Wie gut schützte die Grippeimpfung 2018/19?
Die Grippeimpfung kämpft meist mit zwei Dingen: Mit einer schlechten Impfbereitschaft in der Bevölkerung (Impfquote) und einer nur mäßigen Wirksamkeit (Effektivität). So lag im schlimmen Grippewinter 2017/18, der von einem Influenza-B-Stamm (Yamagata) dominiert wurde, die Wirksamkeit der (damals noch trivalenten) Influenzavakzine bei 15 Prozent. Zum Vergleich: Die Impfeffektivität von Lebendimpfstoffen gegen Masern, Mumps und Röteln gibt das RKI mit 93 bis 99 Prozent an.
Grippeimpfung bietet den besten Schutz vor Influenza
Dennoch: Auch wenn ein besserer Grippeschutz fraglos wünschenswert ist, bietet eine Grippeimpfung derzeit noch immer den besten Schutz vor einer Influenzainfektion. Das sieht auch das RKI so. Jedes Jahr aufs Neue betonen die Impfexperten: „Es gibt keine andere Impfung in Deutschland, mit der sich mehr Leben retten lassen.“ Diese Aussage erstaunt zunächst – gerade weil die Wirksamkeit der Vakzine ja nicht überragend ist. Doch die vom RKI hervorgehobene massive Lebensrettung durch die Grippeimpfung liegt vor allem daran, dass Influenza eine sehr häufige Infektionserkrankung ist, und weniger an der guten Wirksamkeit des Impfstoffes. Wie gut also schützte die Grippeimpfung im letzten Jahr vor einer Influenza? Erfreulich: Die Schutzwirkung 2018/19 war besser als 2017/18.
21 Prozent Impfwirksamkeit
Das RKI fand für die Grippesaison 2018/19 eine Impfeffektivität von 21 Prozent. Im schlimmen Grippewinter 2017/18 – mit den meisten Todesfällen durch Influenza (25.100) seit 30 Jahren – lag die Wirksamkeit bei 15 Prozent.
Doch wie bestimmt das RKI überhaupt, wie gut die Grippeimpfung schützte? Um die Wirksamkeit zu ermitteln, stellt sich das RKI – einfach erklärt – die Frage: Wie viele Menschen erkranken trotz Influenzaimpfung an Grippe im Vergleich zu den Menschen ohne Grippeimpfung? Je weniger von den Geimpften verglichen mit den Ungeimpften erkranken, desto besser schützt die Grippeimpfung.
Das bedeutet am Beispiel der Impfeffektivität 2018/19 konkret: Von 100 grippegeimpften Personen sind im Durchschnitt 21 vor Influenza geschützt (folglich erkranken 79), während von 100 Ungeimpften (bei gleicher Exposition) alle 100 an Grippe erkranken.
Guter Schutz vor Influenza A(H1N1), keine Wirksamkeit bei Influenza A(H3N2)
Und wie gut schützte die Vierfach-Influenzaimpfung vor den einzelnen Stämmen? Einzeln betrachtet hat das RKI hier nur die Stämme Influenza A(H1N1) und Influenza A(H3N2). Der Impfstoff schützte zu 61 Prozent vor einer Erkrankung durch Influenza A(H1N1), die Wirksamkeit war bei Kindern am höchsten und nahm in den älteren Altersgruppen ab. Bei Influenza A(H3N2) sah es deutlich schlechter aus: keine Wirksamkeit, so das Ergebnis der Impfexperten.
Ihr Fazit lautet: „Die Wirksamkeit der saisonalen Influenzaimpfung gegen eine laborbestätigte Influenzaerkrankung war in der Saison 2018/19 insgesamt niedrig, wobei die Wirksamkeit gegen eine Influenza A(H1N1)-Erkrankung hoch war, während gegen eine Influenza A(H3N2)-Erkrankung keine Wirksamkeit gezeigt werden konnte.“ Influenza B-Viren zirkulierten hingegen nur sehr wenige in der letzten Grippesaison, weswegen das RKI die Impfwirksamkeit der Vakzinen offenbar nicht separat ausgewertet hat.
