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Mögliche Lösungen des Dilemmas beim Hochdosisgrippeimpfstoff: Gehen Senioren bei Nichtverfügbarkeit von Efluelda® leer aus?

Wie können Senioren im Falle eines Lieferengpasses bei Efluelda®  dennoch gegen Grippe geimpft werden?| Bild: Trsakaoe / Adobe Stock

Die Ständige Impfkommission (STIKO) kam im November 2020 zu dem Schluss, dass Hochdosisgrippeimpfstoffe im Vergleich zu konventionellen Influenza-Impfstoffen eine „geringfügige, aber signifikante Überlegenheit der Impfeffektivität bei älteren Menschen“ mit sich bringen. Aufgrund von Modellrechnungen geht die STIKO davon aus, dass sich in einer durchschnittlichen Grippesaison die Impfeffektivität durch eine Hochdosisimpfung bei Älteren um 15 Prozent erhöht und sich dadurch 314 influenzabedingte Krankenhausbehandlungen und 162 Todesfälle verhindern lassen. Sie änderte daraufhin ihre Empfehlung und rät seitdem, dass ab 60-Jährige jährlich mit einem Hochdosisgrippeimpfstoff gegen Influenza geimpft werden sollen – wohl wissend, dass es nur einen Anbieter gibt: Sanofi Pasteur mit Efluelda®. Dachte die STIKO nicht an Lieferengpässe aufgrund der Abhängigkeit von nur einem hochdosierten Impfstoff und nur einem Hersteller?

STIKO berücksichtigt andere Impfstoffe bei Nichtverfügbarkeit

Mitnichten. So erklärt die STIKO im Epidemiologischen Bulletin 1|2021: „Bei einem Lieferengpass oder Nicht-Verfügbarkeit eines Hochdosis-Impfstoffs sollen ersatzweise andere inaktivierte quadrivalente Influenza-Impfstoffe (unabhängig vom Impfstofftyp) angewendet werden.“ Kommt also die Frage auf: Warum hat der G-BA, der die Empfehlung der STIKO prüft und in der Schutzimpfungs-Richtlinie umsetzen soll, diesen Rat der STIKO unter den Tisch fallen lassen? Denn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) folgte der Hochdosisgrippeimpfempfehlung der STIKO im Januar 2021 – jedoch ohne Ausweichmöglichkeiten auf standarddosierte Vakzinen. Er änderte die Schutzimpfungs-Richtlinie, und dem hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Februar nun zugestimmt. Somit wird die Hochdosisgrippeimpfung mit Inkrafttreten der geänderten Schutzimpfungs-Richtlinie am 1. April 2021 zur Standardimpfung für ab 60-Jährige und die Krankenkassen erstatten diese. Allerdings auch nur noch die Hochdosisgrippeimpfung.

Wäre eine „bevorzugte“ Impfung mit Hochdosisimpfstoff möglich gewesen?

Doch hätte der G-BA in der Schutzimpfungs-Richtlinie keine lediglich „bevorzugte Impfung“ verankern und schreiben können: „Menschen ab 60 Jahren sollen bevorzugt mit einer Hochdosisgrippevakzine geimpft werden, bei Nichtverfügbarkeit sollten andere für diese Altersgruppe zugelasse Vakzinen zum Einsatz kommen“?

Die Schutzimpfungs-Richtlinie bietet durchaus Raum für Einschränkungen, das zeigt die Grippeimpfung bei Kindern. So sollen Kinder mit einem inaktivierten Grippeimpfstoff geimpft werden, falls aber im medizinisch begründeten Einzelfall die Impfung mit einer solchen Vakzine unmöglich ist – zum Beispiel aufgrund von Spritzenphobie beim Kind –, erstattet die GKV auch die Kosten einer nasalen Grippeimpfung mit Fluenz® Tetra (abgeschwächter Lebendimpfstoff, zugelassen von zwei bis 17 Jahren).

Diese beiden Fälle – Einschränkungen bei Efluelda® und bei der kindlichen Grippeimpfung – sind allerdings nur auf den ersten Blick vergleichbar, denn: Bei der kindlichen Grippeimpfung rät die STIKO nicht bevorzugt zu einem der beiden Impfprinzipien. Nur wenn medizinische Gründe vorliegen, wie eine Spritzenphobie, und das Kind keinen Totimpfstoff erhalten kann, erlaubt der G-BA auf den nasalen Impfstoff auszuweichen – ohne dass dadurch Nachteile bezüglich der Wirksamkeit für das geimpfte Kind entstehen.

Wirksamkeit der Grippeimpfstoffe nicht miteinander vergleichbar

Anders bei der Hochdosisimpfung – hier gibt es nach Ansicht der STIKO derzeit keine vergleichbar wirksamen Vakzinen: Alle Menschen eignen sich gleichermaßen für die Hochdosisgrippeimpfung, und eine Nichtverfügbarkeit seitens des Herstellers ist auch kein medizinischer Grund, der das Impfen mit einem „unterlegenen“ Grippeimpfstoff rechtfertigt. Die Schutzimpfungs-Richtlinie kann folglich nicht die rechtliche Grundlage schaffen, dass die „schnelleren“ Bürger – solange Efluelda® lieferbar ist – bei der Impfung eine besser wirksame Vakzine erhalten und bei Nichtverfügbarkeit sodann die „langsameren“ Bürger einen „schlechteren“ Impfstoff.

