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Bindehautentzündung bei Kindern: Was ist der Auslöser?

Haupterreger einer kindlichen Bindehautentzündung ist das Bakterium Haemophilus influenzae. | Bild: vitalis83 / AdobeStock

Erkranken Erwachsene an einer Bindehautentzündung (Konjunktivitis), finden sich meist Adenoviren als Ursache. Und bei kindlicher Konjunktivitis? Hier sind einem US-amerikanischen Forscherteam zufolge die ursächlichen Gründe „nicht vollständig verstanden“, schreiben sie im Fachjournal „The Journal of Pediatrics“The Journal of Pediatrics: "Etiology and Outcomes of Acute Infectious Conjunctivitis in Children", Stand: 18.10.2024 .  

Eines von acht Kindern erkrankt jährlich an einer infektiösen Bindehautentzündung. Größtenteils steckten früheren Untersuchungen zufolge bakterielle Infekte dahinter, insbesondere Infektionen mit Haemophilus influenzae. Ist das noch aktuell? 

Zum einen haben Wissenschaftler in den meisten bisherigen Studien vor allem Kulturverfahren zum Erregernachweis angewendet und nicht die empfindlichere Methode der PCR (Polymerase Chain Reaction). Auch bedeutet ein positiver Erregernachweis nicht automatisch eine Infektion, da Bakterien die Bindehaut auch besiedeln können, ohne eine Konjunktivitis auszulösen. 

Vor allem bei Infektionen der oberen Atemwege haben es Erreger leicht, vom Nasenrachenraum über den Tränennasengang ins Auge zu gelangen, und nicht grundsätzlich endet dieser Weg mit einer Konjunktivitis. 

Zum anderen könnte sich mit Einführung des Pneumokokken-Konjugatimpfstoffs bei Kindern in den letzten Jahren auch das Erregerspektrum verschoben haben, wie dies bei Mittelohrentzündungen zu beobachten gewesen sei. Hier gingen durch Streptococcus pneumoniae verursachte Erkrankungen zugunsten von Haemophilus-influenzae- und Moraxella-catarrhalis-Infektionen zurück.

Kindliche Bindehautentzündung: Was steckt vorwiegend dahinter?

In einer multizentrischen Fall-Kontroll-Studie untersuchten die Wissenschaftler Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und 17 Jahren mit Verdacht auf eine infektiöse Bindehautentzündung anhand der von den Eltern berichteten Symptome (n = 194). Es wurden Abstriche der unteren Bindehaut des stärker betroffenen Auges genommen und mittels PCR auf bakterielle und virale Erreger untersucht.

Die Kontrollgruppe bildeten altersentsprechende Kinder, die gesund waren (n = 102) oder an einer Infektion der oberen Atemwege litten (n = 94). Die Proben entnahmen die Studienautoren innerhalb von 48 Stunden nach Diagnosestellung und vor einer möglichen Antibiotikagabe.

Auch bei gesunden Kindern sind Bakterien auf der Bindehaut vorhanden

Interessanterweise wiesen die Wissenschaftler bei den meisten Kindern – mit und ohne Bindehautentzündung – Bakterien nach: 

  • Drei Viertel der Kinder mit Konjunktivitis (76 %; n = 148) und
  • mehr als die Hälfte der Kinder ohne Konjunktivitis (57 %; n = 112)

hatten einen positiven PCR-Test auf Bakterien. Dabei war es nahezu unerheblich, ob die Kinder der Kontrollgruppe gesund (58 %; n = 59) oder an einer Atemwegsinfektion erkrankt (56 %; n = 53) waren.

Hauptverursacher für Bindehautentzündung: Haemophilus influenzae

Am häufigsten fand sich Haemophilus influenzae auf den Bindehäuten, und zwar bei

  • 62 % der Kinder mit Konjunktivitis,
  • 32 % der Kinder mit Atemwegserkrankungen und
  • bei 26 % der gesunden Kinder (Gesamtkontrollgruppe: 29 %).

Als zweithäufigstes Bakterium machte sich Moraxella catarrhalis breit:

  • Bei 25 % der Kinder mit Konjunktivitis und
  • bei 20 % in der Kontrollgruppe.

Streptococcus pneumoniae und Staphylococcus aureus ließen sich bei 17 % und 12 % der Kinder mit Bindehautentzündung nachweisen und bei 17 % und 16 % der Kinder ohne Konjunktivitis. 

Das könnte darauf hindeuten, dass viele Bakterien zur natürlichen Mikrobiota des Auges gehören oder dass H. influenzae als opportunistischer Erreger Bindehautentzündungen lediglich unter bestimmten Voraussetzungen auslöse, schreiben die Studienautoren.

Viren nur selten bei kindlicher Bindehautentzündung vorhanden 

Viren fanden die Wissenschaftler nur bei 5 % der Kinder (n = 9) mit Konjunktivitis und damit selten. 

Weitaus häufiger – bei knapp einem Viertel der Kinder – kam es hingegen vor, dass sich trotz einer Bindehautentzündung weder Bakterien noch Viren nachweisen ließen (23 %; n = 44).

