Meldungen vom 12. bis 16.07.2021
Freitag, 16.07.2021
45 Prozent der Bevölkerung in Deutschland voll geimpft
In Deutschland sind inzwischen 45 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Freitag (Stand: 10.20 Uhr) wurden am Donnerstag 736 361 Impfdosen verabreicht. Damit haben nun rund 37,7 Millionen beide Impfungen erhalten, 49,5 Millionen (60 Prozent) sind mindestens einmal geimpft.
„Wir entscheiden jetzt darüber, wie der Herbst wird, wie der Winter wird durch die Impfkampagne. Jeder Einzelne entscheidet das“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn den Sendern RTL/ntv. Dabei machte der CDU-Politiker deutlich, dass Ungeimpfte im Herbst und Winter mit deutlicheren Beschränkungen rechnen müssen: „Jemand, der geimpft ist, den können wir nicht und müssen wir auch nicht mit den gleichen Beschränkungen belegen, wie jemand, der nicht geimpft ist. Insofern ist auch sehr klar, dass die Impfung ganz sicher auch für Herbst und Winter für jeden einen Unterschied macht.“
Unter den Bundesländern liegt Bremen mit einem Anteil von 68,4 Prozent mindestens einmal geimpfter Menschen weiter an erster Stelle; bei den vollständig Geimpften behauptet das Saarland mit 49,6 Prozent seinen Spitzenplatz. Schlusslicht bei den Erstgeimpften bleibt Sachsen (50,6 Prozent); bei den vollständig Geimpften ist es Brandenburg (41,8 Prozent). Quelle: dpa / cn
Die Masken fallen: Johnson öffnet England und erntet Kritik
Boris Johnson ist für sein unerschütterliches Selbstvertrauen bekannt, doch derzeit wirkt der britische Premierminister eher wie ein Bittsteller. Die Regierung erwarte und ermutige alle, doch bitte weiter Masken zu tragen, sagt Johnson. Er selbst werde bestimmt eine aufsetzen, wenn er an einem vollen Ort unterwegs sei. Doch trotz allen Bettelns: Wenn an diesem Montag fast alle Corona-Maßnahmen in England enden, stehe der größte britische Landesteil vor einem „Masken-Chaos“, kritisieren Experten und Gewerkschaften. Denn dann gelten weder Abstandsregeln noch Maskenpflicht.
Johnson lässt die Masken fallen: In Zügen, Geschäften und Kinos sind Mund-Nasen-Bedeckungen, die eine überwältigende Mehrheit von Wissenschaftlern für ein besonders probates Mittel gegen das Coronavirus hält, nicht mehr vorgeschrieben. Veranstaltungsbetriebe sowie Transportunternehmen haben bereits angekündigt, im Einklang mit der Gesetzeslage fortan nicht mehr auf das Tragen zu bestehen. Ohne Masken, so ihr Kalkül, haben sie mehr Gäste und machen mehr Umsatz.
Kritik an seinen Plänen lässt Johnson nicht gelten. Allen sei klar, wie sie es künftig mit Masken halten sollen, sagt der Regierungschef - dabei klagen Geschäfte und Firmen über fehlende Leitlinien. Unternehmer seien «verständlicherweise verwirrt» über die Aussagen aus der Downing Street, sagt Roger Barker vom Führungskräfte-Verband Institute of Directors. „Masken wegwerfen oder weiter tragen? Die Anleitung der Regierung trägt wenig dazu bei, die Verwirrung zu zerstreuen.“ Die Gewerkschaft TUC warnt vor einem „Rezept für Chaos und steigende Infektionen“.
Johnsons Motto lautet hingegen Selbstverantwortung. Jeder Einzelne dürfe selbst entscheiden, wie er es denn mit den Masken halte. Es ist die Rückkehr zum liberalen Staat, der seinen Bürgern weitgehend freie Hand lässt und den viele Mitglieder von Johnsons Konservativer Partei seit Beginn der Corona-Pandemie herbeigesehnt haben. Der Premier gibt sich betont optimistisch. Das Schlimmste der Pandemie liege hinter dem Land, sagt Johnson. Zwar ist die Botschaft verbunden mit der Mahnung, die Rückkehr zur Normalität gelinge nur, wenn weiterhin Vorsicht gezeigt werde. Dennoch verwundert der Ton.
Denn am selben Tag meldet die Regierung fast 50.000 Neuinfektionen – es ist der höchste Tageswert seit einem halben Jahr. Die Zahl der Fälle ist in der vergangenen Woche im Vergleich zur Vorwoche um 43 Prozent gestiegen. Auch die Krankenhauseinweisungen nehmen wieder zu. Ihre Klinik habe die Corona-Intensivstation nach zwei Monaten wieder öffnen müssen, schreibt die Ärztin Caroline Bullen auf Twitter.
Kritiker werfen Johnson und seiner Regierung vor, kurz nach der Fußball-EM mit Zehntausenden Fans im Stadion sehenden Auges in eine Katastrophe zu steuern. Mehr als 1.200 Experten, Mediziner und Wissenschaftler fordern in einem offenen Brief eine Verschiebung der Lockerungen. Vor allem junge Leute, die erst eine Impfdosis erhalten haben, und Menschen mit chronischen Krankheiten seien in Gefahr. Millionen könnten langfristig an Covid-19 erkranken.
