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„Apotheke light“: Gibt es dafür genug PTA?

PTA hebt ratlos die Hände
Schon jetzt herrscht Fachkräftemangel in den Apotheken. Wer soll zukünftig die Filialapotheken führen? | Bild: Schelbert / PTAheute

Der Referentenentwurf zur Apothekenreform wurde in der Apothekenwelt mit Spannung erwartet. Schließlich lagen die Eckpunkte bereits seit Dezember vor.

Bis zuletzt fragte sich die Apothekerschaft, ob Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach an seinen Plänen festhalten wird, in Apotheken zumindest zeitweise eine Vertretung durch PTA zuzulassen. 

Es soll zwar gewisse Einschränkungen geben, zum Beispiel soll die Abgabe von Betäubungsmitteln nicht erlaubt sein und es muss jederzeit ein Apotheker aus einer anderen Filiale zur Unterstützung per Video zugeschaltet werden können. 

Doch abgerückt ist der Bundesgesundheitsminister von dieser Idee nicht. Sie findet sich nun im Gesetzesentwurf.

PTA ist ein Mangelberuf

Ganz abgesehen davon, wie man inhaltlich zu dieser Idee steht, stellt sich zwangsläufig auch die Frage, ob es überhaupt PTA gibt, die die neuen Aufgaben übernehmen können und wollen. Schließlich herrscht vielerorts im PTA-Beruf noch größerer Mangel als bei den Approbierten. 

So kommen beispielsweise in Westfalen-Lippe 8,5 offene Stellen auf eine stellensuchende PTA, bei den Approbierten sind es „nur“ sechs Stellen pro suchende Person. Gute PTA kehren immer wieder der Apotheke den Rücken und wandern in die Industrie oder zu den Krankenkassen ab, die mit familienfreundlicheren Arbeitszeiten und höherem Gehalt locken. Erschwerend hinzu kommt die in Berufen mit großem Frauenanteil hohe Teilzeitquote.

PTA wollen nicht mehr Verantwortung

Qualifizierte PTA für diese neue Vertretungsaufgabe zu finden, dürfte allerdings noch schwieriger sein als PTA für „normale“ Stellen in der Apotheke. Denn viele PTA wollen eine derartige Verantwortung offenbar gar nicht übernehmen. 

Das seien vielleicht zwei in jedem Jahrgang, erklärt gar eine Schulleiterin. Und Dr. Constanze Schäfer von der Apothekerkammer Nordrhein berichtet, dass sie einen Run auf die Fortbildungszertifikate erwartet hätte, als im Zuge der PTA-Reform PTA erweiterte Befugnisse erhalten konnten. Denn das ist eine der Voraussetzungen, dass Apothekenleiter bei bestimmten Tätigkeiten auf die Aufsicht verzichten können. 

„Ich dachte, die rennen uns die Bude ein“, sagt sie. Nichts dergleichen ist aber passiert. So lautet ihre Schlussfolgerung: „Die meisten PTA wollen also gar nicht mehr Verantwortung.“

BVpta: Mehr Verantwortung nur mit mehr Gehalt

Der Bundesverband PTA (BVpta) machte direkt nach dem Bekanntwerden der Pläne deutlich: „Für ‚Apotheke light‘ und ‚Filialleitung light‘ stehen wir nicht zur Verfügung.“ In einem Statement von Ende September 2023 machte der Verband auch seinem Ärger darüber Luft, dass „mit uns mal wieder nicht geredet wird“.

Jetzt legte der BVpta nach, denn Gespräche mit Lauterbach hat es seither immer noch nicht gegeben – trotz schriftlicher Aufforderung, wie es in einem Statement heißt. Ansonsten wüsste der Minister, dass PTA bereit seien, mehr Verantwortung zu übernehmen, dass sie 80 Prozent aller in Apotheken verausgabten Arzneimittel abgeben und dass sie im Notfall auch als „Vertretung“ eine Apotheke leiten könnten, „aber nach auch mit uns besprochenen Regeln“. 