Bloßes Risiko der Nichtverfügbarkeit rechtfertigt keine „unterlegenen“ Grippeimpfstoffe

Somit ist nach Auskunft des G-BA ein Ausweichen innerhalb der Schutzimpfungs-Richtlinie „nicht umsetzungsfähig“: „Wenn die STIKO in ihrer aktualisierten Empfehlung zur Grippeimpfung insgesamt zu der Einschätzung gelangt, dass Hochdosisimpfstoffe bei älteren Personen einen besseren Schutz vor einer Influenzaerkrankung bieten als andere Impfstofftypen und somit nach Auffassung der STIKO in Bezug auf das Impfziel für diese Personengruppe generell vorzuziehen sind, bleibt grundsätzlich kein Raum für eine Anwendung von anderen Influenza-Impfstoffen bei Personen im Alter von ≥ 60 Jahren innerhalb der GKV.“ Denn das würde bedeuten, dass die Versicherten auf eine „unzweckmäßige Leistung“ verwiesen würden. Und weiter: „Solange keine Konkretisierung der Lieferengpässe oder Nicht-Verfügbarkeit erfolgt, bleibt auch die Aussage der STIKO, dass bei einem Lieferengpass oder einer Nicht-Verfügbarkeit eines Hochdosisimpfstoffes ersatzweise andere inaktivierte quadrivalente Influenza-Impfstoffe (unabhängig vom Impfstofftyp) angewendet werden können, für den G-BA nicht umsetzungsfähig.“

Hätte der G-BA nicht widersprechen können?

Warum also hat der G-BA nicht zumindest widersprochen, die Empfehlung der STIKO so monopolistisch umzusetzen? Die Möglichkeiten dazu hat er, das regelt § 20i Abs. 1 Satz 4 SGB V – auch wenn dies rechtlich betrachtet eine recht hohe Hürde darstellt, denn: „Abweichungen von den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission sind besonders zu begründen“, heißt es im Gesetzestext. Für diese besondere Begründung sah der G-BA jedoch „keinen hinreichenden Anhaltspunkt“ – obwohl Zweifel an der Begründung des Vorteils von Elfuelda® wohl durchaus geäußert wurden.

BMG kann Verordnung erlassen

Allerdings besteht – so es wirklich zu Engpässen bei Efluelda® kommen sollte – durchaus Handlungsspielraum. So kann das BMG eingreifen und eine Verordnung erlassen, die erlaubt, auf andere Grippeimpfstoffe auszuweichen. Möglich wäre auch, dass die STIKO bei Engpässen zeitlich begrenzte Empfehlungen veröffentlicht, die bei der Grippeimpfung Älterer auch andere Vakzinen wie

berücksichtigt, und diese Empfehlungen dann von G-BA und GKV pragmatisch umgesetzt werden.

Hierfür bedarf es laut G-BA, unabhängig von der allgemeinverbindlichen Feststellung eines Lieferengpasses oder der Nichtverfügbarkeit des Hochdosisimpfstoffs, dass die STIKO konkretisiert, ob und unter welchen auch zeitlichen Umständen ersatzweise mit „konventionellen“ Impfstoffen geimpft werden darf, um nachhaltig das angestrebte Impfziel umzusetzen.

Andere Länder empfehlen mehrere Impfstoffe bei Älteren

In anderen Ländern empfehlen die dortigen Impfkommissionen keine so monopolistische Grippeimpfung wie die STIKO. In den Vereinigten Staaten erklären die Centers for Disease Control and Prevention (CDC): „Menschen ab 65 Jahren können sich mit jedem Grippeimpfstoff impfen lassen, der für diese Altersgruppe zugelassen ist, ohne dass ein bestimmter Impfstoff gegenüber einem anderen bevorzugt wird. Die CDC empfiehlt die Grippeimpfung als ersten und wichtigsten Schritt zum Schutz vor Grippe.“

Kanada sieht hingegen ebenfalls Vorteile von hochdosierten Vakzinen. Dort werden – im Gegensatz zu Deutschland – auch noch Dreifachimpfstoffe (zwei Influenza-A-Stämme, ein Influenza-B-Stamm) eingesetzt: „Wenn verfügbar, sollte ein trivalenter Hochdosis-Grippeimpfstoff einem trivalenten standarddosierten Grippeimpfstoff vorgezogen werden, da die Belastung durch eine Influenza-A(H3N2)-Erkrankungen hoch ist und es gute Belege für einen besseren Schutz im Vergleich zu standdarddosierten Vakzinen bei Erwachsenen ab 65 Jahren gibt“, rät das National Advisory Committee on Immunization (NACI). Das NACI ergänzt: „Jeder der verfügbaren Influenza-Impfstoffe wäre besser, als ungeimpft zu bleiben. (…) Daher empfiehlt das NACI in Ermangelung eines spezifischen Produkts, dass jeder der verfügbaren Influenza-Impfstoffe verwendet werden sollte.“