Versorgung von Hämophilie-Patienten: Das gilt es zu beachten
Bisher kamen Arzneimittel zur Behandlung der Hämophilie im Alltag von Apotheken praktisch nicht vor. Aufgrund einer Ausnahme im Arzneimittelgesetz konnten sie direkt von den behandelnden Ärzten an die Patienten abgegeben werden. Die Arzneimittel waren nicht apothekenpflichtig und wurden daher direkt von den Herstellern an die Ärzte geliefert. Doch diese Ausnahmeregel endet zum 1. September 2020. Dann werden auch Arzneimittel gegen Hämophilie apothekenpflichtig. Was das praktisch für den Apothekenalltag bedeutet, hat der Apothekerverband Schleswig-Holstein kürzlich in einem Rundschreiben zusammengefasst.
Demnach können nun nicht nur hämostaseologisch qualifizierte Ärzte, sondern beispielsweise auch Hausärzte Rezepte über Faktorzubereitungen ausstellen, die in Apotheken eingelöst werden. Zumindest anfangs müssten die Arzneimittel direkt beim Hersteller bestellt werden. Dabei geht der Apothekerverband Schleswig-Holstein von einer Lieferung innerhalb von 24 bis 48 Stunden aus. Dies sollte mit den Patienten besprochen werden.
Rahmenvertrag und Preisbildung wie im Normalfall
Für die Belieferung gilt der Rahmenvertrag gemäß § 129 SGB V. Demnach seien die verordneten Arzneimittel gegen rabattierte oder preisgünstige Fertigarzneimittel oder preisgünstige Importe auszutauschen. Bei pharmazeutischen Bedenken seien die üblichen Vermerke nötig. Das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) sieht vor, die Herstellerabgabepreise ab dem 31. August auf der Grundlage der Mittelwerte der vereinbarten Preise für die Direktabgabe der Hersteller von 2017 und 2018 festzulegen. Diese Preise sollten in der Apotheken-IT hinterlegt werden. Auf diese Einkaufspreise werden die Preisbildungsregeln der Arzneimittelpreisverordnung angewendet. Die Regelungen der bisherigen Lieferverträge werden damit ungültig.
Zuzahlungen und neue Meldepflichten
Die Anwendung der „normalen“ Regularien hat Folgen für die Patienten. Denn nun gelten auch die „normalen“ Zuzahlungsregeln, während bisher keine Zuzahlungen fällig wurden. Der Apothekerverband Schleswig-Holstein befürchtet daraufhin Diskussionen mit den Patienten. Zudem hänge die Zuzahlung sehr stark von der verordneten Stückzahl ab. Der Arzt kann also durch seine Verordnungsweise die Höhe der Zuzahlung pro Dosis erheblich beeinflussen. Dies sollte mit den Verordnern geklärt werden. Die N-Größen betragen für Antihämorrhagika N1 = 1, N2 = 5 und N3 = 30, für Enzyminhibitoren N1 = 1, N2 = 5 und N3 = 20. Für eine Packung mit Normgröße beträgt die Zuzahlung in der Regel 10 Euro. Wenn keine Normgrößen verordnet werden und daraufhin gestückelt werden muss, fällt in der Regel für jede Packung eine Zuzahlung von 10 Euro an. Denn nach Ansicht des GKV-Spitzenverbands und des Bundesgesundheitsministeriums müsse die Zuzahlung pro verwendeter Normpackung berechnet werden. Die Abgabe der Packungsgrößen muss nach Rücksprache mit dem Arzt auf der Verordnung dokumentiert und mit Datum und Unterschrift abgezeichnet werden, heißt es im Rundschreiben.
Kühlung und übliche Dokumentation
Die betroffenen Arzneimittel sind zumeist im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius zu lagern und vor Licht zu schützen. Manche Produkte sind sogar kühlkettenpflichtig. Da einige Packungen recht voluminös sind, sollte der verfügbare Platz im Kühlschrank geprüft werden.
Die Produkte unterliegen der Aufzeichnungspflicht gemäß § 17 Abs. 6a ApBetrO. Demnach sind folgenden Angaben zu dokumentieren:
- Bezeichnung, Chargenbezeichnung und Menge des Arzneimittels,
- Datum des Erwerbs und der Abgabe,
- Name und Anschrift des verordnenden Arztes,
- Name oder Firma und Anschrift des Lieferanten und
- Name, Vorname, Geburtsdatum und Adresse des Patienten (bei Praxisbedarf:
- Name und Anschrift des Arztes).
Neue Meldepflicht
Mit dem neuen Vertriebsweg über die Apotheken wird außerdem eine neue Meldepflicht eingeführt. Daraufhin müssen die Apotheken folgende Daten schriftlich oder elektronisch an die verschreibenden Ärzte melden:
- Bezeichnung, Chargenbezeichnung und Menge des Arzneimittels,
- Datum der Abgabe,
- Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort des Patienten.
Dazu würden bereits Softwareprodukte angeboten, heißt es im Rundschreiben. Doch es könnten auch Kopien der Verordnung verwendet werden, in denen die fehlenden Angaben ergänzt und die dann an den Arzt übermittelt werden. Für diese Meldung wurde keine Frist festgelegt, aber die Meldungen sollten so erfolgen, dass die Ärzte wiederum ihrer gesetzlichen Meldepflicht für das Hämophilie-Register nachkommen können. Dies sollte mit den Ärzten abgestimmt werden.
Der Apothekerverband Schleswig-Holstein weist ausdrücklich darauf hin, dass die neue Meldepflicht nicht nur für Arzneimittel gegen Hämophilie gilt, sondern für sämtliche in § 17 Abs. 6A Satz 1 APBETRO genannten dokumentationspflichtigen Blutprodukte. Trotz mehrfacher Hinweise der ABDA habe der Gesetzgeber diese „ausufernde Regelung“ bisher nicht korrigiert. Dazu hatte die ABDA gerade erst eine Stellungnahme veröffentlicht.