Propranolol-Lösung bei kindlichen Hämangiomen
Der Wirkstoff Propranolol wird seit Jahrzehnten zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Hypertonie sowie Herzrhythmusstörungen erfolgreich eingesetzt. Seine Verwendung bei Hämangiomen geht dagegen auf eine Zufallsentdeckung einer französischen Ärztin im Jahr 2008 zurück.
Die Medizinerin behandelte einen Säugling wegen einer Erkrankung des Herzmuskels mit Propranolol. Das Kind hatte dazu ein ausgedehntes Hämangiom im Gesicht. Unter der Therapie mit Propranolol bildete sich die Hautveränderung deutlich zurück.
Gut zu wissen: Was sind Hämangiome?
Unter einem Hämangiom versteht man einen gutartigen Tumor der Haut, der von unreifen Blutgefäßen gebildet wird. Diese Hautveränderung wird auch als Blutschwamm bezeichnet und betrifft rund vier bis fünf Prozent aller Säuglinge – Mädchen sind davon deutlich häufiger betroffen.
Die Hämangiome bilden sich in den ersten Lebenswochen und wachsen dann über mehrere Monate. Meist erfolgt nach den ersten sechs bis neun Lebensmonaten ein Wachstumsstillstand. Im Laufe der Jahre bilden sich die meisten Hämangiome vollständig zurück.
Kleine Hämangiome an Armen oder Beinen bedürfen daher meist keiner Behandlung. Bei großen Blutschwämmen sowie solchen an bestimmten Körperstellen wie am Gesicht, Hals oder im Genitalbereich können jedoch verschiedene Komplikationen auftreten, die eine Therapie erfordern.
Seit 2014 gibt es mit Hemangiol® auch ein entsprechendes Fertigarzneimittel zur Therapie von Hämangiomen in der Pädiatrie. Dabei handelt es sich um eine leicht gelbliche Lösung zum Einnehmen und die Darreichungsform enthält 3,75 mg Propranolol pro Milliliter Flüssigkeit.
Sicherheitsanforderungen bei der Anwendung von Hemangiol® beachten
Bei der Anwendung des Arzneimittels Hemangiol® können lebensgefährliche Nebenwirkungen auftreten. Daher müssen die Eltern der betroffenen Kinder genau über die korrekte Applikation Bescheid wissen.
PTA können dabei im Rahmen des Beratungsgesprächs bei der Abgabe einen wichtigen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit leisten. Wichtige Informationen zu Hemangiol® sind dazu auch im behördlich genehmigten Schulungsmaterial, das auf der Homepage des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu finden ist, zusammengestellt.
Diese ausführlichen Informationen zur Anwendung ergänzen die Gebrauchs- und Fachinformation und sind mit dem Symbol „Blaue Hand“ versehen.
Wie wirkt Propranolol?
Der Arzneistoff Propranolol gehört zur Wirkstoffgruppe der nicht selektiven Betarezeptorenblocker. Seine Wirkung bei kindlichen Hämangiomen beruht unter anderem auf einer lokalen Vasokonstriktion und einer dadurch ausgelösten verminderten Durchblutung des Hämangioms.
Infolgedessen kommt es zu einer verminderten Expression von Wachstumsfaktoren und einem Absterben der Zellen. Der genaue Mechanismus wird momentan noch untersucht.
Die Behandlung bei Säuglingen wird ab einem Alter von fünf Wochen bis fünf Monaten begonnen und über einen Zeitraum von sechs Monaten durchgeführt.
Wie wird Propranolol dosiert?
Wird der Wirkstoff zur Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt, bezieht sich die verordnete Dosis auf Propranololhydrochlorid. Bei der systemischen Behandlung von Hämangiomen ist dies anders: Die Dosierung erfolgt bei dieser Indikation in Form von Propranolol.
Das Fertigarzneimittel Hemangiol® enthält als Wirkstoff zwar auch Propranololhydrochlorid (4,28 mg/ml) gelöst in Gereinigtem Wasser, dosiert wird aber nach der Base Propranolol (3,75 mg/ml).
