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Nirsevimab: Welche Kinder profitieren von 2. RSV-Prophylaxe? 

Pflaster auf rechtem Oberschenkel eines Babys
Kinder bestimmter Risikogruppen profitieren von einer zweiten Gabe Nirsevimab. | Bild: -理絵 ジュト / AdobeStock

Die Ständige Impfkommission (STIKO) rät seit Juni 2024 dazu, dass alle Neugeborenen und Säuglinge – unabhängig von Risikofaktoren – den Antikörper Nirsevimab (Beyfortus®) zum Schutz vor RSV (Respiratory Syncytial Virus, respiratorisches Synzytialvirus) in ihrer ersten RSV-Saison erhalten sollen. 

Die RSV-Saison dauert in der Regel von Oktober bis März. Die Empfehlung veröffentlichte die STIKO im Epidemiologischen Bulletin 26|2024.

Zur Erinnerung: Wer kann sich mit RSV anstecken?

Mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) kann man sich in jedem Alter infizieren, jedoch ist das RS-Virus einer der wichtigsten Erreger von Atemwegserkrankungen bei Säuglingen und Frühgeborenen.  

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass RSV für jährlich mehr als 30 Millionen Infektionen der unteren Atemwege bei Kleinkindern verantwortlich zeichnet, wovon drei Millionen Kinder schwer erkranken (Krankenhausbehandlung). RSV sei die häufigste Ursache für Krankenhausaufenthalte bei Kindern unter fünf Jahren.  

Zu den Risikopatienten zählt das Robert Koch-Institut (RKI) insbesondere Frühgeborene, Neugeborene, junge Säuglinge und Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen, aber auch generell Menschen mit Immunschwäche oder unterdrücktem Immunsystem.

Wann erhalten Säuglinge Nirsevimab?

Babys, die während der RSV-Saison (Oktober bis März) zur Welt kommen, sollen den Antikörper möglichst rasch nach der Geburt erhalten, beispielsweise im Rahmen der U2-Untersuchung, die zwischen dem dritten und zehnten Lebenstag stattfindet. 

Für außerhalb der RSV-Saison geborene Babys (April bis September) erfolgt die passive Immunisierung im Herbst (September bis November) der beginnenden ersten RSV-Saison.

Nirsevimab ist für alle Neugeborenen und Säuglinge zur Prävention von RSV-Erkrankungen der unteren Atemwege im ersten RSV-Herbst/Winter zugelassen. 

Im August wurde die EMA-Zulassung von Beyfortus® erweitert, sodass diese seither auch Kinder im Alter bis zu 24 Monaten umfasst, die während ihrer zweiten RSV-Saison weiterhin anfällig für eine schwere RSV-Erkrankung sind.  

Welche Kinder profitieren von einer zweiten Nirsevimab-Gabe?

Manche Kinder können also von einer zweiten Nirsevimab-Gabe profitieren. Dies berücksichtigt die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) in einer Anfang September 2024 veröffentlichten Änderung zu ihrer „Leitlinie zur Prophylaxe von schweren Erkrankungen durch Respiratory Syncytial Virus (RSV) bei Risikokindern“ (S2k, 2023). 

Für welche Kinder ist Nirsevimab auch in ihrer zweiten RSV-Saison sinnvoll?

Die DGPI denkt dabei an:

„Frühgeborene im Alter von ≤ 24 Lebensmonaten zum Beginn der RSV-Saison, die wegen mittelschwerer oder schwerer bronchopulmonaler Dysplasie/chronischer Lungenerkrankung in den letzten sechs Monaten vor Beginn der RSV-Saison mit Sauerstoff behandelt oder beatmet wurden“. 

Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie

Diese Kinder hätten ein hohes Risiko für eine schwere RSV-Erkrankung (z. B. mit Hospitalisation). Sie sollten zusätzlich zur Nirsevimab-Prophylaxe in oder vor ihrer ersten RSV-Saison auch „vor ihrer zweiten RSV-Saison eine Prophylaxe mit Nirsevimab erhalten“.  

Bei fehlender Verfügbarkeit von Nirsevimab sollten die Kinder den Antikörper Palivizumab (Synagis®) erhalten. Eine Dosis Palivizumab schützt lediglich vier Wochen (bei Nirsevimab genügt eine Dosis für die gesamte RSV-Saison), weswegen die „vier weiteren Dosen von Palivizumab in 4-wöchentlichen Abständen verabreicht werden“ sollen, rät die DGPI.

2. Gabe Nirsevimab: Welche Risikogruppen könnten auch profitieren?

Eine zusätzliche Nirsevimab-Prophylaxe vor der zweiten RSV-Saison kann laut der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie in ihrer Leitlinie „individuell erwogen“ werden für

  • „Kinder unter 24 Monaten mit schwerer, therapiepflichtiger chronischer Lungenerkrankung (Ausnahme: bronchopulmonale Dysplasie), mit gestörter bronchialer Clearance (cystischer Fibrose [CF], primärer ciliärer Dyskinesie [PCD]), angeborenen Atemwegsfehlbildungen, Zwerchfellhernien oder interstitiellen Lungenerkrankungen“,
  • „Kinder mit hämodynamisch relevanter Herzerkrankung, vor allem mit operations- bzw. interventionsbedürftigen Herzfehlern mit signifikantem Links-rechts-Shunt und pulmonaler Überflutung, mit pulmonal-arterieller Hypertonie, mit pulmonal-venöser Stauung oder Zyanose sowie bei schwerer Herzinsuffizienz unter medikamentöser Therapie“. 
    Diese Kinder hätten ein hohes (Alter < 6 Monate) bzw. mittleres Risiko (Alter 6–12 Monate) für eine schwere RSV-Erkrankung, wohingegen das Risiko bei 13–24 Monate alten Kindern kontrovers beurteilt werde.
  • „Kinder mit angeborenen oder erworbenen Formen der schweren Immundefizienz“, auch wenn eine RSV-Prophylaxe bei diesen Kindern bisher nicht untersucht wurde, und für
  • „Kinder unter 24 Monaten mit syndromalen Erkrankungen mit erhöhter Infektanfälligkeit oder neuromuskulärer Schwäche und dadurch beeinträchtigtem Abhusten und/oder eingeschränkter Lungenfunktion“.

Die DGPI weist darauf hin, dass weiterhin präferenziell Risikokinder mit RSV-Antikörpern vor einer schweren RSV-Erkrankung geschützt werden sollen, insbesondere, wenn es zu Versorgungsengpässen kommt. 

Derzeit ist Nirsevimab knapp, sodass das Paul-Ehrlich-Institut für September und Oktober 2024 auch den Vertrieb von Beyfortus®-Packungen in französischer und spanischer Aufmachung erlaubt hat. Am 23. September hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) einen offiziellen Versorgungsmangel mit Nirsevimab-haltigen Arzneimitteln bekannt gemacht. 

Sanofi, der Zulassungsinhaber von Beyfortus®, will eigenen Angabe zufolge ab Oktober „kontinuierlich weitere Beyfortus®-Dosen ausliefern, um im Zuge der kommenden Wochen allen Neugeborenen und Säuglingen in Deutschland für ihre erste RSV-Saison den Schutz vor einer Infektion zu ermöglichen“.