Krebs: Zu wenig Menschen gehen zur Vorsorge
Krebserkrankungen fordern in Deutschland jedes Jahr etwa 230.000 Todesfälle. Sie belegen damit den zweiten Platz nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Rangfolge der Todesursachen.
Das Überleben hängt unter anderem davon ab, wann die Krebserkrankung entdeckt wird. Für viele Fälle gilt: Je früher eine Diagnose gestellt und mit der Therapie begonnen wird, desto größer sind die Aussichten auf einen Heilungserfolg.
Ein geeignetes Mittel hierzu sind Vorsorgeuntersuchungen zur Krebsfrüherkennung, die von den gesetzlichen Krankenversicherungen unter bestimmten Voraussetzungen bezahlt werden.
Gut zu wissen: Welche Vorsorgeuntersuchungen gibt es?
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine Reihe von Vorsorgeuntersuchungen. Unter anderem haben Frauen ab 20 Jahren Anspruch auf eine jährliche gynäkologische Untersuchung zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs. Ab 30 Jahren können sie außerdem einmal im Jahr eine Brustkrebsfrüherkennung durchführen lassen.
Männer können sich ab 45 Jahren jährlich auf unter anderem Prostatakrebs untersuchen lassen. Das Darmkrebs-Früherkennungsprogramm beginnt bei allen Geschlechtern ab einem Alter von 50 Jahren.
Und dennoch werden die kostenfreien Früherkennungsuntersuchungen zu selten in Anspruch genommen. Das zeigt eine Hochrechnung von Abrechnungsdaten der Barmer Krankenkasse.
Immer weniger gehen zur Vorsorgeuntersuchung
Während in 2021 noch mehr als die Hälfte der anspruchsberechtigten Frauen zur Mammographie ging, nahm nur noch jede dritte Frau und etwa jeder vierte Mann eine Hautkrebsfrüherkennungsuntersuchung in Anspruch. Die Teilnehmerquote zur Prostatakrebsvorsorge lag bei den Männern ab 45 Jahren laut den Daten der Barmer bei 23 Prozent.
Wenngleich die Teilnahmequoten im Jahr 2020 pandemiebedingt deutlich niedriger lagen als in den Jahren zuvor, ist den Daten der Krankenkasse dennoch insgesamt ein Abwärtstrend zu entnehmen.
Um herauszufinden, weshalb so wenig Menschen zur Vorsorge gehen, hat die Barmer im Frühsommer 2023 1.500 Menschen in Deutschland zu ihrer Meinung zu Früherkennungsuntersuchungen befragt.
Jeder Zweite fühlt sich schlecht informiert
Mehr als drei Viertel der Befragten sind der Meinung, dass Früherkennungsuntersuchungen aktiv zum Erhalt der eigenen Gesundheit beitragen können (79 Prozent der Frauen, 76 Prozent der Männer). 59 Prozent halten die Angebote in Deutschland auch für leicht zugänglich, doch nur 49 Prozent fühlen sich ausreichend informiert. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede in den Altersgruppen: Unter den über 60-Jährigen fühlen sich 70 Prozent ausreichend informiert.
So scheint schon der Informationsfluss einen ersten Hinderungsgrund darzustellen. Denn zwischen 5 (im Hinblick auf Darmkrebs) und 13 Prozent (bei Hautkrebs) der Befragten geben an, dass sie nicht sicher sind, ob ihre Krankenkasse die Untersuchung bezahlt.
Umsetzbarkeit der Vorsorge zu kompliziert?
Auch die Umsetzbarkeit der Früherkennungsangebote erweist sich für viele als Hürde. Mehr als jeder Dritte empfindet den Aufwand für die Arztsuche und/oder Terminvereinbarung als zu hoch.
Und immerhin 35 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sie zu wenig Unterstützung vom Arbeitgeber erhalten, um Vorsorgeuntersuchungen während der Arbeitszeit wahrnehmen zu können.
Keine Vorsorge wegen fehlender Symptome
Viele begründen ihre Nichtteilnahme an Vorsorgeuntersuchungen auch damit, dass sie keinerlei Symptome verspüren (20 Prozent bei Hautkrebs, 33 Prozent bei Darmkrebs). Dieses Verhalten könnte riskant sein, denn Krebserkrankungen können bereits ausgebrochen sein, auch ohne dass man dies anhand von Symptomen bemerkt.
Jeweils mehr als ein Viertel erklärt bei der Darm- und Prostatakrebsfrüherkennung, dass die Untersuchungen unangenehm sind.
Zugang zur Vorsorge vereinfachen
Aus diesem Grund fordert Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer, den Zugang zur Krebsfrüherkennung „so unkompliziert wie möglich“ zu gestalten. Im Jahr 2021 sei beispielsweise nur bei rund zwei Prozent der Männer ab 50 Jahren und Frauen ab 55 Jahren eine Darmspiegelung dokumentiert worden, die alle zehn Jahre in Anspruch genommen werden könne.
Um einen niedrigschwelligen Zugang zu ermöglichen, biete die Barmer den alternativ durchführbaren Stuhltest als „Digitale Darmkrebsfrüherkennung“ an. Der Test könne online nach Hause bestellt und zur Gratis-Auswertung per Post in ein Labor geschickt werden.
Bevölkerung besser informieren
Außerdem sieht Straub die Notwendigkeit für „eine Informationsoffensive, um offene Fragen auszuräumen“. Hier seien alle Angehörigen des Gesundheitswesens in der Pflicht. Der Berufsverband Deutscher Dermatologen sieht an dieser Stelle vor allem den Staat in der Verantwortung.
Mit einem staatlich organisierten Hautkrebs-Screening „wäre sichergestellt, dass wir auch alle Bevölkerungs- und Risikogruppen erreichen“, wird Verbandspräsident Ralph von Kiedrowski in Medienberichten zitiert.
Gesundheitsbehörden müssten etwa 35,7 Millionen Versicherte anschreiben und zum kostenlosen Screening einladen, sagt er. Er hält außerdem eine jährliche Vorsorgeuntersuchung zu Hautkrebs für die beste Prävention, denn: „Die Fälle von hellem Hautkrebs werden über uns noch hereinbrechen, weil die Menschen immer älter werden.“ Quelle: Playbook des Handelsblatt Research Institute und des Health Circle Barmer, dpa