Reizdarmsyndrom: Was kann man dagegen tun?
Das Reizdarmsyndrom (RDS) hat viele Gesichter. Es kann sich in den unterschiedlichsten Beschwerdebildern zeigen und bei Betroffenen die Lebensqualität deutlich einschränken.
Diese Vielseitigkeit erschwert die Diagnose und die Auswahl einer geeigneten Therapie, weshalb das Reizdarmsyndrom zu den beratungsintensiven Themen in der Apotheke gehört.
Reizdarmsyndrom: Durchfall und Verstopfung als Leitsymptome
Zu den Leitsymptomen eines Reizdarmsyndroms zählen Verstopfung und Durchfall, wobei entweder nur ein Symptom vordergründig ist oder beide Beschwerdebilder abwechselnd auftreten. Weiterhin zeigen sich Schmerzen im Unterbauch, Blähungen sowie eine stark eingeschränkte Lebensqualität.
Der Verlauf und die Ausprägung der Erkrankung sind individuell und sie kann sich langfristig manifestieren oder auch spontan ausheilen.
Von einem RDS ist die Rede, wenn folgende drei Fragen mit Ja beantwortet werden können:
- Treten die Darmbeschwerden bereits seit mindestens drei Monaten durchgehend oder wiederkehrend auf?
- Ist die Lebensqualität dadurch maßgeblich beeinträchtigt?
- Wurden bereits andere Erkrankungen ausgeschlossen, die ähnliche Symptome verursachen?
Meist gelingt dies nur, wenn bereits einige diagnostische Schritte zusammen mit dem behandelnden Arzt umgesetzt wurden. Denn die RDS-Symptome sind nicht spezifisch, sondern können auch mit zahlreichen anderen Erkrankungen zusammenhängen.
Ursachen des Reizdarmsyndroms in Kombination betrachten
Häufig spielen verschiedene Auslöser bei der Entstehung eines RDS eine Rolle. Man unterscheidet körperliche, psychische, genetische und durch die Umwelt herbeigeführte Ursachen. Hervorzuheben sind Traumata, psychische Erkrankungen, Stress, Keime, vorangegangene Infektionen wie eine Magen-Darm-Entzündung, Mikrobiom-Verschiebungen und Medikamente wie Antibiotika. All diese Auslöser können bestimmte physiologische Veränderungen hervorrufen, die letztendlich im Zusammenspiel ein RDS begünstigen.
Im Zusammenhang mit einem Reizdarmsyndrom bestehen folgende Problematiken:
- verlangsamte (Verstopfung) oder beschleunigte (Durchfall) Beweglichkeit des Darms
- vermehrte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut
- gestörter Gallensäurestoffwechsel
- gesteigerte Darmsensibilität: einfache Dehnungsreize können bereits Schmerzen verursachen
- hormonelle und enzymatische Veränderungen im Darm, die dessen Funktion beeinträchtigen
- gestörte Signalverarbeitung von Reizen im Gehirn, die vom Darm gesendet werden
- gesteigerte Sympathikus-Aktivität, die den Körper in erhöhte Anspannung versetzt
Reizdarmsyndrom: Nützliche Fragen für das Beratungsgespräch
- Welche Beschwerden treten im Alltag auf?
- Seit wann leiden Sie an den beschriebenen Symptomen?
- Können Sie einen Zusammenhang mit dem Verzehr bestimmter Lebensmittel erkennen?
- Hatten Sie kürzlich einen Magen-Darm-Infekt oder haben Antibiotika eingenommen?
- Ist Ihr Alltag derzeit sehr stressig?
- Haben Sie die Beschwerden bereits beim Arzt abklären lassen?
- Nehmen Sie aktuell Medikamente ein oder leiden an weiteren Erkrankungen?
- Was haben Sie bereits gegen die Beschwerden unternommen?
Sollte die Selbstmedikation möglich sein, können zusätzlich folgende Hinweise formuliert werden:
- „Führen Sie die Therapie für drei Monate durch, um zu erkennen, ob sich eine langfristige Besserung einstellt.“
- „Ich gebe Ihnen ein Symptom- bzw. Ernährungstagebuch mit nach Hause, welches wir gemeinsam in zwei Wochen auswerten können.“
- „Versuchen Sie ab sofort potenzielle Auslöser zu erkennen und zu meiden, um Auswirkungen auf die Symptome zu beobachten.“
- „Bei Fragen zum Medikament können Sie jederzeit anrufen oder vorbeikommen.“
Abgrenzung des RDS von schweren Erkrankungen
Eine gezielte Befragung im Rahmen eines Anamnesegesprächs ist das A und O für eine Diagnosestellung. Patienten sollten ihre Beschwerden bereits nach 2–3 Wochen abklären lassen, wenn sie die Lebensqualität stark einschränken.
Eine frühe Untersuchung dient vor allem dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen. Hier kommen je nach individueller Situation körperliche Untersuchungen – bei Frauen auch beim Gynäkologen –, Laborparameter, bildgebende Verfahren sowie eine Darmspiegelung infrage.
Grenzen der Selbstmedikation: Wann zum Arzt?
Treten neben den typischen RDS-Symptomen zusätzlich
- Fieber,
- Entzündungsanzeichen,
- Gewichtsverlust und/oder
- Blut im Stuhl
auf, sollte der Betroffene direkt an den Arzt verwiesen werden.
