Studie: Ingwer stärkt das Immunsystem
Ingwerwurzelstock, Zingiberis rhizoma (Zingiber officinale, Zingiberaceae) ist eine Heil- und Würzpflanze von wachsender Beliebtheit: Im Jahr 2021 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ganze 31.600 Tonnen des Rhizoms nach Deutschland importiert. Arzneiingwer enthält 1,5–3 Prozent ätherisches Öl und 1–2 Prozent nichtflüchtige Scharfstoffe wie Gingerole. Angebaut wird Ingwer hauptsächlich in Südchina, aber auch aus Martinique, Jamaika und Australien wird er importiert.
Einsatz bei Übelkeit und Erbrechen
Im pharmazeutischen Kontext ist Ingwer insbesondere für seine antiemetische Wirkung bekannt, die vermutlich auf einem 5HT3-Rezeptor-Antagonismus beruht. Für die Indikation „Prävention von Übelkeit und Erbrechen bei der Reisekrankheit“ ist in der HMPC-Monographie von 2012 der well-established use angegeben. Hier wird die Einnahme von 1–2 g gepulverter Droge eine Stunde vor Reiseantritt empfohlen.
Weitere Indikationen sind die symptomatische Behandlung milder Magen-Darm-Beschwerden (HMPC 2012, traditional use) und postoperatives Erbrechen nach kleineren Eingriffen (ESCOP 2009).
Ingwer aktiviert das Immunsystem
Als Hausmittel wird Ingwer zudem von Patienten mit Erkältungen geschätzt. Eine mögliche Rationale für diese Anwendung haben Forscher des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München nun aufzeigen können. In einer kürzlich publizierten Laborstudie fanden sie heraus, dass der Ingwerscharfstoff [6]-Gingerol das menschliche Immunsystem empfänglicher für Infektionsreize macht.
Beteiligt hieran sind ligandengesteuerte Ionenkanäle (TRPV1), die aufgrund ihrer Rolle bei der Schmerz- und Hitzewahrnehmung bekannt sind. Auch der scharfe Geschmack von Ingwer wird über TRPV1 wahrgenommen.
Gut zu wissen: Was ist TRPV1?
TRPV1 steht für transienter Rezeptor-Potenzial-Kationenkanal der Unterfamilie V, Subtyp 1. Dabei steht das „V“ für Vanilloid, weswegen früher auch die Bezeichnung Vanilloid-Rezeptor oder – nach seinem Agonisten Capsaicin – Capsaicin-Rezeptor geläufig war.
Der Ionenkanal kommt in Nervenzellen des zentralen und peripheren Nervensystems vor. Neben Capsaicin können auch andere Reize, wie Hitze oder ein erniedrigter pH-Wert, TRPV1 aktivieren, was im Gehirn als Schmerzsignal wahrgenommen wird. /cb
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass diese Kanäle nicht nur von Nervenzellen, sondern auch an der Zelloberfläche von Immunzellen wie neutrophilen Granulozyten exprimiert (ausgebildet) werden. Wurden diese zu den Leukozyten gehörenden Zellen für zwei Stunden mit 50 nM [6]-Gingerol behandelt, erfolgte ein Calciumeinstrom über die offenbar durch den Scharfstoff aktivierten Kanäle.
Weiterhin exprimierten die Zellen in der Folge vermehrt bestimmte Oberflächenproteine wie FPR1 (Formyl peptide receptor 1). Wird dieser Rezeptor durch beispielsweise von Bakterien freigesetztes N-Formylmethionine-leucyl-phenylalanine (fMLF) aktiviert, kommt es zu einer Ausschüttung von Interleukin-8, das seinerseits eine Reihe von Immunprozessen in Gang setzt.
Tatsächlich fanden die Forscher heraus, dass mit [6]-Gingerol vorbehandelte Zellen auf einen fMLF-Reiz hin deutlich mehr Interleukin-8 sowie zur Erregerabwehr verwendete reaktive Sauerstoffspezies (ROS) freisetzten als nicht mit [6]-Gingerol behandelte Kontrollzellen.
Wirkung von Ingwer auf das Immunsystem scheint möglich
Der Ingwer-Scharfstoff versetzt die Immunzellen also in einen „Ready-to-go“-Status, sodass sie im Falle einer eintretenden Infektion stärker reagieren können.
Bei der Übertragbarkeit von Laborergebnissen auf die Abläufe im Organismus ist wie üblich Vorsicht geboten. Jedoch ist die von den Forschern für die Inkubation eingesetzte [6]-Gingerol-Konzentration nicht aus der Luft gegriffen, sondern an die mittlere maximale Plasmakonzentration angelehnt, die in einer vorausgegangenen Forschungsarbeit bei Probanden nach dem Konsum von einem Liter Ingwertee gemessen wurden (42 nmol/L). Eine Wirkung im Organismus nach dem Verzehr von Ingwer scheint daher möglich.