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Gefährlicher Internettrend: Cortisol-Detox: Wie sinnvoll ist der Trend?

In den sozialen Medien behaupten zahlreiche Influencer, dass ein Überschuss des körpereigenen Hormons Cortisol für zahlreiche Gesundheitsprobleme verantwortlich sein soll. So soll ständige Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Haarausfall, vorzeitige Hautalterung oder ein rundliches Gesicht („Cortisol Face“) darauf zurückzuführen sein. Nachzulesen sind dann auch gleich passende Tipps zur Cortisol-Entgiftung („Cortisol-Detox“).
Mediziner sehen diesen Trend allerdings kritisch und warnen vor den Risiken. Der Grund: Cortisol ist ein lebensnotwendiges Hormon, das für einen normalen Stoffwechsel unverzichtbar ist.
Welche Funktion hat Cortisol im Körper?
Das Hormon Cortisol ist umgangssprachlich auch unter dem Namen „Stresshormon“ bekannt. Gebildet wird es in der Nebennierenrinde und spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung von Stress. Das Hormon erhöht den Blutzuckerspiegel und regt den Abbau von Eiweiß an, sorgt in Belastungssituationen also dafür, dass dem Körper genügend Energie zur Verfügung steht.
Weiterhin unterstützt Cortisol den Blutdruck und trägt zu einer Stabilisierung des Kreislaufs bei.
Zudem beeinflusst Cortisol auch den Schlaf-wach-Rhythmus: Morgens sorgt die Substanz für Wachheit und am Abend für Entspannung.
In Belastungssituationen blockiert Cortisol auch entzündliche sowie immunologische Prozesse im Körper und hemmt die Schmerzreaktion.
Gut zu wissen: Cortisol-Schwankungen im Tagesverlauf
Der Cortisol-Spiegel im Körper ist abhängig von der Tageszeit. Das Hormon wird verstärkt in der zweiten Nachthälfte gebildet, d. h. morgens nach dem Aufstehen steht es in höchster Konzentration zur Verfügung. So wird eine optimale Vorbereitung des Körpers für die Tagesbelastungen sichergestellt.
Im Laufe des Tages fällt der Cortisol-Spiegel ab und erreicht am Abend seinen tiefsten Wert.
Wozu wird Cortisol medizinisch verwendet?
Die synthetische Form des Hormons Cortisol wird als Hydrocortison bezeichnet. Diese Substanz wird bei verschiedenen Anwendungsgebieten als Arzneistoff eingesetzt.
Hydrocortison besitzt antiallergische, entzündungshemmende und immunsuppressive Eigenschaften und kommt meist lokal zur Anwendung. Typische Einsatzgebiete sind dabei
- allergische Ekzeme,
- Schuppenflechte (Psoriasis),
- entzündliche Erkrankungen des unteren Dickdarmbereichs sowie
- allergische Veränderungen an der Bindehaut.
„Cortisol Face“: Rundliches Gesicht durch Cortisol?
Geht es in Beiträgen auf TikTok um eine Entgiftung von Cortisol, taucht in diesem Zusammenhang häufig der Begriff „Cortisol Face“ auf. Nutzende meinen damit ein rundliches Gesicht, das angeblich durch einen erhöhten Cortisol-Spiegel ausgelöst werden kann.
Doch das ist nicht ganz korrekt: Durch eine verstärkte Bildung von körpereigenem Cortisol entsteht keine rundliche Gesichtsform. Nur bei einer systemischen Glucocorticoid-Therapie, also wenn Cortisol zu arzneilichen Zwecken aufgrund einer entzündlichen Erkrankung eingenommen werden muss, kann es dagegen tatsächlich zu einer Einlagerung von Fett kommen.
In seltenen Fällen können auch Tumoren der Hirnanhangsdrüse oder der Nebenniere zu einer verstärkten Bildung von Cortisol führen. Dadurch kann dann ein sogenanntes Cushing-Syndrom ausgelöst werden. Dabei handelt es sich um eine Stoffwechselerkrankung, bei der es zu einer Gewichtszunahme am Körperstamm kommt, Arme und Beine bleiben typischerweise schlank. Ebenso kann es zu Fetteinlagerungen im Gesicht kommen und es bildet sich ein Vollmondgesicht aus.