Das gilt auch, wenn die Beschwerden innerhalb der letzten Wochen langsam immer stärker geworden sind. So können schwerwiegende (Zöliakie, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Tumoren) und weitere Erkrankungen (Fructose-, Lactose- oder Histamin-Unverträglichkeit, Bakterienfehlbesiedlung im Darm, Divertikelkrankheit, gynäkologische Ursachen) zeitnah ausgeschlossen werden.
Reizdarmsyndrom: Therapie richtet sich nach Leitsymptom
Für die Behandlung des RDS gibt es keine einheitliche Standardtherapie, da die Erkrankung sehr vielseitig ist. Die symptomatische Therapie sollte sich nach dem Schweregrad richten und auf potenzielle Auslöser abzielen, wenn diese erkennbar sind.
Dafür eignen sich Symptom- oder Ernährungstagebücher, die PTA den Kunden zum Ausfüllen mitgeben können. Die Ergebnisse werden anschließend in der Apotheke ausgewertet und helfen bei der Auswahl einer geeigneten Therapie. Dadurch kann insbesondere der Einfluss von Lebensmitteln, Medikamenten, Stress sowie vorangegangenen Infektionen abgeschätzt werden.
Lösliche Ballaststoffe als sinnvolle Therapieoption bei RDS
Können im Ernährungstagebuch Auslöser ausfindig gemacht werden, sollten diese Lebensmittel aus dem Speiseplan entfernt werden. So bessern sich die Beschwerden langfristig.
Auch kann sich eine Low-FODMAP-Diät auf alle RDS-Symptome positiv auswirken.
Zur Erinnerung: Was ist die Low-FODMAP-Diät?
- FODMAP steht für fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole, die im Darm nicht resorbiert werden, sondern unverdaut in den Dickdarm gelangen.
- Deren Verstoffwechselung kann bei einigen Menschen Blähungen und Bauchkrämpfe auslösen.
- Der Verzicht auf derartige Lebensmittel kann Symptome des RDS lindern.
- FODMAP-reichhaltige Lebensmittel sind beispielsweise Weizen, Blumenkohl, Roggen, Milch, Zuckeraustauschstoffe und Hülsenfrüchte.
- FODMAP-arme Lebensmittel sind z. B. Kartoffeln, Salat, Eier, Hafer, Fleisch, Nüsse.
Empfehlenswert sind zudem Ballaststoffe, vor allem in löslicher Form, da sie so für alle Reizdarmpatienten gleichermaßen sinnvoll sind. Geeignete Präparate aus der Apotheke sind beispielsweise OMNi-LOGiC® FIBRE vom Institut AllergoSan oder Arktis Grow – Akazienfasern von Arktis Biopharma.
Einsatz von Probiotika bei Reizdarmsyndrom empfehlenswert
Außerdem wird der Einsatz von Probiotika in der S3-Leitlinie „Reizdarmsyndrom“ empfohlen. Es gibt zahlreiche Studien, in denen für einzelne Stämme positive Effekte auf die Symptome des RDS festgestellt wurden.
Darunter beispielsweise einige Bifidobakterien, Lactobazillen, Escherichia coli sowie Saccharomyces cerevisiae. Diese kommen entweder in Lebensmitteln wie Trinkjoghurt oder in speziellen Mono- bzw. Multi-Spezies-Probiotika vor.
Empfehlenswerte Produkte aus der Apotheke sind beispielsweise Kijimea Reizdarm®, Pascoflorin® sensitiv, Probielle® Balance, Omniflora N oder Symbioflor 2.
Reizdarmsyndrom: Weitere Therapieoptionen in der Selbstmedikation
Die medikamentöse Behandlung zielt immer auf das vorliegende RDS-Symptom ab. Eine Durchfallsymptomatik kann mit Loperamid (Imodium® akut) in der Selbstmedikation kurzzeitig behandelt werden. Bei Verstopfung eignen sich Laxantien vom Macrogol-Typ (Movicol®) sowie nach individueller Verträglichkeit auch Lactulose (Bifiteral® Sirup), Bisacodyl (DulcoLax® Dragées) oder Natriumpicosulfat (Laxoberal® Abführ-Tropfen).
Spasmolytika wie Butylscopolaminiumbromid (Buscopan® Dragées) wirken gegen krampfartige Bauchschmerzen.
In Studien konnten die pflanzlichen Mischungen aus Iberogast® und Iberogast® Advance Schmerzen bei RDS-Patienten reduzieren. Auch oral eingenommenes Pfefferminzöl (Digestopret®, Carmenthin®) konnte positive Effekte bei Schmerzen und Blähungen erzielen.
Eine Linderung der allgemeinen RDS-Symptomatik kann mit heißen Kümmelölauflagen erreicht werden, wobei hier zusätzlich der entspannende Faktor eine Rolle spielt.
Nichtmedikamentöse Maßnahmen als sinnvolle Therapieergänzung
In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass Sport und Bewegung über einen Zeitraum von mindestens zwölf Wochen die RDS-Symptomatik, insbesondere bei Verstopfung, verbessert.
Sollten sich im Beratungsgespräch psychische Faktoren herauskristallisieren, kann zusätzlich eine Überweisung an einen Psychologen oder Psychotherapeuten sinnvoll sein. Entspannungsübungen, Meditation und Yoga dienen nicht nur der körperlichen Aktivität, sondern eignen sich auch, um Alltagsstress abzubauen. Quellen:
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/021-016l_S3_Definition-Pathophysiologie-Diagnostik-Therapie-Reizdarmsyndroms_2022-02.pdf
- https://www.gelbe-liste.de/