Für Kritik sorgt vor allem die Vorstellung, dass PTA als „billiger ‚Ersatz‘“ das Apothekensterben stoppen könnten. Zudem erinnert der Verband daran, dass mehr Verantwortung auch mit mehr Gehalt einhergehen muss. Solange aber die Apotheken in Gänze nicht besser honoriert werden, sei auch nicht mehr Geld für die PTA da.

PTA-Ausbildung befähigt nicht zur Führung

Auch der Blick in Richtung Nachwuchs lässt nicht im großen Stil PTA für Leitungsaufgaben erwarten. Denn selbst die besten Schüler, die am Ende der Ausbildung alles können, was der Lehrplan hergibt, können nicht temporär eine Apotheke leiten, sagt Clemens Tründelberg, der die PTA-Schule in Eisenhüttenstadt leitet. 

„Dafür ist die Ausbildung nicht ausgelegt“, erklärt er. Die Apothekenbetriebsordnung gestehe den PTA derzeit wenig Verantwortung zu. Da fehlten mindestens noch drei Schritte zwischen den aktuellen Befugnissen und dem, was Lauterbach vorsieht, so Tründelberg. Das bestätigt eine andere Schulleiterin. Die PTA-Ausbildung ziele nicht darauf ab, Führung zu übernehmen oder Entscheidungen eigenständig zu treffen.

Qualität der PTA-Schüler lässt nach

Auch Burkhard Pölzing, Leiter der Völkerschule in Osnabrück, glaubt nicht, dass es die von Herrn Lauterbach gewünschten PTA derzeit in ausreichender Anzahl und mit der erforderlichen Kompetenz gibt. Es werde sich ja eben nicht um Standard-PTA handeln, sagt er.

Zudem lässt an vielen PTA-Schulen die Qualität der Bewerber immer mehr nach. Zunehmend würden Schüler in PTA-Schulen durch die Ausbildung und das Examen „geschoben“, die tatsächlich vor einigen Jahren chancenlos gewesen wären, erklärt Kerstin Wahlbuhl, die an einer PTA-Schule in Hannover unterrichtet und Vorsitzende des Vorstands der DPhG-AG „Theoretische und Praktische Ausbildung“ (TuPA) ist. 

Ähnliches hört man auch von anderen Schulen: „Wir kämpfen, um die Schüler*innen durch die Ausbildung zu bekommen“, sagt eine Schulleiterin. Dabei habe man das Niveau ohnehin schon gesenkt. „Wir haben den Stoff gekürzt und alles, was schwierig ist, gestrichen“, sagt sie. Maximal die Hälfte der Schüler*innen schaffe die Ausbildung in den vorgesehenen zwei Jahren.  

Früher hätten die mündlichen Prüfungen drei Tage bis jeweils 18 Uhr gedauert, heute seien es zwei Tage und um 15 Uhr sei Schluss, weil statt 140 nur noch 80 Schüler*innen teilnehmen. Schüler*innen mit klassischem Realabschluss seien an ihrer Schule mittlerweile die Ausnahme, die große Mehrheit bewerbe sich mit M10, also dem mittleren Schulabschluss an der Mittelschule (früher Hauptschule), der dem Realabschluss formal jedoch gleichgestellt ist.

PTA: Zahl der Bewerbungen nimmt ab

Laut Constanze Schäfer von der Kammer Nordrhein liegt das vor allem daran, dass immer weniger Bewerbungen eingehen, während die Zahl der Ausbildungsplätze in etwa stabil bleibt. 

Die Schulen können also weniger wählerisch sein. Das bestätigt Clemens Tründelberg: Für seine 24 Ausbildungsplätze habe er in den 90er-Jahren 200 Bewerber*innen gehabt, jetzt seien es 40. Dementsprechend würden Personen angenommen, die früher keine Chance gehabt hätten. 

„Es fehlt einfach an kompetenten Bewerber*innen“, sagt er. Im aktuellen Jahrgang sind Tründelberg zufolge nur zehn von 24 Schüler*innen überhaupt für die Prüfung zugelassen. Es mangele den Schüler*innen oft an den Grundfähigkeiten des Wissenserwerbs, erklärt er.