Die übliche Tagesdosis beim kindlichen Hämangiom richtet sich nach dem Körpergewicht des Kindes und beträgt 1, 2 oder 3 mg/kg Körpergewicht Propranolol – meist aufgeteilt in zwei Einzeldosen. Eine Dosis wird dabei am Morgen, die andere am späten Nachmittag verabreicht. Zwischen den Einzeldosen sollten mindestens neun Stunden liegen.
Zu Beginn der Therapie wird zunächst eine geringe Dosis verabreicht, die dann langsam gesteigert wird. In der Apotheke sollte mit den Eltern noch einmal die vom Arzt verordnete Dosis besprochen und eindringlich darauf hingewiesen werden, dass diese nicht verändert werden darf.
Wurde einmal eine Dosis vergessen, so darf diese nicht später nachgeholt werden. Wird aus Versehen eine zu hohe Dosis gegeben, ist ein Arzt zu kontaktieren.
Mischung von Propranolol mit Säuglingsmilch oder Fruchtsaft möglich
Zur Applikation von Hemangiol® kann die abgemessene Einzeldosis mit einer kleinen Menge Säuglingsmilch oder altersgemäßem Fruchtsaft gemischt werden.
Bei Kindern bis fünf Kilogramm Körpergewicht kann Hemangiol® mit einem Teelöffel Säuglingsnahrung oder Muttermilch gemischt werden. Bei schwereren Kindern ab fünf Kilogramm Körpergewicht kann dazu ein Esslöffel Säuglingsmilch oder auch Apfel- oder Orangensaft verwendet werden.
Die Mischung aus Arzneimittel und Säuglingsmilch oder Fruchtsaft kann anschließend innerhalb von zwei Stunden in einer Babyflasche verabreicht werden. Die Flasche darf dazu aber nicht voll mit Milch oder Fruchtsaft gefüllt werden.
Propranolol: Niedriger Blutzuckerspiegel als gefährliche Nebenwirkung
Junge Säuglinge sind anfällig für eine Hypoglykämie, also eine Absenkung der Blutglucose-Konzentration unter den normalen Wert. In Stresssituationen oder im Rahmen einer Infektion haben sie einen erhöhten Bedarf an Glucose. Kommen dann zusätzlich noch Zeiten von eingeschränkter Nahrungsaufnahme dazu, wie beispielsweise beim Zahnen, kann es leicht zu einem niedrigen Blutzuckerspiegel kommen.
Hemangiol® kann bereits in therapeutischen Dosen eine solche Hypoglykämie verstärken sowie die Warnzeichen einer Unterzuckerung maskieren.
Gut zu wissen: Woran erkennt man eine Hypoglykämie?
Frühe Warnzeichen einer Unterzuckerung sind Zittern, Schwitzen, Blässe, Müdigkeit und Aufwachschwierigkeiten. Wird der Mangel an Glucose nicht behoben, kann es zu Schläfrigkeit, verminderter Körpertemperatur, kurzen Atempausen, Krämpfen und Bewusstlosigkeit kommen.
Wenn Kinder während einer Behandlung mit Propranolol Zeichen einer solchen Unterzuckerung aufzeigen, muss die Therapie sofort abgebrochen werden. Dem Kind sollte sofort eine zuckerhaltige Lösung zum Trinken verabreicht werden. Ist das Kind nicht bei Bewusstsein, muss ein Arzt gerufen oder direkt ins Krankenhaus gegangen werden.
Das Risiko für das Auftreten einer Unterzuckerung besteht nicht nur zu Therapiebeginn, sondern bleibt über die gesamte Behandlungsdauer mit Hemangiol® bestehen. Um eine Hypoglykämie zu vermeiden, ist es wichtig,
- die verordnete Dosis genau einzuhalten,
- das Arzneimittel immer während oder kurz nach einer Mahlzeit zu verabreichen und
- die letzte Dosis nicht unmittelbar vor dem Schlafengehen zu geben.
