Ärztekammern üben Kritik: Krankschreibung per WhatsApp
Der Beschluss des Deutschen Ärztetages zur teilweisen Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes ist noch kein Jahr alt, trotzdem hat er im gesamten Gesundheitswesen jetzt schon zu weitreichenden Entwicklungen geführt: Inzwischen haben mehrere Landesärztekammern die Lockerung in ihre Berufsordnungen aufgenommen, es gibt schon mehrere Anbieter von Online-Arztpraxen, in denen sich Patienten via Internet beraten lassen können. Und auch die Frage der Online-Verordnungen stellt sich seitdem wieder: Das Bundesgesundheitsministerium will das seit 2016 geltende Fernverordnungsverbot aufheben, sodass Ärzte in Online-Beratungen auch Arzneimittel verschreiben dürfen.
Dabei hatte sich der Ärztetag zum Thema Arzneimittelrezepte gar nicht eindeutig geäußert: Ein Antrag, nach dem Online-Rezepte sogar verboten bleiben sollen, wurde an den Vorstand der Bundesärztekammer überwiesen. Eine klare Meinung hatten die Delegierten des Ärztetages allerdings zu einem anderen Aspekt der Fernbehandlung: der Online-Ausstellung von Krankschreibungen. In einer Entschließung hie es damals, dass es keine AU-Scheine über das Internet geben darf, wenn es vorher nicht zu einem persönlichen Kontakt gekommen ist.
AU-schein.de: Krankschreibung via WhatsApp
Doch eine Firma aus Hamburg macht genau das: Auf der Internetseite AU-schein.de können sich Patienten über das Vorgehen informieren. Das Unternehmen wirbt damit, im Falle einer „Erkältung“ AU-Scheine online auszustellen und diese per WhatsApp an die Patienten zu verschicken. Dazu sollen sich die Kunden eine App auf ihr Smartphone herunterladen, ein Formular ausfüllen, in dem Fragen zum Gesundheitszustand gestellt werden, um dann die Krankschreibung aufs Handy geschickt zu bekommen. Laut Nachrichtenagentur dpa bietet die Firma AU-Schein seit der Woche vor Weihnachten Erkälteten diesen Service für neun Euro an, bis zum gestrigen Donnerstag nutzte diesen Service allerdings erst ein Dutzend Erkrankte.
Firmengründer Can Ansay erklärte gegenüber der dpa, dass nach dem Ausfüllen des Formulars die weitere Kommunikation mit einer Ärztin über den verschlüsselten Messenger-Dienst erfolge und somit auch der Datenschutz-Grundverordnung entspreche. Ansay meint, dass die Krankschreibungen Rechtsgutachten zufolge von den Kassen anerkannt werden müssten, selbst wenn diese von einer Privatärztin ohne Kassenzulassung ausgestellt würden. Erkältungen seien für Telemedizin optimal geeignet, da sie in der Regel ungefährlich und für den Arzt zumeist auch ohne persönlichen Kontakt diagnostizierbar seien. „Es geht ja damit niemand zum Arzt, wenn er nicht Komplikationen hat oder eben eine Krankschreibung braucht.“
Ärzte warnen
Ansay verwies auf die Berufsordnung der Ärztekammer Schleswig-Holstein, die im Gegensatz zur Muster-Berufsordnung der Bundesärztekammer einen weitreichenderen Einsatz der Telemedizin zulasse. Deshalb fahre seine Ärztin, die über keine eigene Praxis und auch keine kassenärztliche Zulassung verfüge, täglich von Hamburg über die Landesgrenze nach Schleswig-Holstein, um dort die Online-Krankschreibungen zu bearbeiten. Um vorgetäuschten Erkältungen und Tricksereien der Patienten keinen Vorschub zu leisten, sei sein Angebot auf maximal zwei Krankschreibungen pro Jahr beschränkt. Letztlich gelte aber für WhatsApp wie für den Arztbesuch: „Jeder Patient, der bewusst falsche Angaben macht, begeht einen Betrug.“
Die Ärztekammern in Hamburg und Schleswig-Holstein sind allerdings gar nicht begeistert. Man rate von der Nutzung des Online-Angebots ab – „allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen“, wie der Ärztliche Geschäftsführer der schleswig-holsteinischen Kammer, Carsten Leffmann, sagte. Ähnlich äußerte sich Nicola Timpe von der Ärztekammer Hamburg. Zudem müsse die rechtliche Grundlage des Online-Angebots noch geklärt werden, sagte sie. Auch könne es sein, dass Arbeitgeber eine solche Krankschreibung nicht anerkennen.
Eine Krankschreibung via WhatsApp habe die Kieler Kammer bei der Regelung der Berufsordnung nicht im Auge gehabt, sagte Leffmann. „Ich sehe schon einen Unterschied zwischen einer Fernbehandlung und der Fernausstellung eines Dokuments.“ Zudem gebe es bereits sichere technische Lösungen speziell für die Telemedizin, die in Zukunft weiter ausgebaut werden müsse. „Von den Angeboten global agierender Unternehmen wie WhatsApp oder Skype rate ich in diesem Zusammenhang aber ab.“ Timpe warnte, dass misstrauische Arbeitgeber die Anerkennung einer mittels WhatsApp ausgestellten Krankschreibung verweigern könnten. „Dann muss das letztendlich vor einem Arbeitsgericht entschieden werden.“