Schlechte Bezahlung macht PTA-Beruf unattraktiv

Die Gründe, warum sich qualifizierte Schulabsolventen nicht für eine PTA-Ausbildung entscheiden, liegen für Clemens Tründelberg auf der Hand. Ein wesentlicher Punkt ist in seinen Augen die fehlende Ausbildungsvergütung. 

„Die können für 1.200 Euro im Monat im Klassenraum nebenan Physiotherapeuten und Pflegekräfte werden. Wenn nicht die Apothekerkammer das Schulgeld übernehmen würde, müssten sie sogar noch etwas bezahlen“, so der Apotheker. 

Eine weitere Rolle spiele auch die schlechte Bezahlung der fertigen PTA. Außerdem fehle es dem Beruf an Sichtbarkeit. Die jungen Leute hätten ihn nicht auf dem Schirm – anders als Physiotherapie oder Pflege. 

Hier sieht Tründelberg vor allem die Apothekeninhaber in der Pflicht. Wenn sie so dringend PTA bräuchten, müsste in jedem Schaufenster, in dem ein bisschen Platz sei, ein Hinweis auf den PTA-Beruf zu finden sein, findet er. 

Das Problem der fehlenden Ausbildungsvergütung bestätigt eine andere Schulleiterin. „Natürlich sind immer ein paar dabei, die unbedingt diese Ausbildung machen wollen und dafür auch bereit sind, auf Geld zu verzichten“, sagt sie. Die seien dann auch richtig gut. Zunehmend bewerben sich aber auch Schulabgänger, weil sie schlicht nichts anderes finden. „Die sitzen dann im Vorstellungsgespräch und haben keine Ahnung, was PTA für ein Beruf ist.“

Neue Zielgruppen für PTA-Ausbildung erschließen

Burkhard Pölzing nimmt an seiner Schule keine Bewerber auf, die eine unzureichende Eingangsqualifikation und Eignung besitzen, wie er erklärt. Jeder Bewerber durchlaufe ein Aufnahmeverfahren, etwa 10 bis 20 Prozent seien zum Zeitpunkt der Bewerbung (noch) nicht für die Ausbildung geeignet. 

Das führt allerdings zu sinkenden Schülerzahlen: „An unserer Schule hatten wir im Schuljahr 22/23 einen Tiefpunkt erreicht. Von ehemals zehn PTA-Klassen sind wir auf sieben Klassen zurückgegangen. Ab dem Schuljahr 24/25 werden wir wieder neun PTA-Klassen in der Ausbildung haben“, erklärt Pölzing gegenüber der Redaktion. 

Seine Schule setze sich zudem intensiv für die Qualifizierung von zugewanderten PTA-Fachkräften ein, die in Deutschland ihre berufliche Anerkennung erwerben möchten, berichtet er. 

Außerdem gibt es optional PTA-Klassen in Teilzeitausbildung. „Dadurch erreichen wir neue, gut geeignete Zielgruppen, um dem Fachkräftemangel in den Apotheken zu begegnen“, sagt er. 

Grundsätzlich ist Pölzing aber der Auffassung, dass der Gesetzgeber dringend nachbessern muss, um die Zahl der Berufsabschlüsse zu erhöhen. Er sieht an seiner Schule auch weiteres Potenzial, die Zahl gut ausgebildeter PTA zu erhöhen. Ob und wie lange diese dann der öffentlichen Apotheke zur Verfügung stünden, hänge von anderen Faktoren ab.

Aufstiegschancen für PTA schaffen

Wie die notwendige Zusatzqualifikation für die neuen Vertretungsaufgaben erworben werden könnte, da hat Pölzing allerdings einen Vorschlag und weist in diesem Zusammenhang auf seine Idee zur Novellierung der PTA-Ausbildung hin. 

„Wir benötigen eine optionale, berufsbegleitende Aufstiegsqualifizierung für ausgebildete PTA. Diese könnten dann das Niveau von Apothekerassistenten und Pharmazieingenieuren erreichen und auch eine deutlich höhere Vergütung erhalten. Dies bietet Perspektiven und ist ein Gewinn für das Personal, die Apotheken und die Gesundheitsversorgung“, so Pölzing.