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Verlängert das BMG die Sonderregeln für Grippeimpfstoffe?: Welche Grippeimpfstoffe für Ältere in der Saison 2022/23?

Welche Grippeimpfstoffe stehen Menschen ab 60 Jahren zur Verfügung? | Bild: IMAGO / Beautiful Sports

Spezielle Grippeimpfstoffe für ältere Menschen sollen diese Risikogruppe vor einer schweren Influenzaerkrankung schützen. Zugelassen sind Efluelda®, ein hochdosierter Grippeimpfstoff mit vierfacher Antigenmenge (ab 60 Jahren), und Fluad® Tetra, eine adjuvantierte Influenzavakzine (ab 65 Jahren). 

Mit welchem Grippeimpfstoff Senioren sich schützen sollen, diese Entscheidung traf die Ständige Impfkommission (STIKO) bereits 2020: Sie rät seither zum Hochdosisgrippeimpfstoff für alle Menschen ab 60 Jahren. 

Mit Aufnahme in die Schutzimpfungs-Richtlinie ist damit Efluelda® von Sanofi Pasteur, als derzeit einziger verfügbarer Hochdosisimpfstoff gegen Grippe, Standardimpfung für ab 60-Jährige, was auch bedeutet, dass die Krankenkassen diese Grippeimpfung erstatten. Die Krux, die damit um die Ecke kam: Die Schutzimpfungs-Richtlinie sieht keine Alternativen vor.

Schutzimpfungs-Richtlinie sieht derzeit nur Hochdosisgrippeimpfung vor

Denn: Laut Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der die STIKO-Empfehlung in die Schutzimpfungs-Richtlinie aufnahm, war ein Ausweichen innerhalb der Richtlinie „nicht umsetzungsfähig“: 

Wenn die STIKO in ihrer aktualisierten Empfehlung zur Grippeimpfung insgesamt zu der Einschätzung gelangt, dass Hochdosisimpfstoffe bei älteren Personen einen besseren Schutz vor einer Influenzaerkrankung bieten als andere Impfstofftypen und somit nach Auffassung der STIKO in Bezug auf das Impfziel für diese Personengruppe generell vorzuziehen sind, bleibt grundsätzlich kein Raum für eine Anwendung von anderen Influenza-Impfstoffen bei Personen im Alter von ≥ 60 Jahren innerhalb der GKV.“

Gemeinsamer Bundesausschuss

Das würde sonst bedeuten, dass die Versicherten auf eine „unzweckmäßige Leistung“ verwiesen würden, erklärte der G-BA damals.

Gibt es alternative Impfmöglichkeiten?

Schnell kam folglich die Sorge auf, was denn passiere, sollte Efluelda® nicht lieferbar sein. Müssen Senioren dann womöglich leer ausgehen?

Die STIKO hatte in ihrer Empfehlung zu Hochdosisgrippeimpfstoffen im Epidemiologischen Bulletin 1|2021 durchaus auf diesen Fall hingewiesen: „Bei einem Lieferengpass oder Nicht-Verfügbarkeit eines Hochdosis-Impfstoffs sollen ersatzweise andere inaktivierte quadrivalente Influenza-Impfstoffe (unabhängig vom Impfstofftyp) angewendet werden.“ 

Allerdings erklärte der G-BA daraufhin: „Solange keine Konkretisierung der Lieferengpässe oder Nicht-Verfügbarkeit erfolgt, bleibt auch die Aussage der STIKO, dass bei einem Lieferengpass oder einer Nicht-Verfügbarkeit eines Hochdosisimpfstoffes ersatzweise andere inaktivierte quadrivalente Influenza-Impfstoffe (unabhängig vom Impfstofftyp) angewendet werden können, für den G-BA nicht umsetzungsfähig.“

BMG erlässt Verordnung

Dieses Dilemma um Efluelda® blieb auch dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) damals nicht verborgen, weswegen es flugs mit einer Verordnung Abhilfe schuf. Diese erlaubt, dass ab 60-Jährige auch mit anderen Grippeimpfstoffen vor Influenza geschützt werden dürfen und die Krankenkassen sodann für die Kosten aufkommen. Die Verordnung trat am 8. März 2021 in Kraft und sollte planmäßig zum 31. März 2022 auslaufen.

BMG will Sonderregeln verlängern

Allerdings scheint das BMG seine ursprünglichen Pläne geändert zu haben. Es hat zwischenzeitlich einen Entwurf vorgelegt, der die Verordnung um ein Jahr, sprich bis zum 31. März 2023, verlängert. Das überrascht, denn eigentlich wäre nun der G-BA am Zug gewesen. 

Nachdem die STIKO im August 2021 Empfehlungen zum Austausch von Impfstoffen bei Versorgungsengpässen im Epidemiologischen Bulletin 34|2021 veröffentlicht hatte, passte der G-BA die Schutzimpfungs-Richtlinie dahingehend an und sie erlaubt seither den Austausch bestimmter Vakzinen. 