Influenza A(H3N2) verändert sich schnell
Warum schützte die Grippeimpfung nicht vor Influenza A(H3N2)? Dafür gibt es nach Einschätzung des RKI mehrere Gründe. Erstens scheinen sich Influenza A(H3N2)-Viren am schnellsten durch Mutationen zu verändern. Das bedeutet, dass sehr viele unterschiedliche Varianten dieses Grippevirus zirkulieren, die nicht alle von dem Impfstoff erfasst werden können.
Herstellung in Hühnereiern nicht optimal?
Zweitens könnte sich auch die Herstellmethode der Grippeimpfstoffe negativ auf die Wirksamkeit – vor allem bei Influenza A(H3N2) – auswirken. Die meisten Grippeimpfstoffe werden in Hühnereiern produziert (dort vermehrt sich das Influenzavirus). Allerdings ist für das menschliche Grippevirus das Huhn nicht der natürliche Wirt. Damit sich das Virus dennoch im Hühnerei vermehren kann, passt es sich diesem an (Ei-Adaption) und verändert sich dafür entsprechend. Das kann jedoch bedeuten, dass sich dieses Grippevirus von dem tatsächlich in freier Wildbahn zirkulierenden unterscheidet mit der Folge, dass der Impfstoff nicht optimal passt.
Seit diesem Jahr: Zellkulturbasierter Impfstoff verfügbar
Dieser Gedanke ist nicht neu. Seit längerem vermuten Wissenschaftler, dass die sogenannte Ei-Adaption, die Grippeviren bei der Herstellung von Vakzinen in Hühnereiern durchlaufen, für die geringe Impfeffektivität der Grippevakzinen mitverantwortlich ist und somit eine Grippeimpfstoffproduktion in Säugetierzellkulturen vorteilhaft sein könnte. In diesem Jahr (Grippesaison 2019/20) ist mit Flucelvax® Tetra (Seqirus) erstmals eine zellkulturbasierte Grippevakzine auch in Deutschland verfügbar.
Verzögerte Entscheidung für Impfstoff-Zusammensetzung
Auch die WHO (Weltgesundheitsorganisation), die normalerweise im Februar die Zusammensetzung des neuen Grippeimpfstoffes 2019/20 für die Nordhalbkugel empfiehlt, hatte in diesem Jahr Schwierigkeiten, zu welcher Influenza A(H3N2)-Komponente sie raten soll. Erst mit Verzögerung von einigen Wochen konnte die WHO sich im März für die diesjährige Influenza A(H3N2)-Komponente entscheiden.
Impfkomponente passt nicht, Dauer der Wirksamkeit kürzer
Zudem scheint ein wenig gutes Passen der Impfkomponente – verglichen mit einer Komponente mit guter Übereinstimmung – auch die Dauer der Wirksamkeit zu verkürzen. Das kann bedeuten, dass bereits während der Grippewelle die Effektivität nachlässt. Influenza A(H3N2)-Viren zirkulierten insbesondere jedoch in der zweiten Hälfte der Saison 2018/19.
14,6 Millionen Grippeimpfdosen 2018/19 geimpft
Daten zu den durchgeführten Impfungen in 2018/19 hat das Marktforschungsinstitut IQVIA veröffentlicht: Laut IQVIA (Stand: Februar 2019) wurden insgesamt 14,6 Millionen Grippeimpfdosen (Zeitraum August bis Dezember 2018) an GKV- und Privatkrankenversicherte abgegeben: 13,3 Millionen hiervon entfallen auf GKV-Patienten, was 10 Prozent mehr sind als in der Vorjahresgrippesaison. Auf Privatkrankenversicherte entfallen 1,3 Millionen Grippeimpfdosen.