Meldungen vom 30.08. bis 03.09.2021
Donnerstag, 02.09.2021
Braucht es neue Strategien für den Corona-Herbst?
Das RKI veröffentlichte im Juli eine Modellrechnung, nach der mindestens 85 Prozent der 18- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Senioren ab 60 Jahren vollständig geimpft sein müssen, damit eine ausgeprägte neue Welle mit vollen Intensivstationen im Herbst und Winter unwahrscheinlich wird. Experten sich sich nun aber einig: Die vierte Welle ist rollt heran.
Das RKI-Papier beruhte auf damals noch unvollständigen Informationen zur Delta-Variante. Inzwischen liegen verlässliche Daten über die nachweislich erhöhte Übertragung und auch die ansteigende Hospitalisierungsrate vor. Vor allem aber machte das RKI in dem Modell Annahmen über das Fortschreiten der Impfquote in Deutschland, die schon jetzt nicht mehr zutreffen. Daher ruft der Virologe Christian Drosten dazu auf, das bisherige RKI-Szenario zu überarbeiten.
Aufgrund von Delta könne niemand mehr mit voller Gewissheit sagen, dass selbst bei Erreichen bestimmter Impfquoten eine vierte Welle vermieden werden könne, ergänzte Drosten. SARS-CoV-2 habe sich nun schon mehrmals anders verhalten als zunächst von einem Coronavirus erwartet. Für ihn gibt es einen wenig beachteten weiteren Faktor bei der Beurteilung des kommenden Pandemieverlaufs: Die Viruslast im Hals von Geimpften bei einer Ansteckung steigt wieder, wenn die Impfung einige Monate her ist. Entsprechend steige mit zunehmendem Abstand zur Impfung das Risiko, dass Geimpfte das Virus an andere weitergeben. Letztlich werde sich u. a. deshalb jeder Mensch infizieren.
Stand jetzt sei davon auszugehen, dass es noch einige Jahre lang ein starkes Infektionsgeschehen unter Erwachsenen geben werde, prognostizierte Drosten. Für Geimpfte ohne Risikofaktoren sei das nicht weiter schlimm, weil die Erkrankung bei ihnen dann einer Erkältung ähnele. Der durchschnittliche gesunde Erwachsene müsse sich wahrscheinlich in den kommenden Jahren mehrmals infizieren, um einen länger haltbaren Schleimhautschutz aufzubauen. Der Status „geimpft“ erlaube dies ohne schwere Krankheits- oder Langzeitfolgen. „Es ist von einem weitgehenden Schutz auch gegen Long Covid durch die Impfung auszugehen“, sagte Drosten. Nicht zu Risikogruppen zählende Kinder würden durch die Infektion selten überhaupt krank. Quelle: dpa/mia
Update für die Luca-App zum Herbst geplant
Die umstrittene Luca-App zur Eindämmung der Corona-Pandemie soll in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern zum Herbst hin ausgebaut und verbessert werden. Künftig sollen die Ärzte der Gesundheitsämter die Nutzer der Luca-App direkt kontaktieren und in unterschiedlichen Abstufungen warnen können, kündigte Patrick Hennig, Geschäftsführer der Culture4Life GmbH, an. Bislang erhalten App-User nur einen allgemeinen Hinweis, wenn ein Gesundheitsamt auf die Luca-Daten einer Person zugreift.
Das „umfassende Update“ werde derzeit mit den Gesundheitsämtern in Hamburg, München, Hannover, Stuttgart, Düsseldorf, Nürnberg, Augsburg und Nordfriesland getestet und feinjustiert. Die Gesundheitsämter würden durch differenzierte Warnhinweise und eine höhere Datenqualität profitieren. Dazu werde Luca auch zusätzliche Informationen über den Veranstaltungsort zur Verfügung stellen. Um die Einschätzungen im Hinblick auf das mögliche Infektionsrisiko zu verbessern, würden künftig Details wie die Belüftung, Größe, Laufwege, Raumaufteilung erfasst. „Dies hilft Gesundheitsämtern, mögliche Risiken besser, leichter und schneller zu bewerten.“
Hennig betonte, das System könne künftig auch Orte mit einem möglichen erhöhten Infektionsgeschehen automatisch erkennen, wenn beispielsweise zwei mögliche Infektionsfälle an einem Ort oder mehr entdeckt werden. Das System sei dann in der Lage, die Nutzerinnen und Nutzer entsprechend zu informieren. Quelle: dpa/mia
WHO listet neue Corona-Variante „von Interesse“
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine neue Coronavirus-Variante als „Variante von Interesse“ eingestuft. Es handelt sich um die Variante Mu, die zuerst im Januar in Kolumbien identifiziert worden ist. Es gebe Anzeichen, dass die Antikörper bei Genesenen oder Geimpften möglicherweise gegen die Variante Mu noch weniger wirksam sind als gegen andere Virusvarianten. Dafür seien aber weitere Studien nötig.
Insgesamt gibt es damit fünf „Varianten von Interesse“, die mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Daneben gibt es vier „besorgniserregende Varianten“, darunter die auch in Europa inzwischen überwiegend verbreitete Variante Delta.
Die Mu-Variante sei in einigen Ländern Südamerikas und Europas nachgewiesen worden, schreibt die WHO. Aus 39 Ländern lägen genetische Untersuchungen des Virus vor. Weltweit betrage der Anteil der Variante nach derzeitigen Schätzungen nur 0,1 Prozent. In Kolumbien liege er aber bei 38 Prozent und in Ecuador bei 13 Prozent, und der Anteil wachse. Die WHO verweist aber auf die unterschiedliche Kapazität von Ländern, Viren genetisch zu untersuchen. Quelle: dpa/mia