Dass die Zahl der Neuinfektionen weiter klettern wird, bezweifelt die Regierung gar nicht. Ganz im Gegenteil: Gesundheitsminister Sajid Javid hält bis zu 100.000 neue Fälle täglich für absolut realistisch. Das wissenschaftliche Expertengremium Sage erwartet mindestens 1.000 Krankenhauseinweisungen sowie 100 bis 200 Corona-Tote täglich. Doch Johnson sieht die Zeit für gekommen, das Land Richtung Normalität zu führen. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, lautet die Regierungslinie. Mildes Wetter und die bevorstehenden Sommerferien seien bessere Rahmenbedingungen als die im Herbst erwartete Grippewelle.
Dennoch: Einig ist man sich in Großbritannien, wo Gesundheit Sache der Länder ist, keineswegs. Mit seinem Vorpreschen mache Johnson England zum Außenseiter, kritisiert Mark Drakeford, Regierungschef von Wales. Er lockert ebenso vorsichtiger wie auch seine schottische Kollegin Nicola Sturgeon. Zentraler Bestandteil: die Maskenpflicht. Wer im Zug nach Wales einreise, müsse bei Grenzübertritt eine Maske aufsetzen, betont Drakeford. Es droht ein Flickenteppich.
Selbst im Parlament ist die Konfusion groß. Er habe keine Befugnis, den Abgeordneten Masken vorzuschreiben, klagt Parlamentspräsident Lindsay Hoyle. Angestellte müssen hingegen weiter Maske tragen, das ist auch in Bussen und Bahnen in London weiterhin Vorschrift. Bürgermeister Sadiq Khan wird deshalb für seine Führungsstärke gelobt, während sein Vorgänger Johnson im Land nun auf Sicht fahre.
In Kraft lassen will die Regierung auch das Nachverfolgungsprogramm, das sie vor gut einem Jahr für Dutzende Milliarden Pfund aufbauen ließ. Dazu gehört auch eine Corona-Warnapp: In der vergangenen Woche forderte sie mehr als 520.000 Nutzer auf, sich wegen engen Kontakts mit einem positiv Getesteten selbst zu isolieren - fast 50 Prozent mehr als in der Vorwoche. Die Regierung zeigt sich besorgt. Doch nicht wegen der Vielzahl potenzieller Fälle. Man müsse sich Gedanken machen, wie die App „verhältnismäßiger“ reagieren könne, meint Kabinettsmitglied Robert Jenrick. Auch viele Abgeordnete sollen die App bereits gelöscht haben, um nicht in Quarantäne zu müssen. Quelle: dpa / cn
Kinderärzte fordern Erwachsene zur Corona-Impfung auf
Kinder- und Jugendärzte appellieren an Erwachsene, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Da sich Kinder mangels einer Impfstoffzulassung meist noch nicht gegen immunisieren lassen könnten, seien Millionen von ihnen in Deutschland auf das Verantwortungsbewusstsein Erwachsener angewiesen, heißt es in einem gemeinsamen Aufruf des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin (DGKJ).
Der Impfappell ziele insbesondere auf Erwachsene, die beruflich mit jüngeren Kindern zusammenkommen, aber auch an die, „die über ihren eigenen Impfschutz zum Schutz der Jüngsten beitragen möchten“.
„Die Kinder haben eine viel zu lange Zeit der Zurücksetzung hinter sich. Vieles von dem, was für uns Erwachsene zu einem erfüllten Kinderleben dazugehört, blieb ihnen vorenthalten“, sagte DGKJ-Präsident Jörg Dötsch. „Sollten wir als Gesellschaft den Kindern nicht endlich etwas zurückgeben und sie entlasten?“, fragt er. „Ich richte einen dringenden Appell an alle Erwachsenen, ihr Impfangebot anzunehmen und sich impfen zu lassen, um unsere Kinder zu schützen!“
„Wir müssen davon ausgehen, dass die Folgen der Lockdown-Maßnahmen für diese Altersgruppe schwerwiegender sind als die Krankheit selbst“, sagte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach mit Blick auf psychische Beeinträchtigungen von Kindern, ihren Bewegungsmangel, Übergewicht bis hin zu Adipositas sowie auf Bildungsdefizite. Die Kinder müssten Teilhabe an der Gesellschaft erhalten, zum Beispiel durch Zugang zu Präsenzunterricht. „Eine wesentliche Maßnahme, unseren Kindern dies zu ermöglichen, ist die Impfung der Erwachsenen gegen das Coronavirus.“
Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat vorerst keine generelle Impfempfehlung für Kinder ab zwölf Jahren ausgesprochen. Sie empfiehlt Impfungen nur für 12- bis 17-Jährige mit bestimmten Vorerkrankungen wie Adipositas. Unabhängig davon sind Impfungen aber als individuelle Entscheidung von Eltern mit ihren Kindern und den Ärztinnen und Ärzten möglich. Für Kinder unter 12 Jahren gibt es bislang keinen zugelassenen Impfstoff. Quelle: dpa / cn