COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
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Dritte Impfgruppe geöffnet: Kein AstraZeneca-Corona-Impfstoff für Jüngere

Hand in blauem Gummihandschuh greift nach Impfspritze neben Packung Astrazeneca-Impfstoff
Aufgrund der jüngsten Ereignisse sollen nur noch ab 60-Jährige mit dem COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca geimpft werden. | Bild: IMAGO / Agencia EFE

Der COVID-19-Impfstoff AstraZeneca hat seit seiner bedingten Zulassung am 29. Januar 2021 einige Abenteuer erlebt. Zugelassen von der Europäischen Kommission ohne Altersobergrenze, empfahl die STIKO (Ständige Impfkommission) damals zunächst, nur jüngere Menschen unter 65 Jahren mit dem Vektorimpfstoff zu impfen. Einige Wochen später änderte die STIKO ihre Einschätzung, sodass dann alle ab 18 Jahren die AstraZeneca-Vakzine erhalten durften. Seit dem 30. März ist nun alles wieder anders: Ausschließlich ältere Menschen ab 60 Jahren sollen fortan mit dem Impfstoff von AstraZeneca vor COVID-19 geschützt werden. 

Thromboembolische Ereignisse vier bis 16 Tage nach Impfung

Das ist der mehrheitlich entschiedene Rat der STIKO „nach mehreren Beratungen“ und Einbeziehen „externer Experten“. Grund sind seltene, aber sehr schwerwiegende thromboembolische Nebenwirkungen, die überwiegend bei unter 60-Jährigen und vier bis 16 Tage nach Impfung aufgetreten sind. Die Impfung war aufgrund dieser Nebenwirkung am 15. März zeitweise in Deutschland ausgesetzt worden. Nachdem die Europäische Arzneimittelagentur EMA die Sicherheit des Impfstoffs bestätigt hatte, wurde mit dem Hinweis, dass die Vektorvakzine in seltenen Fällen schwere Thrombosen bei unter 55-Jährigen verursacht, in Deutschland weiter mit AstraZeneca geimpft. Ein Rote-Hand-Brief informierte das Gesundheitspersonal zu möglichen Anzeichen von Hirnvenenthrombosen, um Patienten sodann schnellstmöglich medizinisch versorgen zu können.

Hirnvenenthrombosen nach AstraZeneca-Impfung

Dem Impfquotenmonitoring des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge wurden bis einschließlich 29.03.2021 2.697.479 Erstdosen plus 767 Zweitdosen des COVID-19-Impfstoffs AstraZeneca verimpft. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erhielt bis zu diesem Zeitpunkt 31 Meldungen einer Sinusvenenthrombose nach Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca (Vaxzevria). Bei 19 Patienten wurde zusätzlich eine Thrombozytopenie (verringerte Zahl der Blutplättchen) berichtet, neun Patienten verstarben. Die meisten Patienten (29) waren weiblich und im Alter zwischen 36 und 57 Jahren. Die beiden Männer waren 36 und 57 Jahre alt. Laut PEI wurden alle Hirnvenenthrombosen ausschließlich nach der ersten Impfung gemeldet.

Nach der erneuerten Empfehlung der STIKO vom 30. März reagierte die Politik schnell: Noch am selben Abend kam die Gesundheitsministerkonferenz der Länder zu dem Beschluss, dass der Impfstoff nur nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung bei unter 60-Jährigen angewendet werden soll. 

Schnellere Impfung für ab 60-Jährige

Die AstraZeneca-Vakzine hat durch das Hin und Her und die nun entdeckte Nebenwirkung stark an Vertrauen eingebüßt. Die ohnehin schleppende Impfkampagne in Deutschland droht weiter ausgebremst zu werden, wenn AstraZeneca-Impfstoff nun liegen bleibt. Dem versucht die Politik nun beizukommen, indem sie die dritte Impfpriorisierungsgruppe frühzeitig öffnet und ab sofort auch die 60- bis 69-Jährigen mit in die Impfkampagne einbezogen werden – wenn sie sich mit AstraZeneca impfen lassen wollen.

Einmal mit AstraZeneca geimpft – und nun?

Was ist aber mit Personen unter 60 Jahren, die bereits einmal mit dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca geimpft wurden? Erhalten sie einen anderen Impfstoff? Die STIKO erklärt hierzu: „Hinsichtlich der Frage der Verabreichung der zweiten Impfstoffdosis für jüngere Personen, die bereits eine erste Dosis der COVID-19 Vaccine AstraZeneca erhalten haben, wird die STIKO bis Ende April eine ergänzende Empfehlung abgeben.“ Da die Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff Anfang Februar begonnen wurden, seien bei einem empfohlenen Impfabstand von zwölf Wochen die ersten Zweitimpfungen Anfang Mai vorgesehen.

STIKO-Empfehlung kam zu spät

Das „Arzneitelegramm“ (medizinische Fachzeitschrift, eigenen Angaben zufolge „neutral, unabhängig und anzeigenfrei“) begrüßt die Einschränkung seitens der STIKO, auch wenn STIKO – und EMA – nach Meinung des Arzneitelegramms die „Dringlichkeit des Risikosignals offensichtlich unterschätzt“ hätten. So hätten andere Länder bereits früher reagiert und altersbezogene Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Kanada rät, den Vektorimpfstoff vorerst nicht bei unter 55-Jährigen zu impfen, Schweden und Finnland impfen nicht mehr mit dem AstraZeneca-Impfstoff bei unter 65-Jährigen, Island nicht mehr bei unter 70-Jährigen. Und Dänemark und Norwegen wollen erst Mitte April entscheiden, wie sie mit dem Vektorimpfstoff weiter verfahren. 

Keine Altersbeschränkung in Großbritannien

Großbritannien hingegen schränkt derzeit die Impfung mit dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca nicht ein: Laut MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency  – Medizinische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel in Großbritannien) deuten die aktuellen Hinweise nicht darauf hin, dass die Blutgerinnsel durch den Impfstoff verursacht wurden. Menschen mit Impfterminen sollten sich in Großbritannien weiter impfen lassen. In Großbritannien liegt die Inzidenz zerebraler Thrombosen deutlich geringer – dem „Arzneitelegramm“ zufolge bei einem Fall pro einer Million Impfungen, die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) spricht von drei Fällen pro einer Million Impfungen. Das Arzneitelegramm schreibt, dass „soweit es sich derzeit beurteilen lässt“, Sinusthrombosen bei Älteren „deutlich seltener vorkommen“.

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