Grundsätzlich sollte das Kind unter einer Therapie mit Hemangiol® nicht längere Zeit ohne Essen sein. Zur Sicherheit des Kindes ist es anzustreben, dass diejenige Person, die das Kind füttert, auch das Arzneimittel verabreicht.
Wenn das Kind die Nahrung verweigert oder sich erbrechen muss, darf kein Hemangiol® verabreicht werden. Die Therapie darf erst wieder fortgesetzt werden, wenn das Kind wieder normal isst.
Propranolol kann auch zu Atemproblemen führen
Bei der Anwendung von Hemangiol® kann es auch zu einer Verengung der Atemwege kommen, so dass das Kind Schwierigkeiten beim Atmen entwickelt. Solche Bronchospasmen machen sich durch Husten, schnelle oder pfeifende Atmung bemerkbar, auch kann es zu bläulichen Verfärbungen der Haut kommen.
Die beschriebenen Atemprobleme treten meist im Zusammenhang mit bronchialen Infektionen auf. In solchen Fällen muss die Behandlung mit Hemangiol® sofort abgebrochen und ein Arzt aufgesucht werden.
Wie wird das Arzneimittel Hemangiol® verabreicht?
Wie bereits beschrieben sollte die jeweilige Einzeldosis immer während oder unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme appliziert werden.
Zum Abmessen der Dosis liegt dem Arzneimittel eine Oralspritze mit einer Skalierung für Milligramm Propranolol bei. Damit kann die Lösung direkt in den Mund des Kindes verabreicht werden. Falls diese Spritze verloren gegangen ist, darf keine andere Spritze verwendet werden. Die Eltern sollen sich dann an den Arzt oder die Apotheke wenden.
Damit sich keine störenden Luftblasen bilden, darf die Flasche vor der Anwendung nicht geschüttelt werden. Die Aufbrauchsfrist für Hemangiol® beträgt nach dem ersten Öffnen zwei Monate.
Zur Entnahme der Einzeldosis wird die Spitze der Oralspritze in die Flasche eingeführt und der Kolben nach unten gedrückt.
Anschließend kann die Flasche mit der darin steckenden Spritze umgedreht werden. Mit Hilfe des Spritzenkolbens wird dann die benötigte Dosis in Milligramm aufgezogen.
Nachdem die Dosis dem Kind verabreicht wurde, muss die Spritze gereinigt werden. Dazu wird diese in einem mit Wasser gefüllten Glas mehrfach aufgezogen, eine Reinigung mit Spülmittel darf nicht erfolgen.
Gut zu wissen: Auch Rezepturen können hergestellt werden
Lösungen mit Propranolol können auch in der Rezeptur hergestellt werden. Bedarf besteht bei Nichtverfügbarkeit der jeweiligen Fertigarzneimittel oder wenn der Arzt eine abweichende Dosierung verordnen möchte.
Standardisierte Rezepturvorschriften sind dazu im Neuen Rezeptur-Formularium zu finden. Zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Pädiatrie kann eine Propranololhydrochlorid-Lösung 1mg/ml (NRF 10.6.) hergestellt werden. Zur Therapie kindlicher Hämangiome eignet sich eine Propranolol-Lösung 5 mg/ml (NRF 11.142.).
Quellen:
- Fachinformation Hemangiol® Propranolol 3,75 mg/ml, Lösung zum Einnehmen
- Leitfaden zur Verringerung von Arzneimittel- und Anwendungsrisiken für Angehörige der Heilberufe zu Hemangiol 3,75 mg/ml, Lösung zum Einnehmen
- https://www.fagg-afmps.be/sites/default/files/downloads/Hemangiol%20patient%20DE.pdf
- DAC/NRF-Vorschrift Propranolol-Lösung 5 mg/ml (NRF 11.142.)
- https://www.ukw.de/hautklinik/schwerpunkte/hauterkrankungen-im-kindesalter/blutschwaemme-haemangiome-im-kindesalter/