Nur Haemophilus influenzae assoziiert mit Konjunktivitis

Bei allen am Auge nachgewiesenen bakteriellen Erregern fiel dem Forscherteam auf: Lediglich ein Bakterium, nämlich Haemophilus influenzae, war mit einer Bindehautentzündung assoziiert, und bestimmte Begleitsymptome scheinen auf eine Infektion mit Haemophilus influenzae hinzuweisen.

Eitriges Augensekret, Schnupfen und Husten häufig unter Haemophilus influenzae

Litten die Kinder an eitrigem Augensekret, einer laufenden oder verstopften Nase oder Husten, waren sie auch häufiger Haemophilus-influenzae-positiv: 

77 % der Kinder mit H. influenzae hatten eitriges Augensekret, verglichen mit 53 % der Kinder ohne H.-influenzae-Infektion. Das Risiko für eitrigen Augenausfluss war für Kinder mit H. influenzae 2,47-fach höher (adjustierte Odds Ratio [aOR] = 2,47, 95-%-Konfidenzintervall [KI] = 1,23 bis 5,01). Klares Augensekret hingegen kam häufiger bei Kindern ohne H. influenzae vor (aOR = 0,38; 95-%-KI = 0,19 bis 0,75).

73 % der Kinder mit H.-influenzae-Infektion hatten eine laufende oder verstopfte Nase, hingegen nur 50 % der Kinder ohne H.-influenzae-Nachweis. H. influenzae erhöhte das Risiko für diese Nasensymptome um das 2,98-Fache (aOR = 2,98; 95-%-KI = 1,46 bis 6,25). 

Husten trat bei 58 % der H.-influenzae-Kinder auf und nur bei 36 % der Kinder ohne H.-influenzae-Infektion. Kinder mit Husten hatten ein 2,68-fach erhöhtes Risiko, dass bei ihnen H. influenzae gefunden wurde (aOR = 2,68; 95-%-KI = 1,33 bis 5,01). 

Hilfreich wäre das für die klinische Praxis und die Entscheidung, ob und welches Antibiotikum Kinderärzte bei Bindehautentzündung verordnen können. Doch wie zuverlässig sind diese Symptome?

Symptome unter Haemophilus influenzae zu unspezifisch

Bei diesem Punkt müssen die Studienautoren jedoch enttäuschen: Denn auch wenn eitrige Augen, Schnupfen und Husten häufiger bei Bindehautentzündung mit H. influenzae auftraten, so waren diese Symptome nicht spezifisch. Auch Kinder ohne eine H.-influenzae-Infektion zeigten diese Symptome in nicht unerheblichem Ausmaß.

Bei Bindehautentzündung: Keine schnellere Besserung unter Antibiotika

Die Studienautoren untersuchten auch, ob und wie antibiotische Ophthalmika die Symptome verbessern und die Genesung sowie das Fernbleiben von Kita oder Schule und der Arbeit (Eltern) beeinflussen. 

Bei den allermeisten Kindern hatten sich die Symptome an Tag fünf gebessert (93 % ohne Antibiose, 98 % mit Antibiose) oder waren gänzlich verschwunden (82 % ohne Antibiose, 89 % mit Antibiose). 

Die Wissenschaftler konnten keine signifikanten Unterschiede bei Abwesenheitstagen in Kita und Schule (2,7 ohne Antibiose, 2,6 Tage mit Antibiose) oder der elterlichen Arbeit (3,4 Tage ohne Antibiose, 2,4 Tage mit Antibiose) feststellen.

Bindehautentzündung bei Kindern meist selbstlimitierend

Auch wenn H. influenzae als Erreger nachgewiesen worden war, hatten Antibiotika am Auge keinen signifikanten Effekt: Die Symptome besserten sich innerhalb von fünf Tagen bei 95 % der Kinder ohne Antibiotika und bei 98 % der Kinder mit Antibiotika. Verschwunden waren die Symptome am fünften Tag bei 81 % ohne und 89 % der Kinder mit Antibiotika.

Die Studienautoren resümieren: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass H. influenzae der einzige Erreger war, der mit Bindehautentzündung bei Kindern in Zusammenhang stand. Allerdings sind klinische Symptome allein nicht ausreichend, um bakterielle Bindehautentzündungen zuverlässig zu diagnostizieren. Angesichts des selbstlimitierenden Verlaufs der Erkrankung und der umstrittenen Wirksamkeit von ophthalmologischen Antibiotika ist es wichtig, dass Ärzte die Risiken und Vorteile sorgfältig abwägen, bevor sie eine topische Antibiotikabehandlung verschreiben, da Antibiotika für die meisten Kinder möglicherweise nur einen geringen oder keinen Nutzen haben.“ Quelle:
- Frost HM, Jenkins TC, Meece JC et al. Etiology and Outcomes of Acute Infectious Conjunctivitis in Children. J Pediatr 2025;276:114368, doi: 10.1016/j.jpeds.2024.114368