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Ibuprofen und Naproxen beeinflussen Geschmackssinn

Die Einnahme von 600 mg Ibuprofen dreimal täglich kann bei hyperglykämischen Patienten mit Typ-2-Diabetes den Blutglucose-Spiegel um 20 mg/dl senken. Dieses Ergebnis ist mehr als 40 Jahre alt.
Dem Mechanismus dahinter sind Forschende des US-amerikanischen Monell Chemical Senses Centers nun ein Stück weit auf den Grund gegangen. In ihren Untersuchungen konnten sie zeigen, dass die nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSRA) Ibuprofen und Naproxen die Geschmacksrezeptoren für „süß“ hemmen. Sie wirken dadurch modulierend auf den Glucosestoffwechsel.
Studie: Ibuprofen und Naproxen senken süßen Geschmack
Ibuprofen und Naproxen als 2-Arylpropionsäure-Derivate haben mit ihrer Phenylpropionsäure-Gruppe ein gemeinsames Strukturelement mit Lactisol – einem bekannten Inhibitor der TAS1R2-TAS1R3-Rezeptoren (human sweet Taste receptor type 1, member 2 bzw. 3).
Diese G-Protein-gekoppelten Rezeptoren in den Sinneszellen der Geschmackswahrnehmung werden durch Saccharose, Zuckeraustauschstoffe und Süßstoffe aktiviert. Sie sind also für die Wahrnehmung des süßen Geschmacks verantwortlich.
Um zu untersuchen, ob die Blockade der TAS1R2-TAS1R3-Rezeptoren durch die beiden NSAR in vivo relevant ist, ließen die Wissenschaftler gesunde Probanden Mundspülungen mit Ibuprofen- und Naproxen-Lösungen verschiedener Konzentrationen durchführen. Im Anschluss sollten die Teilnehmenden den Geschmack von Saccharose-, Fructose- und Sucralose-Lösungen beurteilen.
Die Studienautoren konnten zeigen, dass die Analgetika die Wahrnehmung des süßen Geschmacks sowohl von Zucker als auch von Süßstoffen dosisabhängig und signifikant reduzierten. Auf andere Geschmacksreize (salzig, bitter, sauer) hatten sie keinen Einfluss. Lediglich beim herzhaften („umami“) Geschmack zeigte sich eine leichte Tendenz zur verschlechterten Wahrnehmung.
Ibuprofen reduziert auch durch Zucker ausgelöste Effekte
TAS1R2-TAS1R3-Rezeptoren werden nicht nur in der Mundschleimhaut, sondern in einer Vielzahl von weiteren Geweben exprimiert, beispielsweise im Darm, Dickdarm, Pankreas, der Skelettmuskulatur, dem Fettgewebe sowie im zentralen Nervensystem. Hier wird ihnen eine modulierende Funktion sowohl im Glucose- als auch im Lipidstoffwechsel zugeschrieben.
In einem weiteren Experiment setzten die Forschenden daher TAS1R2-TAS1R3-exprimierende HEK(Human Embryonic Kidney)-293-Zellen Ibuprofen-Konzentrationen aus, die physiologischen Blutkonzentrationen nach Einnahme von 400 bis 600 mg Ibuprofen entsprachen. Danach bestimmten sie den Glucose-abhängigen Anstieg intrazellulärer Calcium-Ionen als Maß für die Glucose-vermittelte Signaltransduktion.
Gut zu wissen: Was sind HEK-293-Zellen?
Bei HEK-Zellen handelt es sich um embryonale menschliche Zellen, die in der Pharmakologie und Biotechnologie zum Einsatz kommen.
Die HEK-Zelllinie ist eine humane Zelllinie, die 1973 in Leiden aus embryonalen Nierenzellen mit DNA-Teilen des menschlichen Adenovirus 5 geschaffen wurde. Die Ziffer 293 steht für die laufende Nummer des Experiments, das die Zelle erfolgreich modifizierte. /vs
Die Forschenden konnten zeigen, dass Ibuprofen in physiologischer Konzentration die durch Zucker ausgelösten Effekte in der Zelle reduzierte. Das NSAR beeinflusst diesen Ergebnissen zufolge also nicht nur die Geschmackswahrnehmung, sondern auch die metabolischen Effekte von Glucose.
Ibuprofen und Naproxen nicht dauerhaft einnehmen
Die Autoren postulieren, dass die Hemmung der Geschmacksrezeptoren für süßen Geschmack eine Möglichkeit wäre, um den Glucosestoffwechsel künftig positiv zu beeinflussen.
Eine Empfehlung für die Dauereinnahme von Ibuprofen oder Naproxen bedeute dies jedoch nicht, denn auch die gastrointestinalen Nebenwirkungen und das veränderte Blutungsrisiko sollten beachtet werden.
Umgekehrt weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass die häufige Einnahme der NSAR über den beschriebenen Mechanismus auch zu unerwünschten metabolischen Effekten führen könnte. Quelle:
- Hanselman EC et al. Ibuprofen inhibits human sweet taste and glucose detection implicating an additional mechanism of metabolic disease risk reduction. Br J Pharmacol 2025, doi: 10.1111/bph.70004