Zum Welttag der Hämophilie am 17. April: Fragen und Antworten zu Hämophilie-Rezepten
Ein gestörter Wundverschluss, spontane innere Blutungen – wenn der Körper zu wenig Blutgerinnungsfaktoren produziert, kann das für Betroffene lebensbedrohliche Folgen haben. Wie eine Hämophilie behandelt wird und was es beim Umgang mit Hämophilie-Rezepten in der Apotheke zu beachten gibt, diese und weitere wichtige Fragen haben wir für Sie zusammengestellt.
Was ist eigentlich eine Hämophilie?
Hämophilie beschreibt eine Gruppe von Erkrankungen, die sich unter einem Kriterium zusammenfassen lassen: Die Blutgerinnung ist (aufgrund diverser Faktoren) gestört. Die häufigste Form der Hämophilie ist die sogenannte Hämophilie A, eine weitere, etwas seltenere Form ist die Hämophilie B.
Je nach Form fehlen im Blut Gerinnungsfaktoren, wodurch die Blutgerinnung stark gehemmt oder gar nicht vorhanden ist.
Wie entsteht eine Hämophilie?
Bei der Hämophilie handelt es sich vorrangig um eine Erbkrankheit. Ursache für eine Hämophilie ist dementsprechend fast immer ein Defekt am Gen des entsprechenden Gerinnungsfaktors.
Da Hämophilie X-chromosomal-rezessiv vererbt wird, betrifft die Erkrankung vor allem Jungen und Männer. Grundsätzlich ist es zwar möglich, dass auch Frauen eine Hämophilie vererbt bekommen, die Wahrscheinlichkeit ist aber sehr gering.
Gibt es Unterschiede zwischen den Hämophilie-Patienten?
Eine Hämophilie wird in drei Schweregrade unterteilt:
- leichte Hämophilie
- mittlere Hämophilie
- schwere Hämophilie
Patienten, die von einer leichten Hämophilie betroffen sind, weisen meist keine oder kaum Einschränkungen im Alltag auf. Oft bleibt die Hämophilie unerkannt, bis eine Operation nötig ist, bei der eine verringerte Blutgerinnung festgestellt wird.
Bei einer mittelschweren Hämophilie treten ab und zu Blutungen auf, die länger anhalten. Diese geben aber oft keinen direkten Anlass für eine Diagnose und werden wie die leichte Form eher durch Zufall erkannt.
Bei einer schweren Hämophilie treten häufig auch innere Blutungen auf, die teilweise mit Schmerzen verbunden sind. Typisch sind Blutungen ohne erkennbaren Grund, vor allem in Gelenken. Die Erkrankung wird oftmals schon im Säuglingsalter festgestellt, da das Kind sehr leicht blaue Flecken bekommt ohne Außeneinwirkung.
Wie wird eine Hämophilie behandelt?
Die Behandlung einer Hämophilie erfolgt auf zwei Wegen. Mittlerweile gibt es einige präventiv wirksame Arzneimittel sowie Medikamente, die im Falle einer akuten Blutung eingesetzt werden. Präventiv werden die fehlenden Gerinnungsfaktoren ersetzt, akut wird die Blutgerinnung beschleunigt bzw. ausgelöst.
Wo erhalten Patienten ihre Hämophilie-Arzneimittel?
Seit Inkrafttreten des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) im Jahr 2020 werden Hämophilie-Arzneimittel über öffentliche Apotheken vertrieben.
Dürfen Hämophilie-Zentren noch Arzneimittel bevorraten?
Ja, Hämophilie-Zentren dürfen entsprechende Notfallarzneimittel bevorraten. Die Apotheke darf dazu Arzneimittel direkt an die Hämophilie-Zentren abgeben. Dies ist aber der Ausnahmefall, die Regelversorgung hat über die Apotheken zu erfolgen.
Darf der Hausarzt Hämophilie-Arzneimittel verordnen?
Ja. Im Rahmen der sogenannten wohnortnahen Versorgung von Hämophilie-Patienten darf auch ein Hausarzt bzw. fachfremder Arzt (kein Zahn- oder Tierarzt) ohne Sonderkenntnisse Hämophilie-Arzneimittel verordnen.
Dieser Arzt hat gemäß § 14 Abs. 3a Transfusionsgesetz (TFG) Meldung über die verordneten Arzneimittel an den dauerbehandelnden Arzt zu machen sowie die Verordnung gemäß TFG-Vorgaben zu dokumentieren.
Müssen Apotheken dem Arzt melden, dass ein Hämophilie-Rezept eingelöst wurde?
Apotheken müssen dem verordnenden Arzt Meldung über bestellte und abgegebene Hämophilie-Arzneimittel machen. Dabei sind
- Bezeichnung des Arzneimittels,
- Chargenbezeichnung und Menge des Arzneimittels,
- Datum der Abgabe sowie
- Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort des Patienten
an den Arzt zu übermitteln. Darüber hinaus muss auch in der Apotheke eine Dokumentation gemäß Vorgaben des TFG durchgeführt werden.
