Studienergebnisse veröffentlicht: Akzeptanz für DiGA steigt
Seit Oktober 2020 können digitale Gesundheitsanwendungen – kurz DiGA – auch praktisch auf Kassenkosten verordnet werden. Davor war dies nur theoretisch möglich, da das notwendige Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) noch auf sich warten ließ.
Doch auch nach der Veröffentlichung des DiGA-Verzeichnisses hielten sich Ärzte und Psychotherapeuten mit der Verordnung anfänglich noch etwas zurück. Wie der „E-Health Monitor 2022“ des Beratungsunternehmens McKinsey nun zeigt, hat die DiGA-Nutzung in diesem Jahr jedoch deutlich angezogen. Vorsichtig geschätzt werden es in diesem Jahr 125.000 DiGA-Verordnungen sein und damit knapp dreimal so viele wie noch im Vorjahr (44.000).
Nutzennachweis für 14 Anwendungen erbracht
Das BfArM listet derzeit 33 erstattungsfähige Anwendungen auf. 14 der Anwendungen konnten den Nutzennachweis bereits erbringen und sind damit dauerhaft im DiGA-Verzeichnis zu finden. Die übrigen 19 Anwendungen befinden sich noch in der Erprobungsphase. Je nachdem ob für sie der Nutzennachweis fristgerecht nachgereicht werden kann, werden sie künftig dauerhaft gelistet oder wieder aus dem Verzeichnis gestrichen.
Gut zu wissen: Warum nur 33 Anwendungen?
Doch weshalb stehen – trotz scheinbar guter Marktaussichten – nach 3 Jahren DiGA derzeit lediglich 33 Anwendungen zur Verfügung? Dies könnte daran liegen, dass das Zulassungsverfahren die Hersteller vor immer neue Herausforderungen stellt.
„Zuletzt gab es kaum Neuaufnahmen, hingegen stieg die Zahl der Streichungen. Für viele DiGA-Hersteller wird eine Streichung aus dem Verzeichnis zum Existenzrisiko: Die meisten verfügen nicht über ausreichend Mittel, langwierige und kostenintensive Widerspruchs- und Klageverfahren zu überbrücken. Die Folgen sind Entlassungen von Mitarbeitenden oder gar Insolvenzen“, berichtet der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung jüngst in einer Pressemitteilung.
Dass die Streichung für die Hersteller tatsächlich das „Aus“ bedeuten kann, zeigte sich kürzlich am Beispiel von Rehappy. Der Anbieter gab kurz nach der BfArM-Entscheidung bekannt, sein Angebot einstellen zu müssen.
Evidenz, Patientenwünsche und Erfahrungswerte erhöhen Akzeptanz bei Ärzten
„Die Anzahl der DiGA steigt, das Angebot vergrößert sich Jahr für Jahr“, sagt McKinsey-Fachmann Tobias Silberzahn. Vorbehalte unter Ärzten würden schwächer, die Bekanntheit unter Patienten steige und das Feedback der Nutzer sei bisher überwiegend positiv – daher seien die Aussichten dieses Marktsegments sehr gut. Eine Vielzahl an Studien belege zudem den gesundheitlichen Nutzen. „DiGA können bei chronischen Patienten eine sinnvolle Ergänzung sein, um eine Verhaltensänderung einzuleiten oder zu unterstützen.“
Dass die Vorbehalte der Ärzte allmählich schwinden, bestätigt auch eine Studie der Stiftung Gesundheit. Demnach ist der Anteil der Ärzte, die DiGA ausdrücklich nicht einsetzen wollen, von rund 55 Prozent in den Vorjahren auf 34,7 Prozent gesunken. Mehr als ein Drittel der ambulant tätigen Ärzte gab zudem an, schon einmal DiGA verschrieben zu haben, weitere 13,9 Prozent wollen dies in nächster Zeit tun.
„Nach der anfänglich großen Skepsis ist die Akzeptanz in der Ärzteschaft mittlerweile deutlich gestiegen“, fasst Prof. Dr. med. Dr. rer. pol. Konrad Obermann, Forschungsleiter der Stiftung Gesundheit, die Studienergebnisse zusammen. Dies scheint mehrere Gründe zu haben: Zum einen ließen sich rund zwei Drittel der Ärzte von der klinischen Evidenz überzeugen. Zum andern würden die Wünsche von Patienten und die mittlerweile vorhandene Vertrautheit mit digitalen Technologien die Akzeptanz steigern.
DiGA vor allem bei psychischen Beschwerden
Wie die Umfrage unter 2.639 ambulant tätigen Ärzten ebenfalls zeigte, sprechen sich diese vor allem für digitale Therapiemöglichkeiten im somatischen Bereich aus. So würde der Einsatz von zum Beispiel Tagebuchanwendungen oder Apps, die Vitalparameter aufzeichnen, befürwortet. Doch ist das Angebot in diesem Bereich noch sehr begrenzt.
Viele DiGA basieren auf der kognitiven Verhaltenstherapie und richten sich damit an Patienten mit psychischen Beschwerden. Dies ist möglicherweise der Grund für ein weiteres Ergebnis der Studie: Laut den Befragten werden DiGA mit Abstand am häufigsten bei psychischen Indikationen eingesetzt.
Datenschutz sorgt weiterhin für Bedenken
Erfreulich ist, dass technische oder organisatorische Probleme die Verordnung von DiGA kaum mehr beeinflussen. Allerdings sorgen andere Faktoren teilweise noch für Zurückhaltung bei der Ärzteschaft: „Im Vordergrund stehen hier vor allem datenschutzrechtliche Bedenken, gefolgt von Zweifeln an der Wirksamkeit, zu hohen Kosten und auch Zweifeln an der Motivation der Patienten“, berichtet Obermann.
Dass die Sicherheitsbedenken der Ärzte nicht ganz unbegründet sind, zeigte sich in der Vergangenheit immer wieder. So entdeckte z. B. das ehrenamtliche Kollektiv „Zerforschung“ im Sommer dieses Jahres erhebliche Sicherheitsmängel bei „Novego“ und „Cankado PRO-React Onco“. Und bereits im Jahr 2020 stießen IT-Experten auf eine Sicherheitslücke bei „Velibra“. Quelle: dpa, Stiftung Gesundheit, Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung, GKV-Spitzenverband
Gut zu wissen: Wie viel kosten DiGA für die GKV?
Die durchschnittlichen Kosten von digitalen Gesundheitsanwendungen belaufen sich laut McKinsey auf 458 Euro. Die Preise können dabei nicht willkürlich festgelegt werden, sondern folgen den Vorgaben des GKV-Spitzenverbands. Demnach ist für die Vergütung
- die Gruppenzuordnung (Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems, Krankheiten des Nervensystems, Psychische Erkrankungen oder Stoffwechselkrankheiten),
- der DiGA-Status (dauerhaft oder vorläufig)
- sowie die Anzahl der bereits eingelösten Freischaltcodes (> oder ≤ 10.000) maßgeblich.
Je nach Zuordnung sind pro Kalendertag Höchstbeträge von 1,46 € bis 8,24 € möglich. Für neue DiGA gibt es hier jedoch eine Ausnahme: Bis zu einer Menge von 2.000 eingelösten Freischaltcodes finden die Höchstbeträge im ersten Jahr nach Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis keine Anwendung.