Allerdings: Die Empfehlung zum Austausch bei Nichtlieferbarkeit des Hochdosisgrippeimpfstoffes konnte der G-BA im Sommer des letzten Jahres nicht umsetzen. Grund war die aktive BMG-Verordnung. 

Der G-BA erklärte damals: „Die alternative Empfehlung der STIKO bei Lieferengpässen hinsichtlich des sogenannten Hochdosisimpfstoffes gegen Grippe kann der G-BA in seiner Richtlinie erst im kommenden Jahr umsetzen. Bis Ende März 2022 besteht durch eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums bereits der Anspruch auf den Einsatz anderer Grippeimpfstoffe. Tritt die Rechtsverordnung außer Kraft, wird der G-BA die entsprechende STIKO-Empfehlung zur Grippeschutzimpfung im Falle eines Lieferengpasses umsetzen.“

G-BA wollte Alternativen zu Efluelda® in Schutzimpfungs-Richtlinie regeln

Somit dürfte der G-BA das Ende der BMG-Verordnung bereits erwarten – die nun vielleicht nicht kommt. Doch ist man beim G-BA bereit: „Der G-BA wäre darauf vorbereitet, die STIKO-Empfehlung zum 1. April 2022 – also zum ursprünglich geplanten Auslaufen der Verordnung – in die Schutzimpfungs-Richtlinie zu überführen“, erklärt eine Sprecherin des G-BA. 

Anders als das BMG hat der G-BA die Möglichkeit, die Priorisierung der STIKO in der Schutzimpfungs-Richtlinie zu berücksichtigen, denn standarddosierte Impfstoffe sollen nur bei Nichtverfügbarkeit des Hochdosisgrippeimpfstoffes zum Einsatz kommen. 

So will der G-BA, sollte die Verordnung doch nicht verlängert werden, noch vor deren Auslaufen Regelungen „zum nachrangigen Einsatz der nicht primär empfohlenen Impfstoffe bei Lieferengpässen beschließen“.

Sorgt sich das BMG um die Versorgung der Senioren?

Der neue Entwurf der BMG-Verordnung hingegen schreibt lediglich: „Nach aktueller G-BA-Schutzimpfungsrichtlinie (in Verbindung mit § 20i Absatz 1 Satz 1 und 3 SGB V) haben Personen ab dem 60. Lebensjahr im Normalfall ausschließlich einen Anspruch auf Versorgung mit Influenza-Hochdosis-Impfstoffen.“ Und: „Die Sicherstellung der Versorgung dieser Personen allein mit einem Influenza-Hochdosis-Impfstoff ist indessen wegen nicht auszuschließender Produktions- und Versorgungsprobleme nicht gewährleistet.“ Eine Priorisierung fehlt. 

Ist diese Sorge hinsichtlich „nicht auszuschließender Produktions- und Versorgungsprobleme“ berechtigt? Bei Sanofi kann man diese nicht nachvollziehen, schließlich sei man in der aktuellen Grippesaison bei Efluelda® frei von Produktions- und Qualitätsproblemen gewesen und auch frühzeitig lieferfähig, erklärte eine Sprecherin gegenüber der Redaktion. Sorge bereitet es dem Unternehmen hingegen, ob – sollte der Entwurf der Verordnung tatsächlich in eine rechtsgültige Verordnung münden – dadurch nicht mehr Verwirrung bei Ärzten und Apothekern gestiftet würde, die die wichtigen Vorbestellungen der Grippeimpfstoffe konterkarieren könnte.  

Die Beweggründe des BMG

Warum das BMG aktiv wurde, ist unklar. Auf Nachfrage der Redaktion will man „Referentenentwürfe nicht kommentieren“. Möchte das BMG vielleicht die Monopolstellung, die Efluelda® als einziger von der STIKO empfohlener Grippeimpfstoff für ab 60-Jährige genießt, etwas mildern? 

Nachvollziehbar ist der Gedanke, schließlich hatte das BMG vor wenigen Jahren große Anstrengung unternommen, um exklusive Rabattverträge bei Grippeimpfstoffen abzuschaffen und damit die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. 

Und versetzt man sich in die Situation von Seqirus, dem Hersteller der wirkverstärkten Senioren-Grippevakzine Fluad® Tetra, kann die Frage aufkommen, ob die Motivation – nur bei Nichtlieferbarkeit von Efluelda® in die Bresche zu springen – ausreicht, um jährlich einen saisonal angepassten Grippeimpfstoff speziell für ältere Menschen zu produzieren. Und das könnte langfristig tatsächlich problematisch werden, sollten sich Grippeimpfstoffhersteller aus dem Markt zurückziehen. 

Noch liegt lediglich ein Entwurf der Verordnung vor. Ob dieser sodann wirklich in eine Verordnung gegossen wird, bleibt erstmal abzuwarten.