Eine normale Gewichtszunahme hat aber nichts mit einem Cushing-Syndrom zu tun und wird keinesfalls durch eine verstärkte Bildung von Cortisol unter Stressbelastungen ausgelöst.
Woran erkennt man einen erhöhten Cortisol-Spiegel?
Wie bereits beschrieben, schüttet der Körper unter Stressbelastung verstärkt Cortisol aus. Dadurch kann es zu Schlafstörungen, Müdigkeit, Stimmungsschwankungen und einem geschwächten Immunsystem kommen.
Diese Symptome können aber auch durch zahlreiche andere Faktoren ausgelöst werden und müssen nicht unbedingt etwas mit dem Cortisol-Spiegel zu tun haben.
Bei den oben genannten Beschwerden ist es daher ratsam, zunächst mit einem Arzt darüber zu sprechen, dieser kann dann gegebenenfalls an einen Endokrinologen überweisen. Ein solcher Facharzt für die Funktion und Regulation der Hormone kann entsprechende Tests durchführen.
Ohne eine genaue medizinische Diagnose ist es nicht empfehlenswert, den Cortisol-Spiegel künstlich senken zu wollen.
Selbsttests zur Bestimmung des Cortisol-Spiegels nicht sinnvoll
Im Internet werden häufig kostenpflichtige Tests auf Cortisol beworben, damit könne man auf einfache Weise seinen Hormonspiegel bestimmen lassen. Nach Meinung von Experten liefern diese aber oft ungenaue Ergebnisse und sorgen eher für Verunsicherung. Denn: Nicht wenige Anwender sorgen sich danach, einen Überschuss an Cortisol zu produzieren.
Wie bereits beschrieben unterliegt der Wert an Cortisol im Blut tageszeitlichen Schwankungen, daher ist eine einmalige Messung nicht sinnvoll. Grundsätzlich kann der Cortisol-Wert zwar im Blut, Speichel oder Urin bestimmt werden, doch durch die Abhängigkeit von der Tageszeit und möglicherweise auftretenden Stressreaktionen ist eine Auswertung anspruchsvoll.
In der ärztlichen Praxis werden zur Bestimmung des Cortisol-Spiegels daher auch spezielle Testverfahren durchgeführt. Liegt ein Verdacht auf eine erhöhte Ausschüttung von Cortisol vor, wird als Laboruntersuchung meist ein Dexamethason-Kurztest durchgeführt.
Dieser Test beruht darauf, dass die körpereigene Ausschüttung von Cortisol durch von außen zugeführte Glucocorticoide, wie Dexamethason, unterdrückt wird. Unterbleibt diese Hemmung, ist dies unter anderem ein Hinweis darauf, dass die Cortisol-Ausschüttung nicht regelgerecht abläuft.
Warum ist eine Cortisol-Entgiftung gefährlich?
Um den Cortisol-Spiegel zu senken, empfehlen manche Influencer beispielsweise eine Morgenroutine mit Yoga oder Spazierengehen durchzuführen. Hingegen schwören andere Nutzende auf das regelmäßige Trinken von Wasser. Dagegen ist selbstverständlich nichts einzuwenden. Allgemeine Maßnahmen zu einer gesunden Lebensführung sind natürlich empfehlenswert, haben jedoch nichts mit einer Senkung des Cortisol-Spiegels zu tun.
Gefährlich sind allerdings drastische Maßnahmen, die auch von einigen Nutzenden beschrieben werden. Diese versuchen ihren Cortisol-Wert durch strenges Fasten oder exzessiven Schlafentzug zu senken. Manche nehmen sogar hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel zu sich. Solche Maßnahmen sind aus medizinischer Sicht deutlich abzulehnen. Quellen:
- https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Mediziner-warnen-vor-Internettrend-der-Cortisol-Entgiftung-457129.html
- https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Hydrocortison_153
- https://neurolab.eu/wissen/hormone/cortisol/