Bei Untergewicht: Wie nimmt man gesund zu?
Ein Erwachsener gilt gemäß den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als untergewichtig, wenn der Body-Mass-Index (BMI) unter 18,5 kg/m2 liegt. Ab einem Alter von 65 Jahren steigt diese Untergrenze auf 20, ab 70 Jahren gilt ein BMI unter 22 kg/m2 als untergewichtig.
Dem Statistischen Bundesamt zufolge wiesen in Deutschland im Jahr 2021 von den über 18-Jährigen ungefähr 2 % einen zu niedrigen BMI auf. Frauen sind von primärem Untergewicht häufiger betroffen als Männer: Bei Frauen über 18 Jahren galten 2021 3,4 % als untergewichtig, bei Männern 0,7 %.
Wann spricht man von Untergewicht im Kindesalter?
Kinder gelten als untergewichtig, wenn sie deutlich vom altersüblichen BMI-Kurvenverlauf abweichen. Sobald 90 % der Gleichaltrigen einen höheren BMI aufweisen, spricht man bei Kindern von Untergewicht, bei 95 % von starkem Untergewicht. Bei den 3- bis 17-Jährigen waren in einer großen deutschen Erhebung von 2014 bis 2017 7,6 % davon betroffen.
Befindet sich das Kind gerade in einem Wachstumsschub, kann vorübergehend Untergewicht auftreten. Das ist völlig normal. Hält das Untergewicht aber länger an und fühlt sich das Kind oft matt oder ist infektanfällig, besteht Handlungsbedarf.
Im Rahmen der ärztlichen U-Untersuchungen wird auch das Gewicht bestimmt und notiert. Ein kritischer Gewichtsverlauf sollte spätestens dabei auffallen und kann abgeklärt werden. Ist eine mangelhafte Ernährung der Grund für das Untergewicht, weil das Kind zum Beispiel ein „schleckiger“ Esser ist, können folgende Punkte helfen:
- Mahlzeiten appetitanregend anrichten und abwechslungsreiche Kost anbieten.
- In entspannter Atmosphäre zusammen mit der Familie oder Freunden essen.
- Das Kind nicht zum Essen ermahnen, sondern Anreize bieten.
- Das Kind sollte regelmäßig essen und auch energiedichte Zwischenmahlzeiten wie Müsliriegel erhalten.
- Mahlzeiten mit Fett (Sahne, Margarine, Öle) und Kohlenhydraten (Maltodextrin) anreichern.
Was kann zu Untergewicht führen?
Ursächlich für Untergewicht können neben chronischen Krankheiten wie Diabetes Typ 1, Hyperthyreose oder Zöliakie auch genetische Faktoren, Alltagsstress, psychische Erkrankungen oder eine Fehlernährung sein. Nicht in jedem Fall lässt sich ein zu niedriger BMI jedoch so begründen.
Auch eigentlich gesunde Menschen können davon betroffen sein. Aus medizinischer Sicht ist Untergewicht bei Gesunden weniger schädlich als Übergewicht. Allerdings kann sich auch eine zu geringe Körpermasse abträglich auf die Gesundheit auswirken.
Untergewicht kann die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen sowie Osteoporose begünstigen und zu Fruchtbarkeitsproblemen führen, wenn nicht ausreichend Nährstoffe aufgenommen werden.
Eine bereits 2008 veröffentlichte schwedische Analyse kommt zu dem Schluss, dass Untergewicht das Mortalitätsrisiko erhöht, verglichen mit der normalgewichtigen Studienpopulation. Die Autoren vermuten, dass dies an mangelnden Reserven im Falle einer schweren Erkrankung liegt. Abgesehen davon wollen manche Menschen zunehmen, um sich wohler in ihrer Haut zu fühlen.
Gut zu wissen: Warum manche Menschen einfach nicht zunehmen
Es gibt Menschen, die aufgrund einer genetischen Disposition schwer zunehmen. Zum Beispiel kann es sein, dass die Glykolyse energieverschwendend abläuft und/oder höhere Leptin-Spiegel im Blut zu wenig Appetit und schneller Sättigung führen. Dadurch kann ein Energiemehrbedarf von einigen Hundert Kalorien am Tag entstehen.
Außerdem können Mutationen im Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptor gamma dazu führen, dass wenig Körperfett aufgebaut wird und dadurch der Körperfettgehalt gering ist.
Auch ein genetisch bedingter hoher Anteil an wärmeproduzierendem braunem Fettgewebe begünstigt Untergewicht. Eine Mutation des Rezeptors, an den das „Hungerhormon“ Ghrelin bindet, kann dazu führen, dass Betroffene weniger Hunger haben.
In der Apotheke: Ernährungsanamnese durchführen
Gründe, das Körpergewicht in einen gesund angesehenen Bereich – BMI über 18,5 bis unter 25 kg/m2 – zu bringen, gibt es also einige. Doch wie kann das gelingen?
In der Apotheke kann eine Ernährungsanamnese erste Anhaltspunkte dazu liefern, woran eine gewünschte Gewichtszunahme bislang gescheitert ist. Dazu können folgende Fragen gestellt werden wie z. B.