Dürfen Hämophilie-Zentren Hämophilie-Arzneimittel verordnen?
Hämophilie-Zentren dürfen nach wie vor entsprechende Arzneimittel für ihre Patienten verordnen. Zudem muss mindestens einmal jährlich ein Abgleich zwischen der vom Patienten dokumentierten Anwendung und den ärztlich verordneten Dosen stattfinden. Dieser Abgleich muss in die Dokumentation der Hämophilie-Zentren aufgenommen werden.
Was müssen Patienten bei der Heimselbstbehandlung beachten?
Patienten müssen ihre selbstständig durchgeführte Arzneimittelanwendung dokumentieren. Für die Zuordnung werden hierbei
- Patientenidentifikationsnummern oder
- entsprechende eindeutige Angaben zu der zu behandelnden Person, wie Name, Vorname, Geburtsdatum und Adresse,
- Chargenbezeichnung,
- PZN oder Bezeichnung des Präparates,
- Name oder Firma des pharmazeutischen Unternehmers,
- Menge und Stärke,
- Datum und Uhrzeit der Anwendung verwendet.
Die Dokumentation kann z. B. mit einer App oder in einem Substitutionstagebuch erfolgen.
Was ist bei der Abgabe von Hämophilie-Arzneimitteln zu beachten?
Jeder Patient bekommt von seinem Arzt eine individuelle Menge und Dosierung seines benötigten Arzneimittels verordnet. Das bedeutet, dass in den meisten Fällen Mengen verordnet werden, zu denen es keine passenden Packungsgrößen im Handel gibt. Apotheken dürfen hier aber – als Ausnahme zu den sonst geltenden Vorgaben – bis hin zur benötigten Menge stückeln.
Wie müssen Hämophilie-Arzneimittel gestückelt werden?
Die Stückelung erfolgt gemäß den in der Packungsgrößenverordnung vorgegebenen Normgrößen. Diese sind:
- N1 = 1 Stück
- N2 = 6 Stück
- N3 = 30 Stück
Sind also 30 Einheiten verordnet, wird abgerechnet, als wäre eine N3-Packung abgegeben worden – nicht 30 N1. Dementsprechend ist nur einmal die Zuzahlung zu leisten.
Sind jedoch 36 Einheiten verordnet, ist eine N3- und eine N2-Größe abzurechnen und die jeweils erforderliche Zuzahlung zu leisten. Sollte zu der verordneten Menge eine Packung im Handel befindlich sein, ist diese auch abzugeben und abzurechnen.
Was ist bei der Abgabe von Hämophilie-Arzneimitteln zu dokumentieren?
Zu dokumentieren sind
- die Arzneimittelbezeichnung,
- die abgegebene Menge,
- die Chargenbezeichnung,
- das Bestell- und Abgabedatum des Arzneimittels,
- Name und Anschrift des verordnenden Arztes,
- Name und Anschrift des Händlers (z. B. des Großhandels) sowie
- Name, Vorname, Geburtsdatum und Adresse des Patienten bzw.
- bei direkter Abgabe an die Arztpraxis der Name und die Anschrift des Arztes.
Welche Daten müssen an das Hämophilie-Zentrum weitergeleitet werden?
Die Daten, die die Apotheke an den verordnenden Arzt meldet, müssen auch an das Hämophilie-Zentrum weitergeleitet werden. Allerdings geschieht dies durch den Arzt, nicht durch die Apotheke, da diese im Zweifel nicht zurückverfolgen kann, an welches Hämophilie-Zentrum die Daten übermittelt werden müssen.
Gibt es eigene Rezeptformulare für Hämophilie-Arzneimittel?
Nein, Hämophilie-Präparate werden auf normalen Muster-16- bzw. Privatrezept-Formularen verordnet.
Was sind typische Arzneimittel, die bei Hämophilie eingesetzt werden?
Da am Rezept selbst nicht erkennbar ist, ob es sich um eine Hämophilie-Verordnung handelt, kann es hilfreich sein, einige Hämophilie-Arzneimittel namentlich zu kennen.
Einige Beispiele sind: Elocta, Hemlibra, Adynovi, Jivi, Esperoct, Alprolix, Idelvion, Refixia und Afstyla.
Ist für Hämophilie-Arzneimittel eine Genehmigung durch die Krankenkasse nötig?
Normalerweise ist keine Genehmigung durch die Krankenkasse erforderlich, da es sich um „gewöhnliche“ Arzneimittel handelt. Sonderregelungen aus regionalen Verträgen können jedoch teilweise Genehmigungspflichten bei besonders hochpreisigen Arzneimitteln vorschreiben. Deshalb kann es nicht schaden, im Zweifel die betreffenden Verträge zu prüfen.