für Schlafstörungen sein – so sind häufig Frauen in den Wechseljahren davon betroffen. Andauernde Schlaflosigkeit sollte unbedingt ärztlich abgeklärt werden.

Schlafstörungen beeinträchtigen den Alltag von Betroffenen teilweise stark. Daher wird häufig zu rezeptfreien Schlafmitteln gegriffen. Neben pflanzlichen Schlafmitteln (z. B. mit Baldrian, Passionsblume, Melisse) und Melatonin-haltigen Produkten stehen in der Apotheke auch rezeptfreie, schlaffördernde Antihistaminika (z. B. Diphenhydramin und Doxylamin) zur Verfügung.

Wie wirken Antihistaminika?

Diphenhydramin und Doxylamin gehören zu den Antihistaminika der ersten Generation. Im Gegensatz zu den neueren Substanzen zeichnen sich die Antihistaminika der ersten Generation durch eine hohe Lipophilie und in der Folge durch ZNS-Gängigkeit aus. Sie passieren die Blut-Hirn-Schranke, blockieren im Zentralnervensystem die Rezeptoren des wach machenden Neurotransmitters Histamin und wirken so sedierend. 

Dies führt dazu, dass die zentralen Wirkungen – insbesondere die Sedierung – die klassischen antiallergischen Eigenschaften dieser alten Wirkstoffe überdecken. Daher wurden aus den ursprünglich unerwünschten Nebenwirkungen die Hauptindikationen. Heutzutage werden die Antihistaminika der ersten Generation hauptsächlich bei Einschlafstörungen und Erbrechen eingesetzt.

Fertigarzneimittel, die solche H1-Antihistaminika enthalten, sind beispielsweise Betadorm®, Hoggar® Night, Schlafsterne® oder Vivinox® Sleep. Sie haben eine deutlich längere Wirkdauer als Arzneimittel mit pflanzlichen Wirkstoffen und sind daher auch bei Durchschlafstörungen geeignet.

Antihistaminika – diese Nebenwirkungen können auftreten

Neben der Wirkung an den Histaminrezeptoren zeigen H1-Antihistaminika auch antagonistische Aktivität an den Rezeptoren des Parasympathikus. Während manche der daraus resultierenden Wirkungen in anderen Indikationen therapeutisch genutzt werden (z. B. Vomex® zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen oder Superpep® zur Behandlung von Reisekinetosen), führten andere zu der Überlegung, Diphenhydramin und Doxylamin für Personen über 65 Jahre der Verschreibungspflicht zu unterstellen. 

Zu Letzteren gehören unerwünschte Wirkungen wie Tachykardie und Herzrhythmusstörungen, da diese gemeinsam mit der durch Schlafmittel generell bedingten Gangunsicherheit die Sturzgefahr erhöhen. Der entsprechende Antrag wurde vom Bundesinstitut für Medizinprodukte aufgrund unzureichender Datenlage jedoch abgelehnt. 

Schlaffördernde Antihistaminika können ebenso das Reaktionsvermögen herabsetzen. Dieser Effekt kann bis zum nächsten Tag anhalten. Das ist wichtig zu wissen, wenn man beispielsweise im Straßenverkehr unterwegs ist oder schwere Maschinen bedient. 

Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Herzklopfen und Herzrhythmusstörungen, Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall und Probleme beim Wasserlassen. Auch kann die Haut lichtempfindlicher sein als sonst. 

Bei höheren Dosierungen können auch Schwindel, Sehstörungen und Halluzinationen auftreten. Bei älteren Menschen gehören bei höheren Dosierungen auch Verwirrtheitszustände bis hin zum Delirium zu den möglichen Nebenwirkungen.

Auch sollte während der Schwangerschaft und Stillzeit auf bestimmte Antihistaminika verzichtet werden. Außerdem sollte man sicher sein, dass das Medikament gut vertragen wird. Daher ist es wichtig, sich vor der Einnahme einen ärztlichen Rat einzuholen.

Können schlaffördernde Antihistaminika abhängig machen?

Die Einnahme von schlaffördernden Antihistaminika kann zur Entwicklung von physischer und psychischer Abhängigkeit führen. Das Risiko ist abhängig von der Dosierung und der Anwendungsdauer, jedoch ist das Abhängigkeitspotenzial noch nicht vollständig wissenschaftlich geklärt. 

In der Drogenszene werden H1-Antihistaminika in deutlich höheren Dosierungen eingenommen, um rauschähnliche Zustände zu erzielen. Häufig werden sie dabei mit Alkohol und/oder Dextromethorphan kombiniert.

In der Beratung sollte das pharmazeutische Personal daher hellhörig werden, wenn größere Mengen oder Kombinationen dieser Wirkstoffe verlangt werden.

Schlafstörung: Worauf im Beratungsgespräch eingehen?

Gemeinsam mit dem Kunden sollte zunächst der Grund der Schlafstörungen ermittelt und dieser bestenfalls ursächlich behandelt werden. Auch verschiedene Maßnahmen der Schlafhygiene wie abendliche Spaziergänge, beruhigende Schlaf- und Nerventees oder Veränderung der Schlafsituation sollten angesprochen werden. 

Ist die Einnahme eines Schlafmittels unumgänglich, sollte pflanzlichen Wirkstoffen der Vorzug gegeben werden. Bei der Abgabe von H1-Antihistaminika muss auf jeden Fall auf das Risiko einer Gewöhnung hingewiesen werden. 

Bestehen die Schlafstörungen über einen längeren Zeitraum, sollte der Kunde an einen Arzt verwiesen werden, um eventuelle Grunderkrankungen zu erkennen bzw. auszuschließen. Quellen: Ärztezeitung, Gelbe Liste, Stiftung Gesundheitswissen 

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