- „Was wird wann wie viel mit wem gegessen?“,
- „Wird essen als Last empfunden?“,
- „Wird schnell oder langsam gegessen?“,
- „Wie sieht der Alltag aus – ist ausreichend Gelegenheit zum Essen?“.
Bei Untergewicht Energieüberschuss herstellen
Wer zunehmen will, muss mehr Energie aufnehmen, als der Körper benötigt. Der Energiebedarf hängt vom Alter, Geschlecht, der Körperlänge und dem Aktivitätslevel ab. Die Körperzusammensetzung spielt ebenfalls eine Rolle: Muskelmasse benötigt mehr Energie als Fettmasse.
Wie groß sollte nun der Energieüberschuss sein? 300 bis 700 kcal mehr am Tag, als benötigt werden, sollten bei Erwachsenen zu einer kontinuierlichen Gewichtszunahme führen. 500 kcal stecken zum Beispiel in 70 g Nüssen oder Mandeln, 250 kcal hat Bananenmilch (250 g Vollmilch plus eine Banane) oder ein Vollkornbrötchen mit Käse.
Für die Beratung in der Apotheke bietet z. B. die Website des Deutschen Ernährungsberatungs- und -informationsnetzes eine Hilfestellung. Sie enthält eine auf dem Bundeslebensmittelschlüssel basierende Datenbank, in der der Kaloriengehalt von über 15.000 Lebensmitteln abgerufen werden kann.
Gut zu wissen: Was ist der Bundeslebensmittelschlüssel?
Der Bundeslebensmittelschlüssel ist eine umfassende Datenbank für den Nährstoffgehalt von Lebensmitteln. Er wurde als Standardinstrument zur Auswertung von ernährungsepidemiologischen Studien und Verzehrserhebungen in Deutschland unter anderem vom Max-Rubner-Institut entwickelt.
Gesund zunehmen durch regelmäßiges und hochkalorisches Essen
Um einen Energieüberschuss zu erzeugen, wäre es natürlich einfach, Fastfood oder Süßigkeiten in größeren Mengen zu essen. Das wäre aber nicht gesund. Neben einem steigenden LDL-Cholesterolspiegel würde dadurch wahrscheinlich hauptsächlich das Bauchfett zunehmen. Ein großer Bauchumfang ist Indikator für eine Verfettung der Organe, allen voran der Leber, und wird unter anderem als Risikofaktor für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehandelt.
Wie können untergewichtige Personen also gesund zunehmen? Die Portionen von Frühstück, Mittagessen und Abendessen sollten vergrößert werden, um ein Kalorienplus von circa 500 kcal am Tag zu erreichen.
Für einige Menschen ist es leichter, viele kleine, anstatt wenige große Mahlzeiten zu essen. Zwei bis drei Zwischenmahlzeiten können dann in den Tagesablauf integriert werden. Abgesehen davon sollte regelmäßig gegessen werden.
Wichtig ist auch, sich im Alltag genügend Zeit zum Essen zu nehmen. Ist diese Zeit morgens nicht vorhanden, kann z. B. überlegt werden, ob es möglich ist, ein vorbereitetes Porridge im Zug zu verzehren oder vormittags eine zusätzliche Vesperpause einzulegen.
Essen sollte etwas Genussvolles sein und keine lästige Pflicht. Schönes Anrichten der Mahlzeiten und gemeinschaftliches Essen können den Appetit anregen.
Gut zu wissen: Gewichtsabnahme – wann zum Arzt?
Bei schneller Gewichtsabnahme in kurzer Zeit sollte ein Arzt aufgesucht werden. Ungewollte Gewichtsverluste von mehr als 10 % oder mehr als 5 % im letzten Vierteljahr sollten ärztlich abgeklärt werden.
Auch bei Symptomen von Mangelernährung, wie starke Blässe, Infektneigung oder Abgeschlagenheit empfiehlt es sich, dies ärztlich abzuklären.
Liegen neben einer Gewichtsabnahme noch Symptome wie Schwindel, Bauchschmerzen oder dergleichen vor, sollte der Betroffene zum Arzt geschickt werden.
Unverarbeitete und energiereiche Nahrungsmittel zu sich nehmen
Um den Körper ausreichend mit allen Nährstoffen zu versorgen und gleichzeitig viele Kalorien aufzunehmen, eignen sich unverarbeitete, energiedichte Lebensmittel. Dazu zählen
- Nüsse,
- Hülsenfrüchte,
- Avocados,
- Oliven,
- Trockenfrüchte,
- Bananen,
- Vollkornprodukte sowie
- fettreiche Milchprodukte.
Zu Kartoffelbrei kann zum Beispiel Butter hinzugefügt werden oder Rohkost in einen fettreichen Dip mit saurer Sahne getunkt werden, um den Energiegehalt zu erhöhen. Im Allgemeinen können, je nach Lebensmittel, Sahne, Butter, Margarine, Öl oder Nussmus zugefügt werden.
Erdnussbutter kann dem morgendlichen Müsli zugefügt oder ein Vollmilchshake als nachmittägliche Routine etabliert werden. Statt Wasser oder Tee zu trinken, kann auf gehaltvolle Malzgetränke oder Säfte zurückgegriffen werden.
Menschen, die ungern kochen bzw. Mahlzeiten zubereiten, können sich in die Arbeit zum Beispiel einen abgepackten (Vollmilch-)Joghurt, einen Müsliriegel und ein reichlich belegtes Vollkornbrot mitnehmen. Das geht einfach, schnell und ist nährstoffreich.
Wie Sport beim Zunehmen hilft
Neben einer Anpassung der Ernährung kann auch Sport beim Zunehmen helfen. Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, Widerstandsbändern oder Gewichten erhöhen die Muskelmasse, und das zeigt sich auf der Waage.
Die WHO empfiehlt allen gesunden Erwachsenen 2- bis 3-mal wöchentlich Krafttraining. Neulinge sollten sich in einem Fitnessstudio oder bei einem Physiotherapeuten instruieren lassen, um Verletzungen und Fehlstellungen zu vermeiden.
Ausreichend Proteine aufzunehmen, ist bei Krafttraining besonders wichtig. Proteinreiche Lebensmittel sind beispielsweise Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte sowie Hülsenfrüchte, Tofu oder Quinoa. Proteinpulver kann ebenfalls verwendet werden und als Shake verzehrt oder über das Müsli oder die Suppe gestreut werden.
Bei Untergewicht mit Trinknahrung unterstützen
Wird das Kalorienziel dennoch nicht erreicht, können Trinknahrungen oder Pulver aus der Apotheke eingesetzt werden. Diese Produkte enthalten oft Maltodextrin, einen geschmacksneutralen Zucker, der lösbar ist und in Wasser oder flüssiges Essen eingerührt werden kann. Es gibt auch Trinknahrung und Pulver mit Geschmack. Reines Maltodextrin in Pulverform gibt es unter anderem von HBK Gesundheit plus oder Berco-Arzneimittel.
In der nachfolgenden Tabelle stehen Produkte zur Unterstützung einer Gewichtszunahme:
Trinknahrung oder Pulver | Hersteller | Anmerkungen |
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CaloVital | Ka3 Premium Products |
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Frebini® Energy Fiber | Fresenius Kabi Deutschland |
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Fresubin® Energy | Fresenius Kabi Deutschland |
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Lamperts Maltodextrin 6 | Berco-Arzneimittel |
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LaVieCal® Plus | Midas Healthcare |
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Maltodextrin DE 19 HBK Instant Pulver | HBK Gesundheit plus | Wasserlösliches Instant-Pulver, lactose-, fructose- und saccharosefrei |
Nutricia Fortimel® Jucy plus | Danone Deutschland |
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Resource® Junior | Nestlé |
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Saturo® Eat Complete | Saturo |
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Regelmäßiges Wiegen und Dokumentieren der Gewichtszunahme
Um zu erkennen, ob Maßnahmen zur Gewichtssteigerung erfolgreich sind, ist regelmäßiges Wiegen wichtig. Das Gewicht sollte alle sieben bis 14 Tage auf der Waage überprüft werden.
In der Apotheke sollte man zudem darauf hinweisen, dass wie beim Abnehmen auch beim Zunehmen Geduld gefragt ist. Eine Gewichtszunahme von 0,5 bis 1 kg pro Monat ist bereits ein Erfolg. Ein Ernährungsprotokoll kann helfen, wenn die Gewichtszunahme ausbleibt.
Oft überschätzen Menschen, die sich mit dem Zunehmen schwertun, wie viele Kalorien Lebensmittel haben oder es bestehen Probleme, neue Verzehrgewohnheiten zu etablieren. Bei Durchsicht des Protokolls und im Gespräch mit dem Betroffenen fallen Fehlannahmen und Herausforderungen auf und können besprochen werden. Quellen:
- Weltgesundheitsorganisation. Malnutrition. www.who.int/health-topics/malnutrition#tab=tab_1
- National Health Service. Healthy ways to gain weight. www.nhs.uk/live-well/healthy-weight/managing-your-weight/healthy-ways-to-gain-weight
- Ringbäck Weitoft G et al. Underweight, overweight and obesity as risk factors for mortality and hospitalization. Scand J Public Health 2008, doi: 10.1177/1403494807085080
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Bundeslebensmittelschlüssel. https://blsdb.de/bls?background
- Whitfield H et al. Risk factors of persistent adolescent thinness: findings from the UK Millennium Cohort Study. BMC public health 2023, www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10207649/]
- Schienkiewitz A et al. Body-Mass-Index von Kindern und Jugendlichen: Prävalenzen und Verteilung unter Berücksichtigung von Untergewicht und extremer Adipositas. Bundesgesundheitsblatt 2019, doi: 10.1007/s00103-019-03015-8
- Statistisches Bundesamt. Körpermaße nach Altersgruppe und Geschlecht. 2021, www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitszustand-Relevantes-Verhalten/Tabellen/liste-koerpermasse.html#104708